Sounds Different: Daniella Strasfogel

An einem nasskalten Sonntagmorgen: Ein Theater am Ufer der Spree. Seine große schwarze Bühne, im Zuschauerraum steigen die Sitzreihen steil auf.
Kinder, Familien, die sich gegenseitig begrüßen und den Zuschauerraum mit Lachen, Rennen und Aufregung füllen. Kindliche Fragen, die in die Stille geworfen werden und in der grellen Atmosphäre der Neonröhren widerhallen.
Kinder, Familien, die aufgeregt ihre Plätze auswählen – vor allem in den vorderen Reihen. Und dann einige Einzelpersonen, die es vorziehen, sich weiter oben niederzulassen, oder noch zögern, sich hinzusetzen.
Viele junge Zuschauer plötzlich schuhfrei, hüpfend.
Klappsitze öffnen und schließen sich, klappern im Rhythmus der ungeduldigen Beinchen. Snacks werden aus Rucksäcken geholt, Papier und Plastik rascheln.
„Ich habe Durst!“
„Hunger!!“
„Wann fängt’s an?“
„Mir ist laaaaangweilig…“
Eine Frau betritt die Bühne und stellt sich mit einem Mikrofon in der Hand in die Bühnenmitte. Sie ruft zwei KünstlerInnen zu sich, die die erste Performance aufführen werden. Er und sie stellen sich dem Publikum ganz einfach vor: Choreograph-Tänzer, Geigerin.
Die warmherzige Moderatorin, Daniella Strasfogel, Erfinderin und Kuratorin des Programms, erklärt die Regeln von Schrumpf!: Ein Duo bestehend aus einer.m KünstlerIn des Solistenensemble Kaleisdoskop und einer.m GastkünstlerIn präsentiert eine 20-minütige Musik- oder Klangperformance, die ursprünglich nicht für ein junges Publikum geschrieben wurde.
Dann lädt sie die Zuschauer ein, sich zu ihr auf die Bühne zu gesellen, um sich vor der Aufführung gemeinsam aufzuwärmen.
Diejenigen, die wie ich zum ersten Mal eine Aufführung von Schrumpf! sehen, sind überrascht. Haben wir das richtig verstanden? Müssen wir uns wirklich aufwärmen? Nach ein paar verlegenen Lachern von Erwachsenen und wilden Kavalkaden von Kindern in Richtung Bühne willigt die Mehrheit des Publikums ein.
Auf der Bühne heben wir alle zusammen die Arme, lassen die Schultern rollen, atmen in den unteren Bauch und hüpfen. Meine Sonntagmorgen-Laune verflüchtigt sich allmählich. Ein Lachreiz kribbelt und verzerrt meine Wangen, als ich meinen Kopf rollen lasse und meine Augen in alle Richtungen verdrehe. Eine sehr ferne Erinnerung, zum Tierreich zu gehören, durchdringt meine Muskeln. Wären wir nicht glücklicher und wohler in unserer Haut, wenn wir uns häufiger wie eine Katze strecken würden, wenn wir nie vergessen würden, Blut und Luft durch unseren Organismus zirkulieren zu lassen? Wie diese Kinder, wie Kinder überhaupt?
Wie oft habe ich mir diese Frage gestellt, während ich meinen Säugling aufwachsen sah, und später das lebhafte, sensible und agile Kind, zu dem er geworden ist, beobachtete?
In diesem Moment verstehe ich, dass alles, was ich an diesem Morgen sehen oder hören werde, von meinen wachen Sinnen intensiv aufgenommen werden wird. Nach dem Aufwärmen setzen wir uns alle wieder hin. Ein Geräusch hallt von der Bühne wider und läuft mir wie ein Schauer über den Rücken – Wasser, das zwischen Glasperlen oder Nussschalen hindurchströmt? Eine Performance voller Geheimnisse und Zartheit beginnt.

Daniella Strasfogel ist Violinistin und Gründungsmitglied des Solistenensembles Kaleidoskop Berlin. Sie gründete 2018 ihre eigene Company LOUDSoft, um in Zusammenarbeit mit KünstlerInnen und Bands aus dem Bereich der aktuellen Musik familienorientierte Musikformate zu entwickeln. Innerhalb dieser Company organisiert sie das Projekt Schrumpf!, dessen Ziel es ist, Familien einen Zugang zu neuen Produktionen der Freien Szene zu gestatten und ihnen die Möglichkeit zu geben, Teil der Aufführung zu werden. Die Idee zu dieser Form kam ihr nach einem Kinderkonzert, bei dem man ihr wieder einmal zu verstehen gegeben hatte, dass sie mit ihrem etwas zu „zappeligen“ Kind den Saal verlassen müsse. Schrumpf! ist ein maßgeschneidertes Format, um Kinder für Klangperformances zu sensibilisieren, und reagiert damit auf das geringe Angebot in diesem Bereich.
Meiner Meinung nach geht Strasfogels Ansatz noch weiter. Nicht nur Kinder, sondern auch wir, Eltern, Erwachsene, MusikliebhaberInnen, brauchen Aufführungen, die die Passivität einer normativen Rezeption der Bühnenkunst aufbrechen. Die Praxis von Daniella Strasfogel und den KünstlerInnen von Schrumpf! führt uns sowohl auf sensorischer als auch auf kognitiver Ebene tief in die Werke hinein. Und sicherlich ist dies für das Überleben der darstellenden Künste und für unser Bewusstsein für Kultur in ihren verschiedensten Formen von entscheidender Bedeutung.
Die erste Aufführung endet mit einem Geigenhauch.
Es folgen eine Diskussion mit dem Publikum, ein Vertreten unserer Beine in der Pause, eine zweite Performance, die das Gegenteil der ersten ist, verspielt und extrovertiert, ein erneuter Austausch zwischen Daniella und den Kindern. Und zum Schluss kommen alle zusammen zu einem körperlichen „cool down“ auf die Bühne.
Die Kinder lachten, flüsterten, sprachen laut, standen manchmal während der Aufführungen auf, um mit ihren Körpern einen Rhythmus zu wiederholen; sie stellten Fragen und gaben Antworten. Ob ihnen die Aufführung gefiel oder nicht, sie fühlten sich offenbar wie Fische im Wasser, als sie in dem großen Saal saßen, zuhörten, zusahen, fühlten und mitmachten. Ich bedauerte nur eines: dass ich es nicht geschafft hatte, meinen Sohn zu überreden, mich an diesem Morgen zu begleiten. Die Kälte dieses nassen Sonntags wäre schnell vergessen gewesen.