Same Work But Different: Eva Brunner

Hatte deine Mutterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf dein Buch?

Eva Brunner: Ja, in dem Buch geht es (unter anderem) explizit um Eindrücke aus meinem Familienleben, meiner Mutterrolle. Es klingt in abstrakt poetischer Weise die Sorge um das Wohl der Kinder an, aber auch die Überforderung, die Anstrengung, die es bedeutet, Teil einer Kleinfamilie mit zwei Kindern zu sein. Ein Thema ist dabei der Kampf zwischen den unterschiedlichen Rollen: Mutter, Schriftstellerin und anderweitig berufstätig zu sein. Dazu kommt noch das Führen einer romantischen Beziehung. In »Zweitwald« findet das alles unter dem Eindruck einer privilegierten Migration statt (von Deutschland nach Schweden).

 

Gibst du das Buch deinen Kindern/Eltern zu lesen?

Eva Brunner: An dem Tag, als das Buch ankam, hat mein älterer Sohn es sich angeschaut und einige Texte laut gelesen. Das hat mir gut gefallen und ich wollte, dass er immer weiter liest. Musste ihn aber ein bisschen dazu überreden. Zwischendurch hat er die eine oder andere Frage gestellt. Meine Eltern haben das Buch auch gelesen und ich bin erleichtert, dass es ihnen gefallen hat. Sie sind darin auf kurze Beschreibungen meiner Kindheit und ihrer Elternhäuser gestoßen.

 

Was hältst du davon, das Entstehen eines Buches mit dem Heranwachsen eines Babys zu vergleichen und sein Erscheinen mit der Geburt? Ist dieser Vergleich für dich stimmig?

Eva Brunner: Nein, für mich passt er nicht. Zwar habe ich mich auch schon versucht gefühlt, meine Bücher als meine Babys zu bezeichnen, und die Erscheinungsdaten sind ein bisschen wie Geburtstage, aber der Prozess und das emotionale Verhältnis sind doch ganz andere. Bei den Büchern geht mit der Veröffentlichung eine intensive Phase zu Ende, mit der Geburt eines Kindes gehen das Verhältnis und die Arbeit erst so richtig los. Eine Gemeinsamkeit wäre vielleicht noch, dass man nach Veröffentlichung eines Buches, genau wie bei der Entwicklung eines Kindes, nur begrenzten Einfluss darauf hat, wie gut es läuft.

 

Auf welches Stipendium hast du dich nicht beworben, weil du Kinder hast?

Eva Brunner: Auf alle Aufenthaltsstipendien. Mehrere Wochen ganz aus dem Alltag auszutreten, passte für mich bislang überhaupt nicht. Jetzt bin ich freiberuflich und die Kinder sind größer. Nun werde ich beginnen, mich auf Aufenthaltsstipendien zu bewerben. Aber auch dann muss/will ich sie aufgeteilt antreten. Ein Arbeitsstipendium wäre mir deutlich lieber.

 

Eva Brunners zweiter Lyrikband „Zweitwald“ erschien im Oktober 2024 im Weissmann Verlag.

 

 

 

 

 

 

Same Work But Different: Silke Sutcliffe

Hatte deine Mutterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf dein Buch? Welchen?

Silke Sutcliffe: Die Mutter der jugendlichen Protagonistin, die selbst künstlerisch tätig ist, hat ihre Familie aufgrund einer Depression und der Überforderung, die Care-Arbeit für sie bedeutet, verlassen. Diese Abgründe auszuloten, wäre mir ohne die Erfahrung, für Kinder zu sorgen, nicht möglich gewesen. Die Hauptfigur will mit 16 zwar nicht mehr „umsorgt“ werden, braucht aber dennoch Bezugspersonen und Halt, die bzw. den sie auch findet. Das war mir wichtig – alternative Lebensentwürfe zur heilen Normfamilie aufzuzeigen.

 

Wenn dich vor der Kita/ vor der Schule ein anderes Elternteil fragt, worum es in deinem neuen Buch geht – wie würdest du es beschreiben?

Silke Sutcliffe: Im meinem Debüt geht es um die enge Freundschaft zwischen zwei Mädchen, die an der Beziehung zu ihrem neuen Mitschüler zu zerbrechen droht: Denn er leidet an einer psychischen Erkrankung, die im Verlauf des Romans zunehmend Thema wird. Im Zentrum stehen also eine Coming-of-age-story, aber auch die Schwierigkeiten, mit denen Angehörige von Menschen mit psychischen Erkrankungen konfrontiert werden. Mental-Health-Themen werden im Jugendbuch meiner Meinung nach noch immer noch zu wenig thematisiert. Aber nur wenn wir offen darüber sprechen, können wir zu einem Verständnis der Situation jenseits von Verletzungen oder Schuldzuweisungen gelangen.

 

Hatte deine Mutterschaft Einfluss auf die alltägliche Schreibarbeit?

Silke Sutcliffe: Ja! Während ich mich früher oft in Texten verloren habe (was schön sein kann!), bin ich nun gezwungen, meine Zeit besser einzuteilen. Auch wenn zwischen Kindergeburtstagen, Sportterminen, Hausaufgabenbetreuung, Kochen, Trösten, Kuscheln (und meinem Job als Lehrerin) immer zu wenig Zeit bleibt, arbeite ich paradoxerweise effektiver.

 

Was hältst du davon, das Entstehen eines Buches mit dem Heranwachsen eines Babys zu vergleichen und sein Erscheinen mit der Geburt? Ist dieser Vergleich für dich stimmig?

Silke Sutcliffe: Jein. Ich bin froh, dass eine Schwangerschaft nicht drei Jahre dauert – und mein Kind konnte ich weder vor noch nach der Geburt weglegen oder in Bezug auf sein innerstes Wesen beeinflussen. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten: Die Ängste, die ein Leben mit veränderten Parametern nach der Geburt bzw. Veröffentlichung beinhaltet, die Ambivalenz der Gefühle, die den Prozess begleiten, die Liebe zum eigenen Text.

 

Welches Stipendium würdest du auch mit Kind nicht ablehnen?

Silke Sutcliffe: Aufenthaltsstipendien mit Präsenzpflicht kommen für mich nicht infrage, da ich durch meine Kinder und meine Arbeit als Lehrerin räumlich und zeitlich gebunden bin. Die hiermit einhergehende fehlende Sichtbarkeit ist ein Problem. Ich wünsche mir flexible Stipendien ohne Präsenzpflicht, die sich z.B. in mehrere Aufenthalte am Wochenende und in den Schulferien aufspalten lassen – gerade im Bereich der Kinder- und Jugendliteratur.

 

Silke Sutcliffe Jugendroman Ein Sommer, drei Monde erschien im September 2024 im Verlag Monika Fuchs.

 

 

 

Same Work But Different: Clemens Böckmann

Hatte deine Vaterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf dein Buch? Welchen?

Clemens Böckmann: Auf jeden Fall. Die Geburt von meinem Sohn fiel genau in jene Zeitspanne, in der ich auch an dem Buch gearbeitet habe. Dadurch sind nochmal ganz andere Themen für mich präsenter geworden, als sie es vorher waren.

 

Hatte deine Vaterschaft Einfluss auf die alltägliche Schreibarbeit? Welchen?

Clemens Böckmann: Auf der einen Seite hat die Vaterschaft mehr Regelmäßigkeit bedeutet. Das hat geholfen, weil das Arbeiten fokussierter und weniger intuitiv wurde. Gleichzeitig waren es die Jahre der Corona-Pandemie: Ohne den Tagesvater hätte ich vermutlich gar keine Zeit zum Schreiben gehabt. Da verschwand für mich auch erst mal eine Vorstellung von Zukunft. Es geht vor allem viel um Gegenwartsbewältigung.

 

Stehst du wegen der vermehrter Schreibzeit oder nun kommender Lesungen in der Schuld anderer Familienmitglieder?

Clemens Böckmann: Ich weiß nicht, ob Schuld das richtige Wort ist. Wir müssen das gemeinsam aushandeln und das geht nur auf der Basis von Vertrauen. Ich bin sehr dankbar für alle um mich herum, die gemeinsam für dieses Kind da sind. Gleichzeitig gibt es hier Verständnis dafür, dass Arbeitszeiten auch mal am Wochenende oder abends sind. Umso besser lässt es sich ausgleichen.

 

Was hältst du davon, das Entstehen eines Buches mit dem Heranwachsen eines Babys zu vergleichen und sein Erscheinen mit der Geburt? Ist dieser Vergleich für dich stimmig?

Clemens Böckmann: Bei einem Buch habe ich doch jederzeit die Möglichkeit zu sagen: Ich will das nicht mehr. Für mein Kind aber bin ich bestenfalls immer da. Ich bin auch ganz froh, dass auf dem Ultraschall kein Buch, sondern ein Herz, ein Kopf und ein paar Arme zu sehen waren. Da gibt es eine körperliche Ebene, die kein Buch jemals wird ersetzen können.

 

Auf welches Stipendium hast du dich nicht beworben, weil du Kinder hast?

Clemens Böckmann: Auf sehr viele. Anfänglich habe ich es noch gemacht. Ein paar Erfahrungen haben dann aber gereicht. Die Vorstellung, lange von meinem Kind weg zu sein und die Leute in meiner nächsten Umgebung zusätzlich zu belasten, sind die 700€ im Wald nicht wert. Ich brauche auch den Austausch zum Arbeiten, mit meinem Umfeld, meinem Kind.

 

Welches Stipendium würdest du auch mit Kind nicht ablehnen?

Clemens Böckmann: Eines, bei dem Platz für alle ist.

 

Welche*n other writer würdest du gern zufällig auf einem Spielplatz treffen und worüber würdest du mit ihm*ihr sprechen?

Clemens Böckmann: Ich hab Sebastian Schmidt lange nicht mehr gesehen. Darüber würde ich mich freuen. Themen gäb es eh genug, so viel wird bisher ja noch nicht über Vaterschaft gesprochen.

 

Clemens Böckmanns Debütroman Was du kriegen kannst erschien im Oktober 2024 im Hanser Verlag.

 

 

 

Same Work But Different: Jessica Lind

Hatte deine Mutterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf dein Buch? Welchen?

Jessica Lind: In meinem Buch „Kleine Monster“ steht Elternschaft zentral im Mittelpunkt, vor allem die Frage, wie sich unser Blick auf die eigene Kindheit und Erziehung verändert, sobald wir selbst Kinder haben. Obwohl die Geschichte erfunden ist, stecken viele Themen darin, die mich als Mutter von zwei kleinen Kindern beschäftigen, zum Beispiel auch wie man gemeinsam ein Kind „erzieht“. Ich beschreibe meinen Schreibprozess gerne so, dass ich unangenehme Gefühle, die mich im Alltag überkommen, oder Situationen, die mich überfordern bzw. überwältigen und die ich normalerweise schnell beiseite wische, noch einmal hervorhole und sie wie Murmeln von allen Seiten betrachte.

 

Hatte deine Mutterschaft Einfluss auf die alltägliche Schreibarbeit? Welchen?

Jessica Lind: Ich habe einen Großteil des Romans im ersten Lebensjahr meines zweiten Kindes geschrieben. Das war zum einen eine große Herausforderung (zumindest ist der Kleine ein guter Schläfer), zum anderen aber auch ein großes Glück, weil ich so meinen inneren Zensor (ja, er ist ein Mann) ausschalten konnte und endlich verstanden habe, was andere meinen, wenn sie sagen, man hat zwar weniger Arbeitszeit, aber man nutzt sie effektiver. Jahrelang hielt ich diesen Satz für einen Mythos.

 

Wenn dich vor der Kita ein anderes Elternteil fragt, worum es in deinem neuen Buch geht – wie würdest du es beschreiben?

Jessica Lind: „Es geht um ein Kind, das in der Schule auffällig wird, und eine Mutter, die wegen eines Kindheitstraumas ganz falsch damit umgeht.“ Und nach einer kurzen Pause, mit leicht schriller Stimme rasch hinzugefügt: „Und es ist nicht autobiographisch.“

 

Was hältst du davon, das Entstehen eines Buches mit dem Heranwachsen eines Babys zu vergleichen und sein Erscheinen mit der Geburt? Ist dieser Vergleich für dich stimmig?

Jessica Lind: Wenn die Frage so gemeint ist, dass das Entstehen mit der Schwangerschaft vergleichbar ist, würde ich eher verneinen. Ich war immer sehr stolz auf meinen Körper, dass er da ein Menschlein baut, aber gleichzeitig hatte mein Gehirn sehr wenig zu tun. Beim Schreiben eines Buches ist es eher umgekehrt. Was gleich ist, sind die Rückenschmerzen.

 

Auf welches Stipendium hast du dich nicht beworben, weil du Kinder hast?

Jessica Lind: Auf alle Aufenthaltsstipendien. Ich bewerbe mich aber, glaube ich, generell zu wenig, weil es mir so schwer fällt, die Termine im Überblick zu behalten.

Kleine Monster von Jessica Lind erschien im Juli 2024 bei Hanser Berlin.

Some Work But Different: Slata Roschal

Hatte deine Mutterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf Dein Buch?

Im Mittelpunkt steht – unter anderem – das Thema Mutterschaft, und ich könnte keine überzeugende Ich-Perspektive dazu entwerfen, wenn ich selber kein Kind hätte. Das ist mir auch wichtig, über das zu schreiben, womit ich mich auskenne, nicht mit gekünstelten, angelesenen Plots zu arbeiten (wobei das Buch natürlich ein literarisches Ereignis ist, nicht mehr und nicht weniger, weder autobiografisch noch ‒ wie man es heute sagt ‒ autofiktional). Auch stammen viele Figuren und Szenen aus dem Kita- und Schulalltag mit anderen Eltern, es war auch ein wenig gemein, da die Erzählerin gar nicht gut auf andere Mütter zu sprechen ist.

Was hast du gerade gemacht, als das Paket mit den Belegen eintraf?

Tatsächlich lief es ziemlich pragmatisch ab, ich war bei einer Residenz, kam ein-zwei Wochen später zuhause an, prüfte alles (das Grün des Schutzumschlags fand ich super, das Rosa darunter eher weniger), las das Buch einmal von Anfang bis Ende durch (es ist ein ganz gutes Zeichen, wenn man Spaß hat beim Lesen des eigenen Textes), und das war es. Aber ich habe davor auch nicht meinen Geburtstag gefeiert, es war zu viel los und ich tue mich generell schwer damit, mich zu freuen, wenn ich es muss, also nicht spontan.

Auf welches Stipendium hast du dich nicht beworben, weil du Kinder hast?

Auf fast alle Residenzstipendien im Ausland, die an teure Flüge und lange Reisezeiten gebunden sind, bewerbe ich mich nicht, obwohl ich natürlich gern mal in Helsinki oder Istanbul schreiben würde; neulich hatte ich eins nebenan in Frankreich und dieses ständige Hin- und Herreisen war ätzend. Auch fällt meist alles weg, was länger als einen Monat dauert, wobei ich jetzt versuche, meinen Sohn in den Ferienzeiten mitzunehmen, zu pendeln und mich auf unangenehme Diskussionen mit den Residenzleitern gefasst zu machen. Und ich kann nicht einfach so umziehen, weil es woanders bessere Arbeitsstipendien gibt, die sind ja meist an den Wohnort gebunden. Mit der Zeit nehme ich es aber immer mehr als ein strukturelles Problem und weniger als meine private Einschränkung wahr (ein Kind zu haben, ist eigentlich mehr als normal, es ist gut und wichtig), und das ändern allmählich solche Initiativen wie die other writers.

Slata Roschals zweiter Roman Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten erschien im Februar 2024 bei Ullstein/Claassen.

 

 

Same Work But Different: Florian Wacker

Hatte deine Vaterschaft Einfluss auf die alltägliche Schreibarbeit? Welchen?

Ja, einen sehr großen, meine Schreibarbeit richtet sich nach den Schulzeiten meiner Tochter. Da arbeite ich am besten am Vormittag, da habe ich Zeit und die nötige Ruhe. Am Nachmittag helfe meiner Tochter bei den Hausaufgaben, kümmere mich um Dinge wie Haushalt, Einkaufen, Mails usw. In den Ferien muss ich meine Schreibroutinen meist aufgeben und schauen, wo im Tagesverlauf ein paar Stunden Zeit sind. Da meine Tochter schon etwas älter ist und sich recht gut selbst beschäftigen kann, ist es mit den Jahren leichter geworden, auch in den Ferien einigermaßen kontinuierlich zu schreiben.

Was hast du gerade gemacht, als das Paket mit den Belegen eintraf?

Ich kam gerade vom Einkaufen zurück, rechts und links die schwer bepackten Radtaschen, als im Briefkasten deutlich sichtbar das erste Exemplar des neuen Romans steckte. Da bleibt einem immer kurz die Luft weg, denn nun ist es gewiss: Es ist keine Idee, kein Gedanke mehr, kein digitales Dokument: Es ist ein echtes Buch!

Gibst du das Buch deinem Kinder und/oder deinen Eltern zu lesen?

Meine Eltern lesen alle meine Bücher. Sie interessieren sich für das, was ich mache, kommen gelegentlich auch zu Lesungen oder anderen Veranstaltungen. Meine Tochter hat noch kein Interesse an meinen Büchern. Ich erzähle ihr davon, sie findet das Ganze auch sehr spannend, aber die Themen der Bücher sind wahrscheinlich noch nichts für 11jährige. Vielleicht liest sie in ein paar Jahren mal mein Jugendbuch.

Auf welches Stipendium hast du Dich nicht beworben, weil du Kinder hast?

Ich habe mich seit Jahren auf kein einziges Stipendium mehr beworben, weil es für uns (meine Partnerin arbeitet im Schichtdienst im Krankenhaus) unmöglich ist, diese Zeiten familiengerecht zu gestalten. Hin und wieder lese ich Ausschreibungen und ärgere mich dann über die Familienunfreundlichkeit der meisten Stipendien, freue mich dann wiederum aber auch über erste Lichtblicke wie das Stipendium in Hamburg, das sich explizit auch an Autor*innen mit Sorgearbeit richtet. Immerhin scheint sich – auch durch die Arbeit von other writers – im Betrieb endlich etwas zu ändern, langsam, aber es geschieht etwas!

Florian Wackers neuer Roman „Zebras im Schnee“ erschien Ende März im Berlin Verlag.

 

 

 

Same Work But Different: Marcus Klugmann

Welchen Einfluss hatte deine Vaterschaft auf dein Buch?
Nur einen kleinen. Ich wollte es gar nicht, aber in Metaphern und Vergleichen tauchen Schwangerschaft und Kleinkindzeit immer wieder auf an Stellen, wo es gar nicht darum geht.

Hast du das Erscheinen des Buches gefeiert?
Ich bin mit Frau und Kindern zum Verlag (der ist nicht weit von uns). Da hat man mir einen Karton durchs Fenster gereicht. Danke schön, bis bald. Haben wir Kuchen gekauft? Am Abend gab’s Sekt (nicht für die Kinder). Und später hielt ich das Buch mal alleine in Händen, da gefiel es mir dann wieder ganz gut. Das Cover besonders und auch ein paar Textstellen. (Da ist ja nun die Gefahr, dass man Stellen findet, die plötzlich gar keinen Sinn mehr ergeben – und dann kann man die nicht mehr ändern! Graus.)

Wenn dich vor der Kita ein anderer Elternteil fragt, worum es in deinem neuen Buch geht – wie würdest du es beschreiben?
Ach je, ja, das habe ich schon öfter versucht, das war vor Erscheinen schon ein paarmal passiert, dass ich erwachsenen Leuten versucht habe zu erklären, „worum es geht“. Und ich weiß, dass sie die Geschichte hören wollen, den Plot. Aber den gab es für mich nie. Ich wollte gute Sätze aus dem machen, was das Leben mir so gegeben hat. Meine Frau, wenn sie denn dabei stand, konnte das Buch dann ganz gut zusammenfassen und benutzte dabei Wörter wie „Co-Abhängigkeit“. Depressionen kommen drin vor, Leute, die sich verlieben, der Alltag einer Paarbeziehung, ab und zu die Beziehungen zu anderen Familienmitgliedern und Freunden … Also, ich finde es ja auch ziemlich witzig. Was mich an dem Buch aber am meisten interessierte, war das Verhältnis von Autobiografischem zu Erfindung, Erinnerung (aufgeschriebene vs. das, was so hängengeblieben ist), die Gegenüberstellung von Gegenwart und Vergangenheit, und wie sich das alles beim Schreiben, Überarbeiten verändert, überhaupt auch der Schreibprozess … Aber versuch das mal Joris Papa zu erklären!

Gibst du das Buch deinen Kindern und/oder Eltern zu lesen?
Jeder, der lesen kann, darf es lesen. (Auch wenn ich schon gehört habe – denn ich habe ja erzählt, dass der Roman autobiografisch ist, und ich sage „ich“ und benutze meinen richtigen Namen –, dass man mich so intim dann doch nicht kennenlernen wollte. (Ehrlich, ich wusste bis vor kurzem nicht, dass Menschen sich Dinge so gut vorstellen können. Googelt mal „Aphantasia“.))

Stehst du wegen der vermehrten Schreibzeit oder wegen nun kommender Lesungen in der Schuld anderer Familienmitglieder?
Wegen der Schreibzeit ganz sicher. Was Lesungen betrifft, das wird sich noch zeigen – wobei die, wenn sie angemessen bezahlt sind, auch Schuld abbauen können. Aber in jedem Fall gilt, immer wieder: Danke, Miriam!

Marcus Klugmanns Debütroman Sie schläft. Sie geht neben dir her erschien im Februar 2024 im Mosses Schroeter Verlag.

Same Work But Different: Laura Vogt

Hatte Deine Mutterschaft/Vaterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf Dein Buch? Welchen?

Laura Vogt: Ja! Das Thema Mutterschaft (und Elternschaft allgemein) hat mich während dem Schreiben umgetrieben, und das zeigt sich auch bei den drei Hauptfiguren von „Die liegende Frau“. Romi ist schwanger mit ihrem zweiten Kind und fragt sich, was Verantwortung meint und wie diese Familie prägt. Szibilla hingegen bezeichnet sich als Antinatalistin und möchte keine Kinder haben. Nora wiederum steckt in einer Krise und schweigt – was sicherlich auch mit ihrer Mutterschaft zu tun hat.

Wenn Dich vor der Kita oder vor der Schule ein anderes Elternteil fragt, worum es in Deinem neuen Buch geht – wie würdest Du es beschreiben?

Laura Vogt: Es geht um drei Frauen, die miteinander mehr oder weniger eng verbunden sind. Eigentlich wollten sie gemeinsam einen Kurztrip nach Berlin machen, aber dann erfahren Romi und Szibilla von Noras Krise und reisen zu ihr an den Ort, wo Nora aufgewachsen ist. Dort sind die beiden konfrontiert mit ihren sehr unterschiedlichen Lebensentwürfen, und ein je eigener Prozess beginnt … bis Nora ihr Schweigen bricht. Es geht also, grob gesagt, um die Frage nach der Rolle(n) der Frau und um die der Mutter. Es geht um die Frage nach dem „guten Leben“, nach Prägungen, Beziehungen, Verantwortung, Familie und Freundschaft.

Was hast Du gerade gemacht, als das Paket mit den Belegen eintraf?

Laura Vogt: Ich war in den Ferien und konnte mich daher zwei Wochen lang darauf freuen, das Paket zu öffnen. Dafür habe ich mir dann viel Zeit genommen. Ich habe das Buch ein erstes, zweites, drittes Mal betrachtet, darin gelesen, und es mir so zu einer Art Freundin gemacht.

Stehst Du wegen der vermehrten Schreibzeit oder nun kommender Lesungen in der Schuld anderer Familienmitglieder?

Laura Vogt: Der Vater meiner Kinder und ich haben ab der Geburt unseres Erstgeborenen gleichberechtigt gelebt, gearbeitet, betreut. Das ging fast immer gut auf. Und das ist ein Privileg. Grossartig sind auch die Betreuungsarbeit meines Freundes, meiner Mutter und ihres Partners und die Genossenschaft, in der wir leben und in der so einiges abgefedert werden kann. Für all das bin ich sehr dankbar – aber ich stehe deswegen in keiner Schuld.

Was hältst Du davon, das Entstehen eines Buches mit dem Heranwachsen eines Babys zu vergleichen und sein Erscheinen mit der Geburt? Ist dieser Vergleich für Dich stimmig?

Laura Vogt: Vielleicht ein etwas abgedroschener Vergleich, aber für mich ist er stimmig. Ich gehe mit den Themen schwanger wie mit einem Baby. Das Baby – der Text – wächst in mir heran, bis das Baby – das Buch – auf die Welt kommt. Das Buch am Erscheinungstermin loszulassen, fühlt sich ähnlich schwierig an, wie mein Baby nach der Geburt aus den Händen zu geben. Es seine eigenen Wege gehen zu lassen, ist gar nicht so einfach für mich. Aber beide – Buch und Baby – brauchen mich ja doch noch eine ganze Weile …

 

Laura Vogts dritter Roman Die liegende Frau erschien im September 2023 in der Frankfurter Verlagsanstalt.

 

Same Work But Different: Ann Kathrin Ast

Hatte deine Mutterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf dein Buch? 

Sehr! Nach der Geburt meines ersten Kinds habe ich mich buchstäblich sprachlos gefühlt, konnte auf Fragen wie „wie geht’s dir?“ selbst engen Freundinnen nichts antworten. Auf das Gedicht „Morning Song“ aus Sylvia Plath‘ „Ariel“ zu stoßen, hat ein bisschen geholfen. Wenige Tage nach der Geburt kamen beim Stillen dann die ersten Zeilen zu einem Langgedicht übers Gebären. Ich habe schnell gemerkt, dass ich jetzt sowieso über nichts anderes schreiben könnte, musste versuchen, das Gebären und die Veränderungen in der Wochenbettzeit in der Sprache zu bannen. Es war schön, dass mich die Arbeit an diesen Gedichten im Jahr nach der Geburt begleitet hat. Jetzt machen sie etwa den halben Gedichtband aus.

Stehst du wegen Schreibzeit oder Lesungen in der Schuld anderer Familienmitglieder?

Ja. Ein halbes Jahr nach der Geburt meines zweiten Kinds sind mein Debütroman und mein Debütgedichtband erschienen. Mein Baby war bei allen Lesungen dabei, in Berlin, Leipzig, Vorarlberg … Es ging nur, weil meine Eltern/Schwiegereltern als Babysitter mitgekommen sind. Für diese Unterstützung bin ich sehr dankbar. Im Alltag dagegen habe ich keine Entlastung, kann deshalb zurzeit fast gar nicht schreiben. Bei einem Kind ging das noch gut, bei zwei Kindern gibt es einfach zu wenig parallele Schlafphasen der Kinder, finde ich. Das heißt, ich warte jeden Tag sehnsüchtig auf den Anruf einer Tagesmutter oder Krippe, dass sie einen Platz für meinen Einjährigen haben.

Wenn dich vor der Kita ein anderes Elternteil fragt, worum es in deinem neuen Buch geht – wie würdest du es beschreiben?

Unter anderem um Geburt und Wochenbettzeit als Grenzerfahrung, die besondere Wahrnehmung und Zeitlosigkeit. Die Zweifel, die überwältigende Zartheit, die existenzielle Angst, die Suche (danach, wer dieses Kind ist und wer ich jetzt bin). Die Perspektiven von Mutter und Kind verschränken sich.
Der Text ist teils als Schnipsel wie bei einer Pinnwand über die Seite verteilt, das lässt mir und den Leuten, die es lesen, Freiräume.

Welches Stipendium würdest du auch mit Kind nicht ablehnen?

Eines, wo ich ein paarmal für einige Tage an einen anderen Ort komme für Eindrücke, Lesungen, Workshops, wo es keine dauerhafte Präsenzpflicht gibt und ich am besten die Kinder und einen Babysitter mitbringen darf, der dann auch da schläft. Präsenzpflicht finde ich nicht zeitgemäß, wo doch sonst gerade überall Homeoffice üblich ist …

Ann-Kathrin Asts Gedichtband vibrieren in dem wir erschien im Januar 2023 in der parasitenpresse.

Same Work But Different: Anna Ospelt

Hatte Deine Mutterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf Dein Buch?

Ja – in meinem Buch geht es um die Anfänge des Lebens und die gesellschaftliche Frage, was es heute bedeutet, Mutter zu sein. Beziehungsweise, was es bedeuten kann, aus meinem Blickwinkel als freischaffende Autorin. „Frühe Pflanzung“ nimmt die Leser:innen mit auf eine Reise durch die vier Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Ich beschreibe die Natur um uns herum, von den Vögeln im Garten bis zu den sich verändernden Gesichtern der Berge. Zugleich reflektiert das Buch meine Erfahrungen eines Rollenwechsels, mit meinem Neugeborenen im Arm während dieses ersten Jahreszeitenkreises.

 

Hatte Deine Mutterschaft Einfluss auf die alltägliche Schreibarbeit?

Die Zeitfenster sind wesentlich kleiner. Entweder schreibe ich, wenn meine Tochter betreut ist, oder aber wenn sie schläft, ich schreibe nun gewissermaßen auf Zehenspitzen. Auch wenn ich mich oft nach mehr Zeit sehne, schreibe ich mehr und fokussierter, seit ich Mutter wurde, wohl weil die Kunst ein rares Gut wurde. Aber nur dank der geteilten Elternschaft mit meinem Partner und einem hilfsbereiten Umfeld, einem Eingebettetsein in diverse Privilegien, war ich in der Lage, zwei Jahre nach der Geburt meiner Tochter mein zweites Buch herauszubringen.

 

Was hast Du gerade gemacht, als das Paket mit den Belegen eintraf?

Tatsächlich war ich mit meiner Tochter auf dem Weg zum Spielplatz, als das Kuvert mit dem ersten Buch eintraf. Als sie vertieft im Sandkasten spielte, öffnete ich den Umschlag und betastete, betrachte mein Buch. Ein schöner, inniger Moment. Später sagte meine Tochter in Bezug auf das Buch: „Ich habe auch mitgemacht!“ – wie wahr!

 

Was hältst Du davon, das Entstehen eines Buches mit dem Heranwachsen eines Babys zu vergleichen und sein Erscheinen mit der Geburt? Ist dieser Vergleich für Dich stimmig?

Ich finde ihn oft etwas an den Haaren herbeigezogen: eine Buchvernissage macht wesentlich mehr Spaß als eine Geburt, und eine Lesereise ist wohl das Gegenteil einer Wochenbetterfahrung. Allerdings gibt es doch Parallen zwischen der Schwangerschaft und dem Schreiben: «Schließlich ist jeder, das heißt, jeder, der schreibt, daran interessiert, in sich selber zu leben, damit er sagen kann, was in ihm drinnen ist.» — Gertrude Stein

 

Welche*n other writer würdest Du gern zufällig auf einem Spielplatz treffen und worüber würdest Du mit ihm*ihr sprechen?

Vielen! Heute ganz besonders gerne Simone Scharbert, deren Arbeit ich sehr schätze und mit der ich mich während der Arbeit an meinem neuen Buch regelmäßig austauschen durfte – allerdings via Zoom aufgrund unserer weit voneinander entfernt liegenden Wohnorte.

 

Anna Ospelts zweites Buch „Frühe Pflanzung“ erschien im März 2023 im Limmat Verlag.