Lieber Literaturkritiker …

Unterfelden, den 17. Februar 2018

Lieber Literaturkritiker,

so kocht man Grießkoch:
Man nehme 500 ml Milch, 90 g Grieß, 2 Esslöffel Zucker, 1 Esslöffel Butter, 1 Prise Salz. Zuerst die Butter und die Milch in einen Topf geben und bei mittlerer Hitze langsam zum Kochen bringen. Mit Salz und Zucker würzen. Sobald die Milch aufkocht, langsam den Grieß einrühren. Für 2 bis 3 Minuten leicht köcheln lassen, dabei beständig rühren, bis der Brei die gewünschte Konsistenz bekommt.
Umso länger der Brei gekocht wird, umso fester wird er.

Du meinst, das interessiert keinen? Genauso wenig, wie es jemanden interessiert, wenn ich vom Wäschewaschen schreibe, vom Windelwechseln, von den Ausscheidungen meines Kindes, oben und unten, von meiner Müdigkeit?
Mich interessiert es eigentlich auch nicht, weißt Du. Und ich würde auch lieber über etwas wirklich Dringliches schreiben, was immer das dann wäre. Aber oben genannte Dinge sind leider im Moment die dringlicheren, für mich. Soll ich deshalb gar nichts schreiben? Den Mund halten? Oder Märchen erzählen, weil das besser zu Müttern passt?
Entschuldige, das war polemisch, und ich weiß, das führt zu nichts. Kennst Du das Märchen vom süßen Brei? Würdest Du unter süßem Brei begraben werden wollen? Nein?
Also, vielleicht kannst Du mich ja doch ein wenig verstehen.

Literarische Grüße,
eine Schreibende

Auszug aus: Simone Hirth (2020): Das Loch. Roman. Kremayr & Scheriau.

Wie lange?

Wie lange hält das jetzt schon so an? Fünf Wochen, sieben Wochen, Monate, Jahre? Wie lange schon scheine ich in einen zersplitterten Spiegel zu schauen? Wie lange schon pendele ich zwischen optimistischen Prognosen (die Gesellschaft wird eine neue, eine bessere werden, nicht mehr Wachstum wird wichtig sein, sondern das Gemeinwesen, Solidarität) und hypochondrischen Panikattacken? Wie und wann kann ich wieder Ruhe finden, Gelassenheit? Seit Wochen ist es ein Überbrücken, ein Durchstehen, nein, das ist nicht viel Romantik dabei, auch wenn es durchaus schöne Momente gibt. Die Tage ähneln sich mehr und mehr, Unterschiede verschwimmen (was war nochmal Wochenende?), die Stimmung irgendwo zwischen Gereiztheit, Müdigkeit und der stillen Hoffnung, dass es bald doch wieder so werden möge wie vor der Krise, aber wie war das denn damals, vor der Krise?
Wir haben einen Stundenplan gemacht, damit die Tage nicht völlig ausfransen, wir arbeiten im Garten, nehmen die ungewöhnliche Stille wahr (wir wohnen ganz in der Nähe des Frankfurter Flughafens, ein ständiges Brummen lag bisher immer in der Luft, weshalb der Unterschied jetzt, wo nichts mehr fliegt, so einprägsam ist).
Draußen lärmen die Vögel, der Frühling breitet sich ungeachtet aller Krisen, aller Zustände aus, es ist nicht die Natur, die verrückt spielt, sondern wir, die davon aber nichts wissen wollen. Wie wird meine Tochter diese Zeit in Erinnerung behalten? Als einen seltsamen Schwebezustand, als endlose Ferien ohne Freunde? Als eine Zeit, in der Papa zu oft mit dem Bildschirm sprach und dazwischen lange in den Garten starrte? In der Mamas Schicht in der Klinik nicht nach sieben, sondern nach neun, nach zehn Stunden endete? Wie werden wir zurückblicken auf diese Tage? Mit einem Schaudern, einem verklärten Blick (wie still es damals war, wie eng wir alle zusammenrückten) oder gar nicht?
Das Außergewöhnliche, das Neue wird langsam und unmerklich Alltag (das Kind zuhause, die Schule längst vergessen, die Freunde erstarrt im Freundschaftsbuch, Schreiben in den Randzonen des Tages), aber noch sind überall bloß Fragezeichen.

Winkelkinder

was ist das Eigene am gerundeten Kind, der finnische Tango
grüßt im Hintergrund mit süßer Schwere, die Hand knickt
im Schlaf ab, leicht geöffnete Finger, der Mund sowieso
ob mein oder dein Winkel, Widerhall auf jeden Fall

—–

schon lange nicht mehr essen, was auf … warten nicht, bis …
aber es soll doch, gepflegter Tausch aus, Anschauen, klirr
zappeln die Kinderhände, sprechen wir zu Sternen
oder teilen Mundverbot aus. Unser tägliches Brot …

—–

spielen wir mehr, Mensch, nicht ärgern, grün, rot
angezählt, ausgezählt, unser Schicksal kippt voran
quadratisch, rund, Kind, lass mich in deiner Bahn
ich leg ja das Handy weg, Würfel schenk uns Ruh‘

Nicht allein

Man ist nicht allein. Nie. Egal, welches Problem man hat, man hat es nicht als einziger Mensch auf der Welt. Was die Sache nicht unbedingt einfacher macht. Tragen, ertragen, leben, lösen muss man das Problem erst mal selbst.
Manche Probleme sind allein nicht lösbar, man hat zu wenig Sichtbarkeit und zu wenig Macht. Also schließt man sich zusammen und versucht Strukturen sichtbar zu machen, damit die, die nach einem selber kommen, sich nicht wieder mit denselben Problemen plagen müssen. Auch darum geht es ja in diesem Blog hier.
Doch im Moment sehe ich die familienunfreundlichen Haltungen von Aufenthaltsstipendien in einem anderen Kontext.
Die Kitas sind geschlossen, viele Menschen betreuen zu Hause Kinder und versuchen auch noch zu arbeiten, was häufig nicht zusammenpasst.
Der Vier-Phasen-Plan sieht vor, die Kitas nur eingeschränkt zu öffnen, bis ein Impfstoff gefunden oder die Pandemie weitgehend eingedämmt ist. Das bedeutet wahrscheinlich noch Monate.
Obwohl die Zahlen aus anderen Ländern stark darauf hindeuten, dass Kitas keine Infektionsherde sind. Obwohl Studien aus Island und den Niederlanden nahe legen, dass Kinder wenn überhaupt nur eine sehr kleine Rolle bei der Übertragung des Virus spielen.
Was passiert, ist letztlich dasselbe wie bei Literaturstipendien: Eltern mit Kindern interessieren nicht. Man ist nicht allein mit diesem Desinteresse. Was wir in der Literaturlandschaft sehen, ist nur ein weiterer Auswuchs einer Haltung und Politik.
Wir könnten sagen, es gibt zu wenig Eltern mit Kindern, es ist ein Spezialinteresse. Aber es geht ja nicht nur um Eltern. Verwirrend ist für mich, dass alle, die so offensichtlich kein Interesse zeigen, selber mal Kinder waren.

Ein gewöhnlicher Coronafeiertagsmontag aus meinem privilegierten Leben – Ostern 2020, ein Tagebuchauszug

Heute Morgen, vor acht, bevor der Arbeitstag beginnt: das Kind im Sich-Verstecken bestärken, das Bücherregale-Bemalen beaufsichtigen, ihm in verschiedenen Plüschtier- und Puppeninkarnationen Teile vom Knie und die Nase abfressen. Wir beide meistens gutgelaunt an meinen Arbeitstagmorgen – weil ich mich nicht auf sechs Stunden mit ihm alleine einstellen muss. Vor mir liegt das Privileg sechs Stunden potentiellen eigenständigen Denkens, Lesens und Schreibens in unserem Multifunktionszimmer (ein Ess- und Gästezimmer; jetzt, in diesem Moment: das Arbeitszimmer). Ich überquere eine Stunde später noch einmal den Flur, um kurz vom Schreibtisch aufs Klo und in die Küche zu fliehen. (Ich muss nämlich einen TÜV-Termin machen und einen Arbeitslosengeldantrag ausfüllen, bevor eine Renaturierung meiner Hirnlandschaft einsetzen kann).
Sich schließlich mit einer Tasse Kaffee zurückzuziehen, ist dann wie erwartet gar nicht so leicht. Der Junge auf dem Arm seiner Mutter weint, während ich an der Tür. Er lässt sich kurz trösten von ihr, und ich gehe hinein. Und steht dann ein paar Sekunden später doch wieder vor der geschlossenen Tür, weint und klopft. Also ein Nachsehen und noch einmal nachsehen, ihm erklären, dass ich arbeiten muss und wir uns nachher dann wieder, versprochen: Wir gehn in den Park, nach Maulwürfen graben. Doch was für ihn allein zählt, ist die Gegenwart. Miriam fragt in sein Weinen hinein, als ich ihn noch einmal zu mir nehme, ob ich mich schon um den Antrag kümmere. Aus dem Nichts diese Frage, doch zumindest kann ich ihr sagen (dieses Chaos von Kind auf dem Arm verhindert, dass mir mein schlichtes 1 Gewissen in Mimik und Gestik hineinfließt), dass ich die Mail an Frau M. vom Arbeitsamt schon geschrieben habe.2 Sie scheint fürs erste zufrieden. Aber allein schon die Frage schnürt ein, löst Beklemmungen aus, die jeden eigenen Gedankenfluss für Stunden abklemmen werden, das weiß ich. Ihr das Kind in die Hände und die Tür hinter mir zu.
Mittlerweile ist wieder Ruhe eingetreten. Wenn es plötzlich so ruhig wie jetzt ist, kann ich mich entweder konzentrieren oder horchen. Wenn es zu still ist, muss ich horchen, ob die Stille gut ist oder schlecht. Es ist nicht komplett still, ein paar leise hohe Töne von Miriam dringen durch die Türen. Das kann ein Herumalbern sein oder ein Weinen, wie sie es weint, wenn sie übermüdet und dazu verzweifelt ist, weil der Junge, für den ein Nein zumindest Vielleicht heißt, der ihre Abstillpläne beharrlich hinterfragt, nicht aufhört, ihr in den Ausschnitt zu greifen, oder weil er ihr aus Übermut per Kopfnuss die Lippe blutig geschlagen hat. Wenn ich wüsste, ob die Wohnzimmertür offensteht oder nicht, dann wäre die Lautstärke besser einzuschätzen. Kann sein, dass sie singt.
Sie hat mir ein Foto aus dem Wohnzimmer geschickt. Sie beide auf dem Sofa, der Junge sitzt neben ihr, den Arm in ihrem Ausschnitt, und schläft. Eingeschlafen beim Bilderanschauen. Und hier ist es still, und ich jetzt die reine Glückseligkeit, weil es still ist und Miriam sich erholen kann. Hell und still, noch zwei Stunden Zeit und vom lauten Gewissen befreit, weil mir eben wieder einfiel, dass ja immer noch Ostern ist, d. h. das Arbeitsamt schlummert.

1 Erst bloß ein Tippfehler – aber er hatte recht: Es ist eher schlicht als schlecht.
2 Ich sage immer noch “Arbeitsamt”. Sowohl “Jobcenter” als auch “Agentur für Arbeit” fühlen sich an wie Spielgeld.

Geliebte Sprache

Das Schreiben unterwirft sich nur zu einem Teil der Selbstdisziplin, die sehr wohl hilft, vielleicht sogar das Gerüst aller Texte stellt, aber nie den innig geliebten Kern dieser seltsamen geistigen Arbeit ausmacht. Der liegt tief im Pudel verborgen und lässt sich nicht ohne Weiteres herauskitzeln – diese magischen Momente des Fließens – wenn alles gelingt. Früher bekannt als: die Muse, die mich küsst oder bitte, bitte wenigstens mal ansieht. Dass die Sätze richtig gut klingen, Pointen setzen, Laune machen oder wenigstens nachdenklich stimmen. Erkenntnisspiralen, Feuerwerke, vertrackte Gedanken, die noch nie jemand zu denken wagte, Heureka! Wir müssen nicht darüber reden, wie das gar nichts mit der Wahrheit zu tun hat. Die Wahrheit gestaltet sich eher wie in diesem wundervollen, von Geschlechterklischees und billigen Stereotypen nur so strotzenden sowjetischen Kurzfilm mit dem Titel Film, Film, Film (1968) (ein schwieriger Favorit mit unliebsamen Eigenschaften). Ab Laufzeit 0:50 der arme (Drehbuch-)Autor – mein Leben. Natürlich nicht nur meins, unser aller, zwar nicht mehr an der Schreibmaschine und kaum eine raucht noch, die letzten Qualmerinnen haben wegen Corona aufgehört, aber doch: Verdammte Sprache! Kreativität, zum Kuckuck. Ich quetsche also irgendeine gequirlte Grütze aus meinen Tasten. Das Kind kommt vom Spaziergang zurück, viel zu früh für meinen Geschmack. Es sucht nach dem Wort für „Ausblick“ und sagt: „Dort, wo es unten schön ist.“ Geliebte Sprache. Wir alle haben es leicht, mitunter.

Zwei Wochen …

… zu Hause verbringen, das heisst: es ist vieles gar nicht so anders als sonst.
(Beiseitegelassen der Fakt, dass zig Lesungen zu meinem zweiten Roman, der eben erschien, abgesagt wurden).
Da ist der grosse Garten, der bearbeiten werden soll, da ist der Wald in der Nähe, da sind die Kinder, die es zu baden, begleiten, bekochen gilt.
Zwei Wochen nicht im Atelier, sondern im Büro in der Wohnung zu schreiben versuchen.
Zwei Wochen das Ineinandergleiten von Stimmen, Gedanken, Ideen.
Zwei Wochen in einer grossen Blase, die Grenzen sind schwammig, der Text verwischt.
Nach zwei Wochen dann:
Die Sonne scheint, ab aufs Fahrrad, über die Gleise, an den Feldern vorbei, links die Industriegebäude; ich passiere einen Bauernhof, eine Druckerei, einen Bahnhof, fahre übers Viadukt rein in die Stadt.
Gute Nachrichten: Das Atelier ist geöffnet!
Ich schliesse die Tür auf, trete ein, alles befindet sich am gewohnten Platz.
Schreiben.
(Und mich freuen auf die Lesungen, die kommen werden, später, aber sicher).

maternal nights

Reiche mir eine Flöte, meine Schönste,
Lass mich dich begleiten bei deinem Gesang.
Mit heiserem Hauch verrate mir
Das Geheimnis, das du vor mir bewahrst.

Denn ich spüre mich nicht! So erzähle mir
Von deinen Bedürfnissen; mag es sein, dass
Auch ich meine eigenen erfahr’? Sag:
Sind sie versteckt in rhythmischen Wellen

Der Genügsamkeit? Angekündigt durch dies’
Trappeln im Takt den Flur entlang, bleibt heute
Nacht der Zugang mir neuerlich ver-
Wehret – Hauptsache Du findest zur Ruh’.

Wir haben eine …

… Fehlüberlegung gemacht. Heinz und Ich. Das war noch vor Corona. Und dann hat es sich aber in diese Zeit hinein gelegt. Wir dachten, vielleicht sogar etwas romantisch, dass, wenn beide ihre Kunst machen wollen und sollen, dann teilen wir unseren Tag danach auf. Wir dachten, ja, die Kunst, die brennt in uns, die muss gemacht werden. Und wir sagten, das ist schon einige Jahre her, dass wir uns nicht danach bemessen, mit was wir wie viel Geld verdienen, wer darum wie viel arbeitet und wer weniger verdient und darum mit dem Kind, damals, und den Kindern, heute, sein soll. Wir sagten, es ist egal. Wir sagten, die Hauptsache ist, dass wir die Kunst machen, die wir machen müssen, die in uns sitzt und die herauskommen muss und die uns erst lebendig macht und überhaupt, zu einem vollständigen Menschen. Das dachten wir, und tun wir eigentlich noch immer. Also haben Heinz und ich beschlossen, dass jede und jeder von uns einen halben Tag arbeitet und einen halben Tag mit den Kindern ist. Halber Tag auf einen ganzen Tag gerechnet hiess dann bei uns 8 Stunden. Also eine von 8 bis 16 Uhr und der andere dann von 16 bis 24 Uhr. So machten wir es, was dazu führte, dass wir uns nicht mehr sahen, was dazu führte, dass wir auch nicht mehr redeten, was dazu führte, dass wir müde waren. Und wenn man müde nicht mehr redet und dann sich aber am Abend im Schlafzimmer begegnet, dann gibt es meistens Streit. Der Streit, der ging dann ungefähr so.

Aber ich habe gestern die ganze Wohnung und du hast am Nachmittag gar nichts.
Aber ich habe diese Auftragsarbeiten immer und damit das Geld und du immer nur an deinem Roman, in die Tiefe gehend und selber suchend und wunderbar, aber eben kein Geld mit tiefen Gedanken.
Aber ich habe gedacht, dass wir das so machen, dass jede und jeder seine Kunst.
Aber ich habe gedacht, das darf ich auch, aber ich muss ja Geld für Kinder und Essen und dann an meinem Halbtag auch noch die Wäsche waschen.
Aber ich habe dir Wäsche gewaschen.
Aber ich habe die Kinder auf die Welt gebracht.
Aber ich stehe jetzt, nachdem die aus dir heraus gekommen sind, jeden Morgen um sechs mit ihnen auf.
Aber ich habe sie neun Monate herumgetragen und auch das herauskommen war so anstrengend wie ein Leben lang um sechs Uhr aufstehen.
Aber ich kann nichts dafür, dass ich keine Kinder gebären kann.
Aber du könntest wenigstens das Klo putzen.

Und bevor wir dann beim, „Aber du wolltest ja Kinder“ waren. Sind wir eingeschlafen, weil wir müde waren, und wir haben die Fehlüberlegung korrigiert. Wir schreiben beide weniger, dafür trinken wir Kaffee am Morgen und das eine Kind ist dabei ein Tiger, dem anderen küssen wir den Bauch.

Ja, wunderbar, aber …

… das hatten wir doch jüngst erst im Programm“, schreibt der Redakteur einer großen deutschen Wochenzeitung als Antwort auf meine Texteinreichung zum Thema Mutterschaft und Schreiben. Natürlich recherchiere ich sofort. Tatsächlich: Vor vier Monaten schrieb eine befreundete Autorin in derselben Online-Plattform eindrucksvoll über ihr Leben mit Kind, vor, während und nach der Geburt. Vor vier Monaten … Sie wählte für ihren Text eine andere Herangehensweise. Es ging um etwas völlig anderes. Natürlich, in beiden Texten werden schreibend etablierte Mütter- und Autorinnenbilder untersucht, doch unsere Anliegen, unsere Schlüsse sind grundverschieden. Besonders lustig wurde es, als mir besagte Autorin erzählte, dass auch ihr Text zuvor von anderer Stelle mit demselben Argument abgelehnt wurde.

Wie oft darf man den Themenkomplex Mutterschaft und Schreiben mit großer Sichtbarkeit verhandeln? Einmal im Jahr? Oder lieber zweimal? Wie viel Rampenlicht verdienen schreibende Eltern? Ab wann ist es dann doch zu viel? Und ist es vermessen, Raum für viele verschiedene Stimmen einzufordern? Sind die Lebens- & Arbeitsbedingungen von Autor_innen mit Kindern wirklich ein Nischenthema? Stehen sie nicht viel eher als pars pro toto für gesamtgesellschaftliche Unwuchten?

„The single story creates stereotypes, and the problem with stereotypes is not that they are untrue, but that they are incomplete. They make one story become the only story“, beschreibt die Autorin Chimamanda Ngozi Adichie die Gefahr einer einzigen Geschichte in einem viel gelobten TED-Talk über „das Afrikabild“ vieler Menschen im globalen Norden. Wir alle sind verschieden. Auch Autor_innen, Mütter, Väter, Kinderlose. Das Bestehen auf diversen Perspektiven ist meiner Meinung nach keine Überempfindlichkeit, sondern ein Akt der Solidarität und Gelingbedingung für eine Gesellschaft, in der jede_r ohne Angst anders sein kann.