Same Work But Different: Fabian Schwitter

Welchen Einfluss hatte deine Vaterschaft auf die alltägliche Schreibarbeit?
Fabian Schwitter: Das Herumturnen auf den Tummelfeldern des Betriebs habe ich aufgrund der Elternschaft stark reduziert. Mit der Entscheidung, die Care-Arbeit paritätisch mit der Mutter zu teilen, sind meine zeitlichen Möglichkeiten eingeschränkt. Hinzu kam mein Umzug nach Leipzig, sodass ich kaum mehr über ein Arbeitsnetzwerk verfüge, wie ich es früher einmal hatte. Diese Zusammenhänge betreffen zwar nicht das Schreiben unmittelbar. Sie sind dennoch wesentlich für ein literarisches Leben, das einen Lebensunterhalt anstrebt.

Wenn dich vor der Kita ein anderes Elternteil fragt, worum es in deinem neuen Buch geht – wie würdest Du es beschreiben?
Fabian Schwitter: Lustigerweise ist die Geschichte der fünfzeiler-Bände auf das Engste mit der Kita verbunden. Die Bücher sähen nicht aus, wie sie aussehen, wäre mir in der Kita im Frühling 2019 nicht die Verlagsherstellerin Franziska Reichert begegnet. Die Details – denn aus dieser Begegnung ist mit dem Kraken Verlag ein weiteres Projekt gewachsen – stehen hier. Die Bücher setzen sich aus den fünfzeilern als Elementarteilchen zusammen und haben weniger ein Thema als eine Struktur. Das Anschauen ist ebenso wichtig wie das Lesen. Leitend für die Gestaltung von tausendundein / fünfzeiler war jedoch der Wellen-Teilchen-Dualismus des Lichts. Gruppen von neun fünfzeilern bewegen sich auf den Seiten runter und rauf, sodass die Gruppen als Einzelteile, das Buch insgesamt aber als Welle erscheint. Innerhalb dieser Struktur finden sich – der Seitenzahl entsprechend – 110 verschiedene Themen in unterschiedlichen Facetten wie ein Mosaik.

Welche*n other writer würdest Du gern zufällig auf einem Spielplatz treffen und worüber würdest Du mit ihm*ihr sprechen?
Fabian Schwitter: Seit eh und je war mir das lokale Schaffen wichtig. Es ist zwar interessant, mit allerlei spannenden Menschen in aller Welt in Kontakt zu stehen. Lieber ist es mir aber, wenn die Möglichkeit, sich tatsächlich auf dem Spielplatz zu begegnen, gegeben ist. So freue ich mich über Kontakte in Leipzig. Clemens Böckmann habe ich einmal auf einen Kaffee getroffen. Mit Sibylla Vričić Hausmann war ich einmal in einer größeren Runde nach einer Lesung auf ein Bier. Katharina Bendixen habe ich einmal von Weitem gesehen. Und seit einer Lesung weiß ich, dass Janin Wölke im Eisenbahnstraßen-Viertel in Leipzig wohnt …

Der Gedichtband tausendundein / fünfzeiler erschien im Herbst 2021 in der Edition Howeg.

Same Work But Different: Slata Roschal

Welchen Einfluss hatte deine Mutterschaft auf die alltägliche Schreibarbeit?
Slata Roschal: Einen Text aus dem Buch, „Die Entdeckung Amerikas“ habe ich zum Beispiel bei einer Konferenz in Boston geschrieben. Während der Vorträge tat ich so, als würde ich mitschreiben, und abends saß ich in meinem Zimmer in einem Studentenwohnheim und schrieb weiter, so habe ich von Amerika nur die Uni und das Wohnheim gesehen. Meine Lieblingstexte entstehen auf Reisen zu irgendwelchen formalen Tagungen, in Hotelzimmern, da habe ich einen Anlass, alleine zu sein, es ist eine kostbare Zeit.

Wenn dich vor der Schule ein anderes Elternteil fragt, worum es in deinem neuen Buch geht – wie würdest Du es beschreiben?
Slata Roschal: Es geht viel ums Sterben, um Ängste und Einsamkeit. Meine Bekanntschaften teilen sich eigentlich in zwei Kategorien auf: Die erste – Eltern aus der Kita, Schule oder aus dem Hort – interessieren sich kaum für Bücher, höchstens, wenn ich sage, dass ich Preisgeld erhalten habe. Und die zweite – andere Autoren – interessieren sich meist nicht für Kinder und alles, was damit zusammenhängt. Es sind parallele Welten, und in einer Art Code-Switching wechsle ich Themen, Motivationen, fast die Sprachen selbst.

Gibst du das Buch deinem Kind zu lesen? Warum (nicht)?
Slata Roschal: Mein Sohn (9) weiß mittlerweile, dass ich Bücher schreibe, er hat sie nicht gelesen, weil es genug andere spannende Sachen zu tun gibt, was ich total verstehen kann. Mir gefällt es, dass er offen protestiert, wenn es langweilig wird. Wenn er groß genug ist, wird es wiederum nicht pädagogisch sein, aus meiner Sicht, alles in Schwarz, Tod und Trauer, so ein Buch würde ich ihm nicht kaufen.

Was hältst du davon, das Entstehen eines Buches mit dem Heranwachsen eines Babys zu vergleichen und sein Erscheinen mit der Geburt? Ist dieser Vergleich für dich stimmig?
Slata Roschal: Total, weil der entscheidende Punkt ist: Ein Baby wächst heran zu einem erwachsenen Organismus, zieht als selbständiges Wesen in die Welt hinaus, gerät in immer mehr Bezüge, die nichts mehr mit dem elterlichen Körper zu tun haben, und wenn einem Buch immer noch ein Autor hinterherläuft, unangenehme Fragen oder Rezensionen abzuwenden versucht, ergibt es keinen Sinn.

Welches Stipendium würdest du auch mit Kind nicht ablehnen?
Slata Roschal: Mein Traum ist es gerade, ein Arbeitsstipendium zu bekommen, das für ein Jahr reicht – einfach genug Geld zu haben, um an eigenen Texten zu schreiben, und die ersten paar Monate keine Bewerbungen parallel zu verfassen, es muss grandios sein.

Das Gedicht stammt aus dem Band wir tauschen ansichten und ängste wie weiche warme tiere aus, erschienen bei Hochroth München, Herbst 2021.

Same Work But Different: Lisa Kreißler

Welchen Einfluss hatte deine Mutterschaft auf dein Buch?
Seit der Geburt meines ersten Kindes hat sich mein Blick auf Leben und Schreiben stark erweitert. Ich befrage die Wirklichkeit jetzt immer aus zwei Perspektiven: aus meiner und aus der des Neulings in der Welt. Wie spricht man mit einem Dreijährigen über den Tod? Was lehrt er mich über die Natur? Ist es möglich, sich den Blick des Kindes zurückzuerobern? Und: Was sehe ich dann? Wie bringe ich es in Sprache? All diese Fragen waren beim Schreiben von „Schreie & Flüstern“ immer in der Nähe.

Was hast du gerade gemacht, als das Paket mit den Belegen eintraf?
Ich war mit den Kindern an einem Flussbett. Es war warm. Sie spielten mit dem Wasser. Es war einer der seltenen Tage, an denen sie mich nicht brauchten. Ich habe japanische Erzählungen gelesen, mich über die Harmonie und die schönen Sätze gefreut. Als wir nach Hause kamen, stand ein großes Paket im Flur. Ich wusste sofort, was darin war. „Schreie & Flüstern“ ist meinem ältesten Sohn gewidmet. Das hatte ich ihm schon erzählt. Gemeinsam packten wir ein Buch aus. „Ist das mein Buch?“, fragte er. Ich nickte. Und als er seinen Namen vorn im Buch selbst las und dabei kurz innehielt, nahm der Text für mich eine neue Gestalt an. Das Buch war da.

Welches Stipendium würdest du auch mit Kind nicht ablehnen?
Ich träume davon, mit den Kindern und meinem Freund für eine längere Zeit ins Ausland zu gehen, in die Villa Massimo nach Rom zum Beispiel. Dort gibt es eine deutsche Schule. Mein Freund würde in einer italienischen Bäckerei arbeiten und ich würde mich in die Stadt vertiefen, mich durchschütteln lassen von den neuen Erfahrungen. Meinem Schreiben tut es gut, wenn das Leben mich durcheinanderbringt.

Welche*n other writer würdest du gern zufällig auf einem Spielplatz treffen und worüber würdest du mit ihm*ihr sprechen?
Ich würde gern Sibylla Vričić Hausmann treffen! Wir haben uns vor ein paar Jahren am LCB kennengelernt. Später habe ich dann ihre Gedichte gelesen, die einfach toll sind. Am LCB hat Sibylla mir von einem Roman erzählt, an dem sie schreibt. Ich würde sie gern ausquetschen, wie weit sie damit ist, wann ich ihn endlich lesen kann. Und ich würde sie fragen, ob sie einen guten Ratschlag für mich hat, wie man mit dem Gedichte schreiben anfängt.

Lisa Kreißlers Roman Schreie & Flüstern erschien im September 2021 im mairisch Verlag.

Same Work But Different: Selim Özdogan

Welchen Einfluss hatte deine Vaterschaft auf die alltägliche Schreibarbeit?
Selim Özdogan: Vor den Kindern konnte ich meine Tage freier gestalten. Ich habe morgens Yoga gemacht, bin einkaufen gegangen, habe gelesen, Kaffee getrunken,  Musik gehört, habe angenehm meine Zeit vertrödelt und ab mittags geschrieben, bis es Zeit wurde, Abendessen zu machen. So richtig viel hat sich nicht geändert, der Unterschied ist, dass ich alles in die Zeit zwischen 8.00 und 14.45 packe, bis es an der Zeit ist, die Kinder abzuholen. Lesen und trödeln fällt halt weg. Die Zeit der Schul-, und Kitaschließungen war dann natürlich nochmal ganz anders …

Was hältst du davon, das Entstehen eines Buches mit dem Heranwachsen eines Babys zu vergleichen und sein Erscheinen mit der Geburt? Ist dieser Vergleich für Dich stimmig?
Selim Özdogan: Nicht ganz. Ich möchte die Metapher gerne etwas verschieben. Die Geburt ist möglicherweise die erste Idee zu einem Buch oder einem Text. Der Text wächst dann heran und muss jeden Tag umsorgt, gepflegt, genährt werden. Unterwegs oder später sieht man die Fehler, die man gemacht hat, allerdings hat man die Möglichkeit, vor Erscheinen viel davon auszubügeln, ohne dass Spuren bleiben. Wenn das Buch dann erscheint, ist es erwachsen, es zieht aus und muss selber Verantwortung übernehmen. Der Text muss für sich allein stehen können. Ich kann dann nicht mehr hinterherrennen, erklären, entschuldigen, Lesarten vorgeben, loben, sorgen, spielen. Ich kann nur versuchen, ihm während der Promophase den Weg zu ebnen. Und manchmal kommt es dann zurück, weil es übersetzt wird, und wohnt noch einmal ein paar Wochen bei mir …

Auf welches Stipendium hast du dich nicht beworben, weil du Kinder hast?
Selim Özdogan: Auf so ziemlich jedes Auslandsstipendium, das ich noch nicht hatte, das sind einige …

Welche*n other writer würdest du gern zufällig auf einem Spielplatz treffen und worüber würdest du mit ihm*ihr sprechen?
Selim Özdogan: Ich rede grundsätzlich gerne mit Eltern auf dem Spielplatz – wenn sie mich nicht gerade fragen, was für eine Sprache ich da mit den Kindern spreche, aber das ist eine andere Geschichte –, über Kaffee, Yoga, Atmung, Urlaub oder was immer ihr Interesse und ihre Leidenschaft weckt. Oder ich lasse mir die beeindruckenden Geschichten von ihren Kindern erzählen: Dann ist Karl (7) im Freibad plötzlich aufgesprungen und hat gesagt: Ich springe jetzt vom Zehner. Ehe ich die Kleine einsammeln konnte, war er schon oben und dann habe ich gedacht, der kommt schon wieder oder der Bademeister schickt ihn runter, aber der ist gesprungen … Das Schöne an diesen Gesprächen ist die Unvorhersagbarkeit, dann sind sie lebendig, unabhängig vom Gegenüber.

Selim Özdogans Erzählband Die Musik auf den Dächern erschien im September 2021 im Nautilus Verlag.