FAQ

Sie arbeiten in einer stipendiengebenden Institution und möchten Stipendien für Autor*innen mit Kindern einrichten? Das ist toll – und Sie haben sicher viele Fragen. Vielleicht finden Sie hier die passenden Antworten. Falls nicht, kontaktieren sie uns gerne. Wir freuen uns auf den Austausch mit Ihnen.

Seit dem Bestehen unseres Künstlerhauses haben wir jedes Jahr wesentlich mehr Bewerber*innen als zu vergebende Plätze. Wieso sollten wir an unseren Ausschreibungsbedingungen überhaupt etwas ändern?

Um nicht Teil eines Ausgrenzungsmechanismus‘ zu sein: Obwohl die Förderlandschaft im deutschsprachigen Raum so umfangreich ist wie in kaum einem anderen Sprachraum, sind Autor*innen mit Kindern davon de facto ausgeschlossen.

Wir denken schon länger darüber nach, eine Wohnung in unserem Künstlerhaus für eine Familie herzurichten. Aber wenn sie ihre Kinder mitbringen, wie wollen Autor*innen mit Kindern dann überhaupt schreiben?

Ganz einfach: Indem Sie als stipendiengebende Institution dafür Sorge tragen, dass die Kinder betreut werden. Bei einigen Autor*innen lassen es die Lebensumstände zu, dass die Partner*innen sie begleiten und sich tagsüber um die Kinder kümmern – deren Reisekosten müssten selbstverständlich übernommen werden. Wenn die Autor*innen ohne Betreuungsperson anreisen, können Sie als stipendiengebende Institution die Autor*innen bei der Suche nach einer Betreuungsmöglichkeit vor Ort unterstützen und die Kosten dafür übernehmen.

Was ist mit Kindern, die außerhalb betreut werden müssen, z.B. bereits in die Schule gehen?

Diese Situation ist vergleichbar mit anderen Berufssparten, auch da müssen Eltern manchmal an anderen Orten tätig sein und ihre Kinder mitnehmen. Bitte kontaktieren Sie die jeweiligen Ämter, um die Stipendiat*innen und deren Familien zu unterstützen. Vielleicht finden an einer Schule oder einer anderen pädagogischen Einrichtung Ihrer Stadt auch regelmäßige Lesungen oder Schreibateliers statt, sodass sich die unterschiedlichen Anliegen miteinander verbinden lassen.

Unsere Stipendiat*innen werden in einer historischen Burganlage untergebracht, deren Räumlichkeiten wirklich nicht für Familien geeignet sind. Was können wir tun?

In diesem Fall sollten Sie für die Unterbringung von mitreisenden Partner*innen und Kindern in einem Hotel oder Gästehaus vor Ort aufkommen.

Für Betreuungs- oder zusätzliche Reisekosten haben wir leider keine Mittel. Und jetzt?

Geben Sie Ihren Fördergebern Bescheid, dass Sie diese Mittel benötigen. Ändern Sie die Satzung Ihres Vereins oder Ihrer Stiftung, um keine gesellschaftliche Gruppe von der Förderung auszuschließen.

Bis wir diese Änderungen umgesetzt haben, wird es sicher eine Weile dauern. Wie können wir Autor*innen mit Kindern bis dahin unterstützen?

Indem Sie die Residenzpflicht lockern und/oder die Stipendienzeiträume flexibler gestalten. Kurze Zeiträume sind für Autor*innen mit Kindern erfahrungsgemäß besser zu realisieren als mehrmonatige Stipendien. Selbst ein einwöchiger Aufenthalt oder ein Schreibwochenende können eine große Unterstützung sein. Hilfreich ist es auch, wenn ein längeres Stipendium in mehreren Etappen absolviert werden kann. Besonders familienfreundlich sind digitale Stipendien, bei denen die Anwesenheit ausschließlich digital erfolgt, oder hybride Stipendien, die eine digitale Präsenz mit einer Residenzpflicht verbinden. Einen guten Einblick in die Lebenswirklichkeit von Künstler*innen mit Kindern gibt Ihnen diese Publikation der AG Elternschaft und Kunstbetrieb.

In unserem Künstlerhaus ist die Anreise mit Kindern explizit erlaubt, dennoch bewerben sich kaum Autor*innen mit Kindern. Woran liegt das?

Es gibt viele Autor*innen, die ihre Kinder schlicht nicht mitnehmen können – beispielsweise weil ein getrennt erziehender Elternteil dagegen Einspruch erhebt – und die gleichzeitig nicht monatelang von ihren Kindern getrennt sein wollen. Auch für diese Autor*innen kommen Kurzstipendien und digitale Stipendien infrage. Wenn Ihr Künstlerhaus familiengerecht ausgestattet ist, könnten Sie außerdem über eine Care-Sommerakademie nachdenken: Während der Sommerferien laden Sie ausschließlich Autor*innen mit Kindern ein, damit diese sich vor Ort zu einem intensiven, gern auch spartenübergreifenden Austausch über die künstlerische Arbeit mit Kindern treffen können. Die Kinderbetreuung wird in dieser Zeit von Ihnen übernommen.

Gibt es weitere Dinge, die wir als stipendiengebende Institution beachten müssen?

Für Autor*innen mit Kindern sollten Altersgrenzen angehoben werden, indem Erziehungszeiten bedingungslos angerechnet werden. Dies gilt insbesondere bei Stipendien, die eine Altersgrenze mit einer Publikation verknüpfen. Noch besser wäre es natürlich, Altersgrenzen ganz abzuschaffen, da sie nicht nur für Eltern diskriminierend sind.

Im vergangenen Jahr ist eine Stipendiatin mit ihrem vier Monate alten Baby angereist, ohne uns vorher Bescheid zu geben. Obwohl wir sogar ein Babybett für sie angeschafft haben, hat sie sich sichtlich unwohl gefühlt und ist dann auch vorzeitig abgereist. Wäre sie nicht besser zu Hause geblieben?

Vermutlich hat sie sich noch vor ihrer Schwangerschaft beworben, und dann hatte sie Angst, dass ihr das Stipendium wieder aberkannt wird. Genau wie in der regulären Arbeitswelt muss auch bei Stipendien eine spätere Aufnahme eines Stipendiums aufgrund von Schwangerschaft und Erziehungszeiten möglich sein. Aber ja – wir stimmen Ihnen zu: Für diese Stipendiatin wäre es sicher komfortabler gewesen, zu Hause zu bleiben. Wahrscheinlich brauchte sie jedoch Geld und hatte keine Möglichkeit, sich anderswo zu bewerben. Es gibt viel zu wenige ortsungebundene Arbeitsstipendien – vor allem solche, die dezidiert für Autor*innen mit Kindern ausgeschrieben werden und die im besten Fall höher dotiert sind als die Stipendien für andere Bewerber*innen.

Unsere Jurymitglieder fällen Ihre Urteile ausschließlich nach literarischer Qualität, und die hat doch nichts mit den Lebensumständen der Bewerber*innen zu tun, oder?

Unserer Erfahrung nach spielen bei solchen Entscheidungen auch außerliterarische Kriterien eine Rolle, beispielsweise die Publikationsliste oder bisherige Auszeichnungen. Autor*innen mit Kindern werden meistens seltener honoriert, weil sie weniger publizieren – aus dem einfachen Grund, dass sie sehr viel Zeit aufwenden, um für ihre Kinder zu sorgen. Autor*innen mit Kindern haben meist drei Berufe: Sie leisten Care-Arbeit, sie haben einen Brotberuf, und dazu schreiben sie. Gerade sie müssen in die Lage versetzt werden, die Texte, die ihnen am Herzen liegen, fernab von zeitlichem und finanziellem Druck zu schreiben.

Unser Stipendium wird auf Ihrer Website unter Familien unerwünscht aufgeführt, dabei haben wir auf Ihre Anfrage geantwortet, dass die Kinder der Stipendiat*innen gern übers Wochenende zu Besuch kommen können. Was können wir tun?

Wir nehmen alle Aufenthaltsstipendien, bei denen Kinder sich nicht dauerhaft aufhalten dürfen, unter Familien unerwünscht auf. Das gilt auch bei dem Angebot, dass die Stipendiat*innen für ihre Familie im Garten ein Zelt aufstellen dürfen, oder bei dem Hinweis, dass in den umliegenden Gehegen Lamas leben, an denen die Kinder sich bei ihren Wochenendbesuchen erfreuen werden. Wenn Sie die Räumlichkeiten dahingehend verändern, dass eine Familie unterkommen kann, oder wenn Sie dafür sorgen, dass die mitreisende Familie in einer nahegelegenen Unterkunft unterkommt, listen wir Ihr Stipendium gern unter Familienfreundliche Aufenthaltsstipendien.

Die Autor*innen mit Kindern wussten doch, worauf sie sich einlassen. Wenn ihnen das Schreiben so wichtig ist, warum haben sie dann überhaupt Kinder bekommen?

Es gibt das Bild des genialischen Autors, der eingekapselt vor sich hin schreibt. Dies ist kein Naturzustand, sondern ein Stereotyp, das unter anderem durch das aktuelle Fördersystem weiter verfestigt wird. Kinder und Schreiben sind keine Gegensätze. Es ist die Gesellschaft und mithin die vorherrschende Ideologie, die daraus Gegensätze gemacht hat. Sie als stipendiengebende Institution haben die Chance, sich für Gleichstellung und eine barrierefreie Gesellschaft einzusetzen. Sie tun damit auch sich selbst etwas Gutes, denn die Literatur, die Sie fördern, und die Diskussionen in Ihrem Haus werden dadurch diverser und zeitgemäßer.