Das Schreiben mit einem sehr kleinen Kind war eine hochkonzentrierte Angelegenheit. Damals, als wir den Sommer über zur Zwischenmiete in Zürich wohnten, C. wieder morgens und abends arbeitete und ich unser Kind den Tag über durch diese so reiche und ordentliche Stadt schob, immer irgendein hochkulturelles Hörspiel im Ohr, der Mann ohne Eigenschaften oder die Ästhetik des Widerstands – wahrscheinlich um einen Mangel zu kompensieren, es war aber auch einfach gute Unterhaltung –, wie konzentriert ich dann war, in der einen Stunde Mittagsschlaf und wieder ab halb acht, wenn H. schlief. Er schlief ja immer sehr ruhig, sehr zuverlässig, schlief schnell und ohne großen Kampf ein, oft auf meiner Brust, während ich sehr leise über Kopfhörer diese großartigen Hörspiele weiterhörte, an Ulrichs Seite durch Kakanien schlenderte oder durch die Augen der deutschen Arbeiterschaft den Pergamon-Altar betrachtete. Wenn sich seine Hand, die sich an einen meiner Finger festklammerte, lockerte, wusste ich, dass er eingeschlafen war, und kaum saß ich am Küchentisch, stellte ich eine halbe Stunde lang meinen Kopf vor Youtube komplett aus, trat wirklich in eine Art regenerativen Stumpfsinn ein, aus dem ich dann, als es endlich genug war, hochschrak und so unheimlich konzentriert anfing, zu schreiben. Ich überarbeitete mein Buch über Mohammed, ich schrieb die letzte Erzählung zum „bösen Menschen“. Diese Texte hatten dann nichts mehr mit meinem Kind zu tun, fanden an völlig anderen Orten statt, in Wüstengegenden oder einem Geisterdorf im Muldental. Ich hatte wirklich das Gefühl, mich in Mohammed hineinversetzen zu können, ich schrieb ihm Passagen an innerer Rede, und wusste nicht, ob schon das Blasphemie war. Oder ich ließ meinen Erzähler in der Prignitz aus dem Fenster steigen und mit einem Satz nach Amerika übersetzen. Und wenn H. dann doch einmal aufwachte, aufheulte, sofort irgendetwas wollte, riss es mich zurück, in einer monströsen Sekunde wurde ich wieder der Verantwortliche für ein Kind, mein Kind, für H.; beruhigend säuselte ich ihm ernstgemeinte Elternfloskeln ins Ohr, während er an seinem Fläschchen saugte, mit geschlossenen Augen, und diese winzigen Piepstöne von sich gab, atemberaubende Töne, reinste Zauberei, umwerfend, dieses Kindchen, hin und weg war ich, vom Schreiben zum Kind und andersherum.