Babes, hört mir genau zu. Ich weiß, für viele ist es nichts neues, für einige ist es nervig, für manche bedeutet es Tod und für zu viele bedeutet es Gewalt! Die Künstlerin faulenz*A singt „Schule ist ein Gewaltraum“, ich stimme mehr als zu. Institutionen sind Gewalträume.
Mein siebenjähriges Kind erzählte mir vor einigen Tagen von einer Schulhofdiskussion. Er wurde gefragt, ob er schwul sei oder schwul und behindert, weil: wer schwul ist, sei behindert, und schwul sei ein Schimpfwort. Er fragte sicherheitshalber nochmal nach: „Mama, du hast doch gesagt, schwul ist kein Schimpfwort, sondern wenn ein Mann in einen Mann verknallt ist?“ Ich versuche umständlich zu bestätigen und ihm alles gut, aber einfach zu erklären. Das gelingt mir immer nur mäßig, aber wir sprechen. Wir sprechen über seinen behinderten Opa, über seine bisschen behinderte Mutter, über den guten Freund von Opa, der schwul und behindert ist, über meine Freund*innen, die schwul oder behindert oder lesbisch oder transident sind, und ich verfalle in meine Vereinfachung und sage, manche Leute sind „altmodisch“ und denken, ein Mann müsse als Mann mit Pimmel geboren sein und für immer männlich bleiben und eine Frau lieben, die als Frau mit Vulva und Gebärmutter geboren ist, und zusammen müssen sie dann die Keimzelle des Faschismus bilden: die Kleinfamilie. Dann flippe ich aus und rufe: „Manche Leute sind einfach scheiße.“ Mein Kind ist schon wieder beim nächsten Thema, diese neue Pokémon-Karte, die fake sei, aber trotzdem schön, und er könne damit jetzt auch angeben und nicht nur sein Freund. Ich komme gar nicht hinterher mit meinen moralisierenden aufklärenden Einordnungen („… aber du musst doch nicht angeben und wofür angeben …“). Ich höre auf zu sprechen und beiße wütend in sein restliches Schulbrot. SCHWULBROT denke ich und daran, dass ich neulich gerne alle Eltern auf dem Schulhof mit „MOINSEN IHR HURENSÖHNE“ begrüßt hätte, denn das Wort kam nun auch im zweiten Halbjahr der ersten Klasse auf. Ebenso wie Bastard („Was ist das? Bastard?“ – „Du bist ein Bastard.“) und ficken, und auch wenn wir heute Morgen am Frühstückstisch über den Versprecher „In Fickenwerder gibt es auch ein Freibad“ lachen mussten, bin ich nicht nur wütend. Ich bin so traurig über diese andauernden Debatten über misogyne Tiraden, über homophobe Äußerungen, über die Gewalt, die queere Menschen erfahren müssen, über ihre Narben und blauen Flecken, ihren Tod und über die Menschen, die das alles für frühsexualisierte Indoktrinierung halten, wenn man Kindern (und sich selbst) ein nichtbinäres Weltbild (oder Menschenbild) zu vermitteln versucht. Dabei hören die sorgenvollen MÄNNER UND FRAUEN „Ich habe ein Bordell, und der Name meiner Liebsten ist Layla, sie ist hübscher, jünger, geiler“ auf ihrem 46. Geburtstag oder lesen „In stillen Nächten“ von Lindemann. Dann lieber Katja Krasavice, die selbstbestimmt reiten möchte wie im Märchen als Schneeflittchen „Doch anstatt in ein’ Apfel beiß ich in die Eier rein.“
Babes, worauf ich eigentlich hinauswollte:
Einmal habe ich in der Kita gearbeitet und ein Junge zog seine rosa Glitzerschuhe an. Der Erzieher sagte ihm, dass er davon schwul würde. Ich fiel gradezu in Ohnmacht und ihm dann ins Wort.
Einmal hat eine Kollegin zu mir gesagt, dass Männer wie Männer erzogen werden sollten und nicht wie Frauen.
Meine Mutter hat zu mir gesagt, ich solle sportlich sein und wie ein Junge herumlaufen, aber nicht lesbisch sein, das wäre schmutzig, und auch nicht wie eine Hure aussehen.
Es gibt Mädchen- und Jungenecken in Kindertagesstätten.
Die Jungs spielen Fußball und die Mädchen spielen Pferd.
Die Jungs tragen keine Kleider (vielleicht in eurer Bubble oder mal zum Spaß), die Jungs müssen hart sein, nicht weinen. Die Mädchen sind lieb und tragen rosa. Sie dürfen zart sein.
Ganz tief in dir drin – überleg mal, was ziehst du deinem Kind an? Warum? Was spielt dein Kind? Warum? Was spielst du mit deinem Kind? Warum? Was erzählst du deinem Kind für Märchen? Warum? Wird immer die Scheiße mit der Prinzessin und dem Retter erzählt? Warum?
Babes, was ich eigentlich sagen will, wer eine offene Welt möchte, solidarisch sein möchte mit den Menschen, die queer sind, die Kämpfe kämpfen, von denen wir nicht mal ahnen können, wie sie sich anfühlen (ja, mit wir meine ich natürlich mich, relativ hetero, Cis, und die anderen aus diesen Polen des Spektrums), der transidenten Menschen ein sicheres Umfeld bieten möchte, der homosexuellen Menschen ihre Angst nehmen möchte, der muss sich stets befragen, in Frage stellen, man kann das mit diesen Regenbogenflaggen machen, wenn man das will, und es ist ein Anfang, aber man muss es im Alltag mitdenken, man muss mit dem eigenen Kind sprechen, Verantwortung übernehmen, muss sich selbst analysieren und kennen, muss lieben und zuhören und vertrauen, denn dann beginnt Transit.