Ohne Familie, ohne Haushaltssorgen, ohne Auseinandersetzungen mit meinem Mann und ohne die Kontrolle durch meine Eltern würde ich allein, ganz für mich, als Studentin leben und mein Wissen erweitern.
Das Lesen ihrer Tagebuchaufzeichnungen wirft mich unmittelbar zurück in das Jahr 2015. Ich treffe die Entscheidung, mich von meinem Partner, Vater meiner jüngsten Tochter, und damit dem klassischen Kleinfamilienleben zu trennen und ein künstlerisches Studium in einer 58 km entfernten Stadt zu beginnen. Auch Alexandra Kollontai ist eine von ihnen. Eine Mutter, die sich entscheidet, ohne Kind und Mann an einem anderen Ort zu leben. Sie tut es für zwei Jahre. Andere Mütter leben ein Wechselmodell, sehen ihre Kinder nur am Wochenende oder kommen gar nicht zurück. Bezeichnet als „Rabenmütter“, begegnet es mir zu oft, dass Mütter, die gehen – im Gegensatz zu den die Familie verlassenden Vätern – sich erklären müssen, Vorurteilen ausgesetzt sind, es ihnen nicht ohne Weiteres zugestanden wird, auch ein Leben ohne ihre Kinder zu haben, in welcher Form der zeitlichen Ausgestaltung auch immer.
Von meiner Aufgabe ließ ich mich nicht abbringen.
Warum sollen Müttern nicht gleiche oder ähnliche Motive zugestanden werden wie den Vätern, die gehen? Selbst mich überkommt, während ich diese Sätze schreibe, nach wie vor ein ungngenehmes, unbequemes Gefühl, ausgelöst von „das gehört sich nicht, das kannst du als Mutter nicht machen, die Kinder brauchen dich, die Kinder brauchen doch ihre Mutter“. Sätze, die ich tausendfach gehört und auch geglaubt habe.