Other Writers trifft Café Entropy: Linn Penelope Micklitz im Café Kater, Leipzig

Foto: Alain Barbero | Blog Café Entropy

Tür auf, Tür zu, hinsetzen, wo die Aussicht mir gefällt und sonst nichts von Belang ist. Etwas bestellen, was ich mit niemandem teilen muss. Alkohol am Morgen oder Berge von Kuchen und Seen aus Milchkaffee. Lesen lesen lesen, einen Gedanken verlieren und ihn wiederfinden. Vielleicht etwas aufschreiben oder auch nicht. Aus dem Fenster blicken, für ewige zehn Minuten. Hemmungslos krümeln. Unerträglich trödeln. Einen Anruf wegdrücken, tippen, ich bin in einem Meeting und rufe später zurück. Noch einen Kaffee, und noch einen. Weil lecker, weil hier die Stunden in Kaffee gezählt werden. Ein Kind quengelt und es ist nicht meines. Die Freiheit, nicht verantwortlich zu sein. Rauchen wollen, es aber nicht machen. Auf der Toilette alle Flyer lesen und sich Mühe geben mit den Haaren. Bisschen beschwipst fühlen. Merken, dass die Zeit dennoch vergeht. Irgendwann, plötzlich, alles wieder einräumen: Füller, Notizbuch, Gedichte. Sich wie ein Klischee fühlen und es genießen. Großzügig aufrunden. Ein letzter Blick zurück, der Mutter-Blick nach der Ordnung. Alles wie immer. Tür auf, Tür zu.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich, seit du ein Kind hast?
Früher war es mir unangenehm, mich bedienen zu lassen. Wenn ich heute in ein Café gehe, genieße ich die Aufmerksamkeit und die Geste des Bestellens. Obwohl das Gefühl erkauft ist: Jemand kümmert sich um mich.

Wie verändert es deine Café-Zeit, wenn dein Kind dabei ist?
Mein Sohn ist im Sommer zwei geworden. Mit ihm im Café zu sitzen, verändert nicht die Zeit, sondern den Ort. Ein Café ist dann ein anderer Raum, der andere Bedürfnisse erfüllen muss. Meine Lieblingscafés sind nicht auf Kleinkinder ausgerichtet, wir verbringen unsere gemeinsame Zeit nicht dort und ich bin froh, dass es Orte gibt, an denen ich mich ohne Kind besser aufhalten kann.

Eine Kooperation mit Café Entropy – Literatur- und Fotoblog.

To-Do-Liste (KW 42)

  • neue Halbschuhe für L (32 oder 33?), evtl. auch zwei neue Hosen
  • Rewe-Bestellung
  • Biokiste
  • Bauanleitung für Flügel
  • Jakob, Theo => Schulanfangsgeschenke?
  • Holzleim oder Montagekleber  Baumarkt?
  • Korkpapier
  • mind. 1x joggen
  • Freifläche recherchieren (Volkspark/Clara-Park)
  • Wettervorhersage?
  • Sa Abend: L zu Oma + Opa, Abschiedsgeschenk? Abschiedsbrief?
  • Flügel ankleben, Anlauf nehmen, losfliegen

Take Care: Andrea Karimé & Barbara Peveling (IV)

Liebe Andrea,

jetzt ist der Ramadan schon wieder vorbei und ich möchte Dir zum Abschied noch aus meiner Lektüre vom Rand schreiben: Mohamed Mbougar Sarr, der letztes Jahr den Prix Goncourt erhielt – und kannst Du Dir vorstellen, dass ein*e diverse Autor*in ohne Staatsbürgerschaft den deutschen Buchpreis erhält? –, Sarr jedenfalls schreibt Un grand livre n´a pas de sujet et ne parle de rien, il cherche seulement à dire ou découvrir quelque chose, mais ce seulement est déjà tout, est ce quelque chose est déjà tou. – Ein großes Buch hat kein Thema und spricht über nichts, es versucht nur, etwas zu sagen oder zu entdecken, aber dieses nur ist bereits alles, und dieses etwas ist bereits genug.
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Kommt man mit Kindern überhaupt zum Schreiben?

… eine Frage, die mir so oder so ähnlich schon häufig zu Ohren gekommen ist. Und sie befremdet mich jedes Mal aufs Neue. Ich habe nie besser geschrieben als nach der Geburt meines ersten Sohnes. Kinder strukturieren den Tag. Kinder fokussieren. Kinder verhindern den Exzess. All die Schlupflöcher im Arbeitsprozess sind gestopft, meine Wahrnehmung von Zeit hat sich grundlegend gewandelt. Kommt man mit Kindern überhaupt zum Schreiben? Von der Elternzeit einmal abgesehen, stehen jedem Elternteil, sofern die Kinderbetreuung gewährleistet ist, doch wieder volle Arbeitstage zur Verfügung. Inwiefern sollen Kinder also den Akt des Schreibens behindern? Die Fragestellung intendiert bereits, wie sie zu beantworten ist. Denn um Kinder kümmert man sich in der Regel in den Morgenstunden, an den Nachmittagen und am Wochenende – also außerhalb der gängigen Arbeitszeiten. Genau dort aber wird mit der Frage jedoch das Schreiben eingetaktet: in der Freizeit und den Ruhephasen. Meine Antwort lautet darum stets: Nicht Kinder halten mich vom Schreiben ab, sondern Lohnarbeit, die Ausbeutung meiner Arbeitskraft. Und dass diese Einsicht nicht sonderlich verbreitet ist, scheint mir im Zusammenhang mit der vorherrschenden Ideologie unserer Zeit zu stehen. Wer keine Arbeit findet, der gibt sich keine Mühe. Wer unglücklich ist, der muss sein wahres Ich entdecken. Und wer wirklich schreiben möchte … Statt im Verbund für die Verbesserung der ökonomischen Situation von Autor*innen zu kämpfen oder sich, mit der zur Verfügung stehenden Wortmacht, für eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen, wird das eigene Leben auf den Schreibtisch beschnitten – natürlich wird der Verzicht zugunsten der Kunst mit großer Geste als selbst gewählt gefeiert –, und ein angebissener Apfel pulsiert als passable Pointe auf den Laptoprücken.

Take Care: Andrea Karimé & Barbara Peveling (III)

Habibi, Andrea!

Vielleicht, liebe Andrea, ist es der Frieden mit sich selbst, den wir erst einmal schließen müssen.
Wo anfangen und wie?
Das habe ich mich die letzten Tage gefragt, nachdem ich Deine Zeilen gelesen haben.
Wenn ich auf diesen Krieg in der Ukraine blicke, dann muss ich mir selbst eingestehen, dass ich nichts von dieser Welt verstanden habe. Vor sieben Jahren, als aus Syrien zu uns eine Welle grausamer Bilder flutete, habe ich einen Text auf Social Media geschrieben „Grenzer zum Grenzen ficken“. Der Text hat dann den Wettbewerb von dem Literaturmagazin „Fettliebe“ gewonnen. Wenn ich mir die Ränder der Welt so anschaue, so denke ich, es ist doch das Beste, was einem passieren kann, wenn man für und über genau diese Ränder schreibt. Oder, was meinst Du?
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Rarely Asked Questions: Viele Fragen, wenig Antworten

So viele Fragen waren es gar nicht, die wir − Eva Brunner und Sebastian Weirauch − über fünfzig Kulturinstitutionen mit Literaturstipendien per Mail gestellt haben. Sieben freundliche, offen gestellte Fragen, bei denen keine Institution ihr Gesicht verlieren sollte. Wir wollten zum Beispiel wissen, ob Autor*innenschaft und Elternschaft − als Gleichzeitigkeit oder aber als Konflikt − eine Rolle bei den Stipendiat*innen spielen oder inwieweit es Fördermöglichkeiten für Autor*innen gibt, die auch Eltern sind bzw. „Care-Arbeit“ leisten. In diese Frage bauten wir eine Reihe von hilfreichen Maßnahmen als Beispiel ein (Unterbringung und Betreuung der Kinder, Lockerung der Residenzpflicht usw.). Wir ahnten, dass es wenig Rücklauf auf die Befragung geben würde, obwohl sie eine Chance der Selbstdarstellung auf dem Blog bot, wir hofften, dass sich das Thema und die Vorschläge alleine durch die Lektüre der Fragen ein kleines Stückchen weiter ins Bewusstsein schieben würde.
Gründe, nicht zu antworten, gibt es natürlich einige. Fehlende Zeit und Lust, sich nicht aus dem Fenster lehnen wollen, das Unbehagen zu wissen, dass Kulturförderung nicht per se gut ist, sondern bestehende Ungleichheiten, Marginalisierungen von Stimmen auch reproduzieren und verstärken kann.
Letztlich können wir über die geringe Resonanz nur spekulieren. Desinteresse wird es wohl nicht gewesen sein. Vielleicht ist man sich in den einzelnen Institutionen der Konflikte von Autor*innenschaft und Elternschaft bewusst und vielleicht will man ja in einzelnen Fällen auch unterstützend wirken – nur eben unterhalb des Radars, unausgesprochen und das heißt zugleich auch: unverbindlich. Möglicherweise aus der Befürchtung heraus, sonst Präzedenzfälle oder Verpflichtungen zu schaffen, aus denen dauerhafte, zusätzliche Kosten erwachsen. Kosten, die dann auch andere öffentlich geförderte Institutionen tragen müssten. Aber bekanntermaßen herrscht eine lebhafte Konkurrenz um Gelder auch auf der Ebene der Kulturpolitik, gerade in krisenhaften Zeiten, und auch private Förderer wachsen nicht gerade auf Bäumen. Alles Faktoren, die wenn nicht einen Backlash, so doch einen Konservativismus befördern, der vor derartigen Innovationen zurückschreckt.
Neben einem ausgefüllten Interview erhielten wir einen Veranstaltungshinweis, eine Romanempfehlung und den Verweis auf eine Studie im Auftrag der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia zum Geschlechterverhältnis im Schweizer Kulturbetrieb. Die Studie zeigt, dass noch viel zu tun ist, und empfiehlt weitere Studien, die unter anderem der Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stärker nachgehen.
Immerhin überhaupt eine Resonanz, ein paar Funken, ein Aufglimmen. Auf dass sich die vielen Stimmen und Bemühungen gegenseitig befeuern, immer dichtere Netze entstehen, an denen von unten, aber auch zentral von oben gewebt wird, solange bis eine neue faire Ordnung hergestellt ist und Kinder und Autor*innenschaft sich nicht länger im Weg stehen.

Rarely Asked Questions: Villa Aurora

Eva Brunner und Sebastian Weirauch haben versucht, für „Other Writers need to concentrate“ mit deutschsprachigen Kultur- und Förderinstitutionen Interviews zum Thema Autor*innenschaft und Elternschaft zu führen. Von den über fünfzig angeschriebenen Institutionen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den USA und der Türkei kam allerdings fast gar keine Resonanz. Ist das vielleicht ein Zeichen dafür, dass diese Themen heikler sind als viele denken?
Umso erfreulicher, dass die Direktorin der Villa Aurora in Kalifornien (USA), Dr. Claudia Gordon, sich die Mühe gemacht hat, unsere Fragen zu beantworten.

Können Sie kurz sich selbst und die Institution, die Sie vertreten, vorstellen?
Die Villa Aurora fördert als Künstler:innenresidenz und als Ort internationaler Kulturbegegnungen den deutsch-amerikanischen Kulturaustausch. Als Haus der Erinnerung hält sie das Andenken an die Künstler:innen und Intellektuellen wach, die in Kalifornien während der Zeit des Nationalsozialismus Zuflucht fanden und einen bedeutenden Einfluss auf das Kulturleben an der amerikanischen Westküste hatten.

Welche literarischen Förderprogramme gibt es bei Ihnen und wie sind sie im Einzelnen ausgerichtet?
Die Villa Aurora vergibt jährlich drei dreimonatige Stipendienaufenthalte in der Sparte Literatur. Bewerben können sich Künstler:innen, die bereits mit Werken oder Publikationen an die Öffentlichkeit getreten sind: Voraussetzung ist die Veröffentlichung eines Buches. Die Stipendiat:innen erhalten Unterstützung bei der Umsetzung geplanter Vorhaben und begleitender Recherchen sowie bei der Vernetzung mit Partnern:innen und Institutionen.

Inwiefern würden Sie sagen, spielen Autor*innenschaft und Elternschaft – als Gleichzeitigkeit oder aber als Konflikt − eine Rolle bei Ihren Stipendiat*innen?
VATMH (Villa Aurora & Thomas Mann House) erhält zuweilen Anfragen von Bewerber:innen, die Schwierigkeiten haben, den Stipendienaufenthalt mit der Betreuung ihrer Kinder in Einklang zu bringen. Dies gilt für Künstler:innen aller Sparten. Viele Stipendiat:innen entscheiden sich trotz der Begrenzung von Besuchszeiträumen für den Antritt des Stipendiums. In der Regel handelt es sich hierbei um Männer. In Sonderfällen, zum Beispiel wenn das lokal vorgegebene Bewohner:innenlimit aufgrund der Auslastungssituation nicht überschritten wird (Vgl. unten „CUP“), konnte die Mitnahme von Familienmitgliedern ermöglicht werden.

Inwieweit gibt es bei Ihnen Fördermöglichkeiten für Autor*innen, die auch Eltern sind bzw. „Care-Arbeit“ leisten? Gibt es z.B. Möglichkeiten zur Unterbringung von Kindern, zur Reisekostenübernahme für Kinder oder Möglichkeiten, Betreuungsangebote vor Ort zu nutzen (Kindergärten, Schule)? Oder aber gibt es flexiblere Stipendiatszeiträume, Lockerungen der Residenzpflicht oder digitale Angebote, die es erlauben, Autor*innen- und Elternschaft vereinbarer zu gestalten?
Die Villa Aurora hat eine Übereinkunft mit der Stadt Los Angeles, die das Betreiben einer Residenz inklusiver öffentlicher Programme in einem Wohngebiet ermöglicht. Diese Conditional Use Permit (CUP) legt unter anderem die Anzahl der Bewohner:innen im Haus fest. Künstler:innen steht außerdem ein eigenes Schlafzimmer mit Bad zur Verfügung, sämtliche andere Räume (inklusive der Arbeitsbereiche) werden aber gemeinsam bewohnt. Seit das Residenzprogramm nach der pandemiebedingten Pause wieder aufgenommen wurde, ist das Haus fast durchgängig voll belegt. Wir möchten also Künstler:innen ermutigen, die Frage nach der Möglichkeit eines Familienaufenthaltes zu stellen, und sind bemüht, Lösungen zu finden, können aber langfristige Aufenthalte von Familienmitgliedern nicht in allen Fällen garantieren. Besuch ist auf die Dauer von zwei Wochen begrenzt. Aus Personal- und Finanzierungsgründen kann VATMH die Betreuung von Kindern nicht übernehmen bzw. organisieren. Bei der Suche nach geeigneten externen Unterkünften ist VATMH gerne behilflich. VATMH gewährt Kindergeld, jedoch keine Zuschüsse für die Anmietung von zusätzlichem Wohnraum für Familienmitglieder. Eine Lockerung der Residenzflicht oder Umwandlung in Digitalstipendien zugunsten familiärer Care-Aufgaben ist im Falle eines deutschen Aufenthaltsstipendiums in den USA nicht zielführend. Die Regeln zur Auszahlung von Stipendien sind von der fördernden Institution, in diesem Fall dem Auswärtigen Amt, vorgegeben.

Welche Formen der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Themengebiet Autor*innenschaft und Elternschaft würden Ihnen lohnenswert erscheinen? Haben Sie vielleicht einen Lektüre- oder Filmtipp? Oder fallen Ihnen Autor*innen und Werke aus Ihren Programmen ein, die sich mit dem Thema befassen?
Bernadette Conrad, Die kleinste Familie der Welt (2016), Bettina Wilpert, Marc Fromm.

Was ist Ihre Prognose: Inwiefern werden Autor*innenschaft und Elternschaft in der künstlerischen Förderlandschaft in Deutschland, im deutschsprachigen Raum oder auch international in Zukunft eine Rolle spielen?
Mit zunehmendem Bewusstsein der besonderen Abhängigkeit von Künstler:innen von Stipendien wird auch die Unvereinbarkeit mancher Residenzprogramme mit Care-Aufgaben stärker ins Bewusstsein der Institutionen und der Öffentlichkeit bringen. Die Regelungen der Villa Aurora zur Familienunterbringung werden derzeit evaluiert.

Take Care: Andrea Karimé & Barbara Peveling (II)

Liebe Andrea,

deine Erzählung über die Angst, nicht nach Hause zu kommen, hat mich sehr berührt. Und nachdenklich gemacht. Beim Lesen habe ich in mich gehorcht, ob sie auch in mir wohnt, diese Angst. Dabei habe ich entdeckt, dass meine größte Sorge, die ist, dass ein geliebter Mensch nicht zurückkommen könnte. Eine Umkehrung deiner Angst also?
Der Moment, als meine Mutter ins Zimmer trat und sagte, Papa ist tot, ist für immer in mein Gedächtnis gebrannt. Mein Vater hatte versprochen, sein Jagdgewehr zu verkaufen. Stattdessen hatte er es im Haus versteckt. Er litt schon lange an Depressionen.
Ich war sieben Jahre alt.
Die Angst und ihre Gewalt haben mich seither immer begleitet. Denn der Kreislauf der häuslichen Gewalt beginnt eigentlich meistens mit der Angst des Mannes.
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