Other Writers trifft Café Entropy: Selim Özdoğan, Köln

 

Foto: Alain Barbero | Blog Café Entropy

200 Meter von unserer alten Wohnung entfernt war in einem Ladenlokal eine Kita für unter Dreijährige. Wir haben sie uns damals angesehen, aber mochten die Einrichtung nicht. Dann schloss die Kita und es wurde ein Café daraus. Ein Café, in das ich häufig gegangen bin mit den Kindern. Unsere Tochter war schon in der Schule, unser Sohn ging noch in die Kita, ich holte erst sie, dann ihn ab und wir stellten den Ranzen an einem Vierertisch auf einen Stuhl und gingen dann zur Kuchenvitrine. Der Kleine stellte sich auf eine Bank, um besser sehen zu können. Dann saßen wir da, die beiden ein Stück Kuchen, ich einen Cappuccino, es gab immer etwas zu reden, es war immer friedlich.
Ich denke gerne daran zurück, weil es eine neue Art von Cafébesuch und eine neue Art von Gemeinsamkeit mit den Kindern war.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich, seit du ein Kind / Kinder hast?
Wenn ich nicht mit den Kindern bin, ist meine Zeit im Café mittlerweile fast immer begrenzt. Das war vorher nicht immer so.

Wie verändert es deine Café-Zeit, wenn dein Kind / deine Kinder dabei ist?
Ich mag es, mit ihnen zusammen im Café zu sein, aber ich nehme sie nicht mit, wenn ich mit jemand anderem gehe.

Eine Kooperation mit Café Entropy – Literatur- und Fotoblog.

Other Writers trifft Café Entropy: Sibylla Vričić Hausmann, Leipzig

Foto: Alain Barbero | Blog Café Entropy

In dieser Hinsicht recht unreif, liebe ich die süßen Verführungen der Cafés. Eis, Kuchen, Waffeln, Palatschinken – letztes Jahr im Spreewald habe ich Hefeplinsen entdeckt. Ein Traum! (Ein beliebter Ausspruch von E.s ehemaliger
Grundschullehrerin, der mir wohl für immer im Kopf herumgeistern wird, um meinen Tinnitus zu übertönen … im Traum, im Traum!) Von daher passen meine Kinder und ich, was Cafés angeht, gut zusammen. Meist würde ich zwar, in ihrem Beisein, gerne noch etwas länger am Cafétisch ausharren als sie. Doch entspannt alleine dasitzen und stundenlang lesen oder arbeiten: Das klappt bei mir auch nicht. Dafür strengen mich öffentliche Räume zu sehr an.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich, seit du ein Kind / Kinder hast?

Vielleicht könnte man sagen, dass mir durch das Kinderhaben bewusster geworden ist, was es heißt, sein Geld mit einem Knochenjob zu verdienen. Servicekraft im Café gehört definitiv zu den Knochenjobs. In der Mutterrolle in Cafés gehen gefällt mir, weil ich mich dann in der Service-Kette nicht ganz am oberen, nutznießenden Ende befinde. Immerhin kümmere ich mich noch um meine Kinder – da bin ich weniger beschämt. Denn Bezahlen gilt, finde ich, nur bedingt.

Wie verändert es deine Café-Zeit, wenn deine Kinder dabei sind?

Wir bekommen mehr allgemeine Aufmerksamkeit, verbrauchen mehr Servietten, ich muss über Softdrinks diskutieren und mich manchmal für einen Rest Eis oder Kuchen hergeben. Wenn ich mir nur einen Espresso geleistet habe, freut mich das natürlich.

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Other Writers trifft Café Entropy: David Blum beim Backstein, Leipzig

Foto: Alain Barbero | Blog Café Entropy

Das Backstein wird für mich auf immer mit dem ersten Corona-Lockdown verbunden sein. Mit der Zeit, als die Spielplätze gesperrt waren und sogar vor den Stockhütten in den Wäldern Flatterband hing. Alles, womit sich die Kinder beschäftigen konnten, war aus dem Spiel genommen – fast alles. Denn beim Backstein gab es eine Schaukel für die kleinen Gäste, die die Flatterbandanbringer übersehen hatten. Die Kinder hatten sich für diese Schaukel kaum interessiert, wenn wir mal in der Gegend waren, das Labyrinth aus knallgrünen Kunstzweigen nebenan war verlockender. Doch in diesen Tagen, an denen gar nichts ging, wussten wir von der einzigen Schaukel der Welt. Das Backstein hatte selbstverständlich geschlossen, aber in der Auslage waren Dekobackteilchen zurückgelassen worden, die von Tag zu Tag leckerer aussahen.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich, seit du Kinder hast?
Es gibt eigens eingerichtete Kindercafés – das sagt doch eigentlich schon alles. Oder zumindest ziemlich viel. Das Konzept Café muss an die Anwesenheit von Kindern angepasst werden – beides scheint sich also zu widersprechen. Und da der Erholung- bzw. Entspannungsansatz beständig mit dem Entdeckerdrang der Kinder kollidiert, verbringe ich relativ wenig Zeit in Cafés, seitdem die Kinder da sind.

Wie verändert es deine Café-Zeit, wenn deine Kinder dabei sind?
Nicht die Café-Zeit verändert sich, sondern die Zeit an sich. Sie kann sich unglaublich ausdehnen und doch zu knapp sein. Man ist – in Gedanken – immer einen Schritt voraus und doch zu langsam. Die Kinder mit ins Café zu nehmen, bedeutet, bereits wieder auf dem Heimweg zu sein. All das zumindest, wenn es keine gut eingerichtete Kinderspielecke gibt.

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Other Writers trifft Café Entropy: Cécile Calla im Lass uns Freunde bleiben, Berlin

Foto: Alain Barbero | Blog Café Entropy

Das Café ist mein Fenster zur Welt geworden, mein Erwachsenenspielplatz, eine Flucht aus dem Alltag. Seit ich Mutter bin, seit ich die Kontrolle über die Zeit verloren habe, habe ich dort meine Gewohnheiten. Es ist mein täglicher Sport, mein kleiner Luxus, um zu funktionieren und weiterzumachen. Ich gehe dorthin, um Einsamkeit zu finden und um mich überhaupt zu finden. Dort kann ich meine Stimmung selbst bestimmen, entscheiden, ob ich schweigen, lesen oder die Wand betrachten will. Es ist ein Ventil, ein Vorzimmer, bevor ich nach Hause gehe, um das Abendessen zuzubereiten oder zur Arbeit aufzubrechen. Ein Ort, der nicht gegen die Uhr läuft, an dem man sein Gewand als Sklave der tickenden Uhrzeiger an den Nagel hängen und sich selbst für einen Moment vergessen kann. Wenn ich mich in ein Café setze, finde ich ein wenig dieses Gefühl der unendlichen Zeit wieder, diesen wandernden Geist, eine neue Neugierde. Dann beginnt eine Reise, deren Ziel mir unbekannt ist. Ich beobachte meine Tischnachbarn und -nachbarinnen, lausche ihren Worten und Gefühlen, stelle mir ihr Leben, ihre Qualen und ihre Hoffnungen vor. Für eine halbe oder ganze Stunde verlasse ich mein Leben, um durch das Leben der anderen zu reisen. Nach einer Tasse Kaffee und einem Stück Kuchen sehe ich einen anderen Horizont und gehe gestärkt, den Kopf voll mit neuen Ideen.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich, seit du Kinder hast?
Es sind Orte, an denen ich die Einsamkeit genießen kann, Zufluchtsorte zum Schreiben, an denen mich das Stimmengewirr einlullt. Dort kann ich meine Gedanken schweifen lassen. In einem Café gelingt es mir oft, einen neuen Zugang zu einem Text oder eine gute Einleitung zu finden.

Wie verändert es deine Café-Zeit, wenn deine Kinder dabei sind?
Als sie noch jung waren, waren meine Aufenthalte mit ihnen im Café sehr kurz und hatten meist einen nützlichen Zweck: Sie sollen ihr Vesper zu sich nehmen oder ein Sandwich essen. Heute sind sie älter und beginnen, diese Orte des Durchgangs und der Begegnung, an denen der Alltag keine Rolle spielt, zu schätzen. Hier können wir uns unterhalten, ein Spiel spielen oder einfach faulenzen.

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Other Writers trifft Café Entropy: Linn Penelope Micklitz im Café Kater, Leipzig

Foto: Alain Barbero | Blog Café Entropy

Tür auf, Tür zu, hinsetzen, wo die Aussicht mir gefällt und sonst nichts von Belang ist. Etwas bestellen, was ich mit niemandem teilen muss. Alkohol am Morgen oder Berge von Kuchen und Seen aus Milchkaffee. Lesen lesen lesen, einen Gedanken verlieren und ihn wiederfinden. Vielleicht etwas aufschreiben oder auch nicht. Aus dem Fenster blicken, für ewige zehn Minuten. Hemmungslos krümeln. Unerträglich trödeln. Einen Anruf wegdrücken, tippen, ich bin in einem Meeting und rufe später zurück. Noch einen Kaffee, und noch einen. Weil lecker, weil hier die Stunden in Kaffee gezählt werden. Ein Kind quengelt und es ist nicht meines. Die Freiheit, nicht verantwortlich zu sein. Rauchen wollen, es aber nicht machen. Auf der Toilette alle Flyer lesen und sich Mühe geben mit den Haaren. Bisschen beschwipst fühlen. Merken, dass die Zeit dennoch vergeht. Irgendwann, plötzlich, alles wieder einräumen: Füller, Notizbuch, Gedichte. Sich wie ein Klischee fühlen und es genießen. Großzügig aufrunden. Ein letzter Blick zurück, der Mutter-Blick nach der Ordnung. Alles wie immer. Tür auf, Tür zu.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich, seit du ein Kind hast?
Früher war es mir unangenehm, mich bedienen zu lassen. Wenn ich heute in ein Café gehe, genieße ich die Aufmerksamkeit und die Geste des Bestellens. Obwohl das Gefühl erkauft ist: Jemand kümmert sich um mich.

Wie verändert es deine Café-Zeit, wenn dein Kind dabei ist?
Mein Sohn ist im Sommer zwei geworden. Mit ihm im Café zu sitzen, verändert nicht die Zeit, sondern den Ort. Ein Café ist dann ein anderer Raum, der andere Bedürfnisse erfüllen muss. Meine Lieblingscafés sind nicht auf Kleinkinder ausgerichtet, wir verbringen unsere gemeinsame Zeit nicht dort und ich bin froh, dass es Orte gibt, an denen ich mich ohne Kind besser aufhalten kann.

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Other Writers trifft Café Entropy: Katharina Bendixen im Museumscafé Götz, Leipzig

Foto: Alain Barbero | Blog Café Entropy

mama kann ich eine saftschorle ich will eine saftschorle hast du gehört dass ich eine saftschorle will na gut ich hätte bitte gerne eine saftschorle das war mit bitte warum nur eine kleine ich will eine große nein ich kriege keine bauchschmerzen ich kann hundert gläser austrinken tausend gläser kann ich austrinken was ist das eigentlich zucker wie im kuchen meinst du darf ich kosten okay ich sehe was was du nicht siehst wann kommt meine saftschorle und das ist grün nein nein nein die kerze auf dem tisch ich geh mal nach vorn zum kuchen ich gucke nur versprochen mama du magst doch schokokuchen du kriegst ein stück schokokuchen und ich kriege einen monsterkeks ja schon gut darf ich wenigstens eine tüte zucker aufreißen ich sehe was was du nicht siehst und das ist langweilig nein nein nein nein hier ist es langweilig nur einen finger voll zucker das war nicht ich das war der stuhl der stuhl ist von allein umgekippt wann kommt denn nun meine saftschorle und wenn ich den zucker dann wegwerfe wenn zucker so ungesund ist ist es doch gut wenn ich ihn wegwerfe ich geh noch mal nach vorn der weiße kuchen sieht auch lecker aus ja schon gut ich sehe was was du nicht siehst und das ist rot nein nein nein ist das für uns danke mama ich kann blasen mama ich kann schlürfen mama okay ich verrate dir was ich rotes gesehen habe eine wolke mit einem wal davor der als feuerwehrmann verkleidet ist siehst du ihn nicht da oben

Welche Bedeutung haben Cafés für dich, seit du Kinder hast?
In Cafés geschrieben habe ich so gut wie nie. Aber bevor meine Kinder zur Welt kamen, habe ich manchmal in Cafés gelesen, und natürlich habe ich mich viel öfter mit Freund*innen auf einen Kaffee getroffen. Tagsüber mit einer Freundin einen Kaffee trinken oder im Café lesen: Beides fühlt sich derzeit – im durchgetakteten, stets effizienten Elternmodus, leider! – wie ein absoluter Luxus an. Ist es ja auch: ein Luxus, den ich mir wahrscheinlich öfter gönnen sollte.

Wie verändert es deine Café-Zeit, wenn deine Kinder dabei sind?
Als sie noch Babys waren, saßen sie auf meinem Schoß, schauten sich um und lautierten immer mal ins Gespräch hinein. Das hat gut geklappt. Inzwischen wollen sie in Cafés meine ungeteilte Aufmerksamkeit, große Fruchtsäfte mit Strohhalm und irgendein Essen, das nicht auf der Karte steht. Und die meisten Cafés (und deren Gäste) tun sich schwer daran, sich auf diese unmittelbaren Wünsche einzustellen. Deswegen gehe ich mit den Kindern nur im eher seltenen Zustand der absoluten Entspannung ins Café. Aber wenn wirklich alle entspannt sind, dann kann es im Café sehr schön und lustig werden, und manchmal entstehen dann Momente, die mich für Wochen durch den Alltag tragen.

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Other Writers trifft Café Entropy: Delphine de Stoutz (und Mathilde Ramadier) im Würgeengel, Berlin

Foto: Alain Barbero | Blog Café Entropy

Wann war das?
An einem Freitag im September, glaube ich.
Was haben wir dort gemacht?
Eine Auszeit zwischen zwei wichtigen Dingen. Ein möglicher Ort zum Warten.
Es war damals nicht geplant.
Nein.
Worüber haben wir gesprochen?
Du hast mir die üblichen Fragen gestellt, über die Schule, meine Freundinnen, ob ich Hunger habe.
Dann hast du aufgehört, mir zu antworten.
Danach suchte ich die Worte tief in meinem Hals, wie ein Aufstoßen im Magen, ich musste sie nach oben bringen.
Ich erinnere mich an eine erdrückende Stille, eingebettet in den Lärm des Gläserklirrens und der Gespräche der anderen Gäste.
Ich weiß noch, dass ich mir sagte: „Jetzt ist es soweit.“
Wie habe ich reagiert?
Zuerst hast du nichts gesagt. Dann hast du einen Schluck von deiner Schorle genommen und mich, ohne mich anzusehen, gefragt, warum ich mich ausgerechnet dafür entschieden habe, ein Junge zu sein. Warum es mir nicht mehr gefiel, zwischen den Geschlechtern zu leben. Dass du nicht wüsstest, wie man mit Jungen umgeht, dass du nie einen Jungen gewollt hast und dass das kein leeres Gerede wäre.
Hat dich das verletzt?
Nein. Seltsamerweise verstand ich es.
Dann habe ich dich angeschaut.
Und was hast du gesehen?
Dass du deine Haltung korrigiert hattest, dass du gerade standst, dass deine Haarsträhne hinter dein Ohr geschoben war und nicht mehr vor deinem Auge hing, dass du seit 12 Jahren vor mir standst und ich dich nicht sah. Ich sah, dass ich dich erkannte.
In diesem Café lernten wir uns endlich kennen.
Ja.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich, seit du Kinder hast?
Bis ich Kinder hatte, war ich leidenschaftlich verliebt in Cafés. Ich besuche Cafés am liebsten allein. Ich beobachte und beobachte mich selbst, sammle Gedanken, verwandle andere Gäste in potenzielle fiktionale Figuren und erfinde auch für mich selbst Rollen. Dann kamen die Kinder und die Cafés wurden zum Ort der Blicke, die auf mich und meinen allzu lauten und ungeschickten Nachwuchs gerichtet waren. Ich versuchte zwar, mich in angeblich geeignete Orte, die Eltern-Kind-Cafés, zu flüchten, aber das war noch schlimmer, denn dort wurde ich nicht nur beobachtet, sondern auch verurteilt, genauso wie ich andere verurteilte. Was hatte ich in die Vesperdose gepackt, war es gesund genug? War mein Kind schuld an dem blauen Auge des kleinen Rotschopfs, der gerade meinen koffein-, laktose- und genussfreien Kaffee für 5 Euro verschüttet hatte? Jede Minute, die ich in diesen übelriechenden und ohrenbetäubenden Räumen verbrachte, war eine Tortur. Und es war ganz natürlich, dass ich nicht mehr in Cafés ging, zumindest nicht mit meinen Kindern.

Wie verändert es deine Café-Zeit, wenn deine Kinder dabei sind?
Jetzt, da meine Kinder größer sind, beginne ich wieder, mit ihnen ins „Bistro“ zu gehen, wie man in Frankreich sagt. Denn in der Tat ist es für mich in Frankreich einfacher oder natürlicher als in Berlin, mit ihnen ins Café zu gehen. Ich genieße diese Momente, in denen wir uns Zeit nehmen, um Bilanz zu ziehen, ohne Druck oder besondere Erwartungen. Im Café schützt uns der Lärm der anderen, und oft lösen sich dort die Zungen, um ein wenig von sich selbst zu erzählen.

Aus dem Französischen von Barbara Peveling.

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Other Writers trifft Café Entropy: Simone Scharbert im Köttinger Dorfladen, Erftstadt

Foto: Alain Barbero | Blog Café Entropy

Erinnerungsblitzen, Gegenwartslugen. Im Café. Wie ich dort sitze. Wie ich dort stehe. Je nachdem. Hinter oder vor der Theke. Noch lieber hinter der Theke. Seit Jahren. Jahrzehnten. Mit Unterbrechungen. Natürlich. Verbindungen. Damals, schwanger. Hinter der Theke. So ein schönes Gefühl. Mit dem Kind im Bauch unter Menschen. Ein Wort, eine Frage, einen Blick in der Hand. Meine Vergangenheit auch. Steht dort. Immer noch. In Bars, Kneipen, Cafés. An unterschiedlichsten Orten. Zu unterschiedlichsten Zeiten. Nachts, wenn man die Stadt dann kurz für sich allein hatte. Morgens, wenn der Raum noch nicht weiß, wer alles in ihm sitzen wird, welche Gespräche zu hören sein werden. All das, um das Studium, die Promotion, den Lebensunterhalt mitzufinanzieren. Immer inmitten von wunderbaren Menschen. Begegnungen. Den unterschiedlichsten Sprachen, Verliebtheiten auch. Elfriede Gerstls „wer ist denn schon zuhause bei sich“ im Kopf, im Körper, auch das. Im Café. Manchmal hinter, manchmal vor der Theke.

Welche Bedeutung haben Cafés für dich, seit du Kinder hast?
Immer die gleiche Bedeutung: Orte, die ich mag. Die mir so wichtig sind. Manchmal, um dort allein unter Menschen schreiben zu können. Manchmal, um einfach mit Menschen zu sein. Oder mit meinen Kindern. Damals, als sie noch klein waren. Die oftmals den Blick geändert haben, wie laut, wie hektisch etwas sein kann. Wie wenig Platz auch für einen Kinderwagen, ein Spielzeug oder zum Rumlaufen. Wie ruhig, wie schön aber manchmal auch gemeinsame Zeit an so einem Ort sein kann.

Wie verändert es deine Café-Zeit, wenn deine Kinder mit dabei sind?
Oh. Ich muss retrospektiv antworten. Früher war ich oft froh, wenn sie dabei waren. Weil ich es sehr mochte, mit ihnen unterwegs zu sein. Gemeinsam zu sitzen und zu sehen, was um einen, um uns passiert. Diese körperliche Verbundenheit auch. Und jetzt bin ich froh, wenn sie vorbeikommen. Wenn sie in unserem Lädchen-Projekt nach der Schule oder einfach so aufschlagen. Mittagessen. Erzählen. Etwas fragen. Oder einfach nur mit sich selbst sind, während ich arbeite, die anderen Leute bediene. Schön ist das zu sehen, wie sie dort sitzen. Einem entwachsen, die Welt auf ihre eigene Art und Weise mitgestalten.

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Other Writers trifft Café Entropy: Elisabeth R. Hager im Fräulein Wild, Berlin

Foto: Alain Barbero | Blog Café Entropy

Baby im Café Museum

Herr Ober?
Herr Ober, die Karte bitte.
Herr Ober! Herr Ober!? Hunger hab ich!
H U N G E R!!! Verdammte Scheiße! Ich heul’ gleich!
HEERRRRR OOOOBBBBEEEERRRRRRRRRRRRRRR!
Ah, danke. Besteck? Nein, das ess’ ich mit den Händen. Danke vielmals.
Ach. Herr Ober? Herr Ober, da ist mir leider gerade … Ja. Mhm.
Alles nass. Sie sehen ja selber, was passiert ist. Dürfte ich …
Danke, Herr Ober. Ich glaub, ich nehm dann doch die Schnabeltasse.
Mhm! Herr Ober, ganz vorzüglich heute wieder, der Babyccino!
Und diese Servietten! Mhm! Auch nicht zu verachten.
Oh. Herr Ober. Eine weitere Unpässlichkeit …
Herr Ober? HERR OBER!!!
Die Windel ist voll!!!!

Welche Bedeutung haben Cafés für dich, seit du Kinder hast?
Lange Jahre waren Cafés für mich Denk- und Arbeitsräume, Knotenpunkte in der Stadt, an denen ich mich niederlassen konnte zum Schreiben, Reden, Rauchen, Lachen und Diskutieren. Kaffee trank ich auch gerne, vor allem aber ging es um diesen halbprivaten Raum, der meine Gedanken stimulierte und es mir erleichterte, mich auszudrücken.
Seit ich Kinder habe, hat sich die Funktion dieser Knotenpunkte gewandelt. Ich stelle andere Fragen. Ich frage nicht mehr: Ist es hier gemütlich? Gibt es W-Lan? Gefällt mir die Musik? Und: Wie schmeckt mir der Café? Stattdessen frage ich: Gibt es einen Wickeltisch? Wie groß ist die Toilette? Stehen Gerichte auf der Karte, die die Kinder mögen? Gibt es eine Spielecke? Und: Wie laut darf man sein?

Wie verändert es deine Café-Zeit, wenn deine Kinder dabei sind?
Die Anwesenheit meiner Kinder (im Café) ist wie ein heiß geliebtes Störgeräusch. Sie durchtrennen nach Belieben meine mühevoll gesponnenen Gedankenfäden. Sie lenken mich kolossal ab. Zugleich bescheren sie mir viele neue Impulse. Ich bin wacher. Ich lerne mich selbst neu kennen. Und wachse jeden Tag ein winziges Stück mit ihnen. Manchmal aber bin ich temporär taub. Dann hör ich nur meine eigene Stimme. Die Kinder sind toll. Sie verzeihen es mir.

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Other Writers trifft Café Entropy: Barbara Rieger im Wirr (Bar & Restaurant), Wien

Foto: Alain Barbero | Blog Café Entropy

wir wie Verbrecher*innen
kehren an Tatorte zurück
Europa Espresso Alt Wien Anno
WIRR wie die Zeit sich in
neue Einheiten teilt mit dir
im Phil im Podium wie
jemand sagt „nur wer sich
um Kinder gekümmert hat,
hat das Leben wirklich verstanden“
wie Zwischenapplaus
wir wie eine Familie
vertauschen Bunkerei und Moserei
„ein großer Turm“ sagst du und sammelst
Steine während immer irgendwo
während immer auch in mir ein
KRIEG und wir mit Luxusproblemen
bestellen Verlängerten Melange
und Milchschaum für dich
und für eine Zeiteinheit ist
alles gut

Welche Bedeutung haben Cafés für dich, seit du ein Kind hast?
Am Land, wo ich derzeit lebe, gibt es das kinderfreundliche Café „treibgut“. Oft gehe ich alleine hin, um dort zu arbeiten, oft auch mit meinem Kind. Für uns beide ist es ein Kraftort, ein Ort zum Runterkommen und Auftanken.

Wie verändert es deine Café-Zeit, wenn dein Kind dabei ist?
Mit Kind schreibe ich nicht, beobachte weniger und wische dafür mehr Tropfen und Krümel vom Tisch.

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