Alles war perfekt gewesen – Texte zu Weihnachten

Weihnachten aus der Perspektive eines Kindes. Das klingt nach Vorfreude, schönster Freude, nach Unbeschwertheit und ein bisschen Magie. Der ungewöhnlich große Aufwand, den die Erwachsenen um das Fest betreiben, kann Kindern das tolle Gefühl geben, Teil von etwas Besonderem zu sein. Aber jeder Aufwand hat seinen Preis. Viele bekommen das zu spüren, zum Beispiel in Form harscher Kritik oder Strafen – bei Gefährdung des reibungslosen Ablaufs. Oder auch, wenn sie ein Elternteil nach überstandener Feier plötzlich schwach und unglücklich erleben müssen. Unter anderem daran erinnern die wunderbar-nachdenklichen Texte dieser Reihe von Eva Brunner, Dmitrij Gawrisch, Barbara Peveling, Silke Sutcliffe und Laura Vogt. Nein, nichts und niemand ist perfekt. Und es gibt auch Leute, die Weihnachten im Krieg verbringen. Danke, für diese wichtige Frage, liebes Kind! Die biblische Weinachtsgeschichte erzählt eine Geburt … Das Fest, es ist ein Fest der Kinder. Betrachten wir sie froh.

Eine Geschichte von Silke Sutcliffe
Echte Fichte von
Das letzte Geschenk von Laura Vogt
Unsere Kirche von Eva Brunner
der große bär von Barbara Peveling

Eine Geschichte

2020
Wir in der Fußgängerzone. Meine sechsjährige Tochter und ich. Über unseren Köpfen Lichterketten, in unseren Köpfen Fragen, die ich denke; die sie ausspricht. Wie Weihnachten wird? Ob wir die Uroma sehen können?

1999
Ganz zuletzt zieht meine Großtante ein seltsames Geschenk unter dem Baum hervor. Ich bin dreizehn und frage mich, was das soll? Drei Blätter, eng mit der Hand beschrieben, gelocht und zusammengehalten von einer goldenen Kordel. Meine Großtante glättet das Papier und rückt ihre Lesebrille gerade.

1944
Alle Familien im Haus waren evakuiert. Nur meine Familie war geblieben. Unser Haus war mit Soldaten belegt, da eine Flakeinheit in der Nähe stationiert war. Während der Luftangriffe verbrachten wir viele Stunden im Keller. Wir hatten keine Zutaten, um zu backen. Das hörte ein Soldat, dessen Eltern in der Nähe einen Bauernhof hatten. Er besorgte Mehl, Zucker, Eier und Butter. Wir waren überglücklich und backten mit Hilfe von Mama große Schüsseln voll.

 1999
Mein kleiner Cousin hat einen Zimtstern mit vier Zacken in seiner Kinderhand vergessen. Auch den anderen Plätzchen sieht man an, dass sie von Kindern gebacken wurden. Dem Rentier fehlt der Kopf und der Nikolaus hat seinen Sack verloren. Meine Oma ist auf dem Sofa ganz nah an ihre lesende Schwester gerückt.

 1944
Meine Schwester war 13 Jahre alt und hatte mehrere Verehrer. Hans kam aus Wien. Er spielte Gitarre und wir alle sangen dazu. Mama hatte einen schönen Alt, nur Papa war völlig unbegabt. Es waren noch zwei Tage bis Heilig Abend. Die Sirenen heulten. Ein schwerer Angriff folgte. Als wir aus dem Keller kamen, konnten wir es kaum fassen; unter den Toten war unser Hans aus Wien.

2020
Vor der Einkaufspassage sitzt ein junger Mann. Er trägt eine Maske und einen Handschuh. Der andere Arm fehlt ihm von der Schulter abwärts. Ob es auch Leute gibt, die Weihnachten im Krieg verbringen, will meine Tochter wissen. Wir können dieses Jahr nicht mit der ganzen Familie feiern. Aber vielleicht schenke ich meiner Tochter zu Weihnachten eine Geschichte.

(Ich danke meiner Großtante Maria Iwanicki, der Urheberin des kursiven Textes.)

Ein Beitrag aus der Reihe Alles war perfekt gewesen – Texte zu Weihnachten.

Echte Fichte

Jetzt pass doch. Schleich nicht immer so. Fast wäre ich auf dich. Wenn du schon. Machst du bitte die Balkontür? Schnell, ich trage den ganzen Schnee ins. Ok, aber. Nur einen Blick und dann. Nicht dass du dir wieder eine Mandelentzündung. Ist sie nicht? Echte Fichte. Sonst hatten sie nur noch Kiefern und. Aus den Karpaten. Aber sie sprachen doch reinstes. Warte kurz. Nächstes Jahr. Ich sagte, warte. Die Erwachsenen müssen kurz. Okay, nächstes Jahr kannst du selbst. Kannst du nicht fünf Minuten allein? Meine. Meinetwegen mit Geigerzähler. Raus hier, hab ich doch schon. Du bist viel zu. Zieh dir was. Ich kann nicht schon wieder. Wegen dir verliere ich noch meine. Nur weil du dich nicht. Was bist du nur für ein. Kannst du nicht ein bisschen. Mir. Genug. Auf dein. Sofort.

Ein Beitrag aus der Reihe Alles war perfekt gewesen – Texte zu Weihnachten.

Das letzte Geschenk

Mutter sitzt am Tisch. Vater sitzt am Tisch. Ich reibe mir die Augen. Tatsächlich, beide sind da. Der eine blickt zum Weihnachtsbaum, die andere auf die Tischfläche, darauf befinden sich: Ein dampfender Suppentopf, Teller und Besteck, Päckchen, weisse Couverts. Die Couverts sind so hell, dass es in meinen Augen schmerzt. Vater dreht den Kopf zu mir, er lächelt, ich gehe auf ihn zu. Rieche seinen Pullover, fühle die kratzige Wolle an meinem Gesicht, als ich mich an ihn schmiege.

Das grössere Fest beginnt erst, als Vater nicht mehr bei uns ist. Menschen gehen ein und aus, Verwandte, Freunde. Gesungen wird beschwingter, das Geschenkpapier knistert lauter, die Mahlzeiten sind üppiger.

Das letzte Geschenk, das ich von ihm erhalte: Briefpapier mit Sonnenblumen drauf.

Ein Beitrag aus der Reihe Alles war perfekt gewesen – Texte zu Weihnachten.

Unsere Kirche

Der dunkelbraune Holzboden schwingt und knarrt, als wir uns der freien Bank auf der Empore nähern. Schnell lassen wir uns nieder. Die Schwester zwischen den Eltern, ich außen, neben der Mutter. Wenn ich mich ein bisschen recke, kann ich gerade noch hinunter zum Altarraum schauen, wo gleich die Weihnachtsgeschichte verlesen wird. Meine beste Freundin sitzt mit ihrer Familie im gleichen Block und ich winke den zwei Jungs aus meiner Klasse zu, die gegenüber auf der anderen Empore sind. Wie schön unsere Kirche ist. Sie ist alt und eine der größten der Umgebung. Unten in der Mitte teilt ein breiter Gang den Block mit den seitlichen Bankreihen von dem hinteren Block, in dem die Reihen nach vorne gerichtet sind und wo wir nie sitzen. Dort, in der Lücke, steht der drei Meter hohe Weihnachtsbaum, geschmückt mit echten Kerzen, Strohsternen und roten Bändern. Auch der Papierstern mit seinen unzähligen gelb-weißen Spitzen, der von der gebogenen Decke hängt, ist der größte, den ich je gesehen habe. Unser Pastor besteigt in seinem langen Gewand die Kanzel. Wir sehen ihn von oben im Profil und seine volle Stimme erinnert mich an den Sprecher von Benjamin Blümchen. Wie es wohl ist, dort ganz alleine zu stehen und vor so vielen Menschen zu sprechen? – Nachdem ich mit der Gemeinde, begleitet von der Orgel und dem festlichen Bläserchor, „Vom Himmel hoch“ gesungen habe, denke ich an die Bescherung, die gleich zu Hause folgen wird, kann es kaum erwarten und möchte trotzdem am liebsten die Zeit anhalten.

Ein Beitrag aus der Reihe Alles war perfekt gewesen – Texte zu Weihnachten.

der große bär

ich ahnte nichts
von der kraft
die sie dieses fest kostete, sie allein
mutter von drei kindern.
alles war perfekt gewesen
die lichter am baum
das essen, die geschenke vor allem,
den großen bären hatte ich
im wohnzimmer vergessen.
noch heute ruht er
im bett einer meiner drei kinder.
sie saß da auf dem sofa, allein.
ich rief ihren namen, mama,
klagend, ich verstand nicht
wo kam es so plötzlich her,
das heulende elend vor mir.
alles war perfekt gewesen.
sie schrie mich an,
bitte verschwinde, lass mich allein.
heute wünsche ich mir
nichts mehr, als dieses fest wieder
mit ihr zu verbringen,
weinend, arm im arm.

Ein Beitrag aus der Reihe Alles war perfekt gewesen – Texte zu Weihnachten.

Other Artists: Annegret Soltau

 

Annegret Soltau wurde 1946 als uneheliches Kind eines unbekannt bleibenden Vaters in Lüneburg geboren. Von den Dorfbewohnern der Umgebung als Wechselbalg bezeichnet, wuchs sie bei ihrer Großmutter auf. In den frühen Sechzigerjahren verließ Annegret Soltau die Provinz, um schließlich in Hamburg und später in Wien Bildende Kunst zu studieren.
Bereits 1975 löste Annegret Soltau sich von traditionelleren Techniken und entwickelte die Verfahren der Fotoübernähung, Fotovernähung und Fotoradierung. Inhaltlich fußt Annegret Soltaus künstlerische Arbeit seit jeher auf der ständigen Auseinandersetzung mit dem Selbst, in seinen polar erscheinenden wie auch nach Einheit strebenden Teilelementen Körper und Geist und dessen Verknüpfungen und Relationen. Die ihr Werk bestimmenden Themen sind Generationsfolgen, das Alter, Gewalt, das Bild des Körpers und die Suche nach den eigenen Wurzeln.
1978 brachte Annegret Soltau eine Tochter, 1980 einen Sohn zur Welt. Bereits zu Beginn ihrer ersten Schwangerschaft war sie sich der Bedrohung, die ein Kind für ihre Arbeit als Künstlerin darstellen würde, in besonderem Maße bewußt – war es doch zu jener Zeit so, dass die Entscheidung für ein Kind beinahe unweigerlich dazu führte, dass man sich aus dem aktiven Künstlerinnenleben zurückzog, und Mutterschaft somit auch mit dem Verlust des eigenen künstlerischen Wirkens gleichzusetzen war.
In Video-Performances, Fotoarbeiten und großen Tableaus widmete sich Soltau den Schwangerschaften, Geburten und dem Aufwachsen der Kinder in Bezug zu ihrer eigenen Person und der Gesellschaft. Die künstlerische Auseinandersetzung mit der Problematik Kunst/Kinder beschäftigte Annegret Soltau über viele Jahre und wurde für sie zu einem existenziellen Thema.
Das künstlerische Werk Annegret Soltaus polarisiert: Obwohl ihre Arbeiten immer wieder skandalisiert und verboten wurden, wurde Soltau mit einer Vielzahl bedeutender Preise und Stipendien wie u. a. dem Stipendium der Villa Massimo in Rom, dem Maria-Sybilla-Merian-Preis oder dem Johann-Heinrich-Merck-Preis ausgezeichnet.

A Clean House

Auch wenn ich wusste, dass viele im Viertel mich nicht richtig verstehen würden, ließ ich meiner Wut letztendlich freien Lauf: Ich wollte nie mehr den blöden Spucki sehen müssen, auf dem eine rosige Fünfzigerjahrehausfrau begeistert eine Badewanne schrubbt, versehen mit dem Spruch A Clean House is a Sign of a Wasted Life. Ein Spucki ist kein Spucktuch für Babys; ein Spucki ist die Bezeichnung für einen Aufkleber, über den politische Einstellungen und wichtige Informationen weitergegeben werden, vermutlich ein Erbstück aus der westdeutschen Hausbesetzer_innenszene, also ursprünglich subversiv oder zumindest alternativ, anzutreffen an Laternenmasten, Schaufensterscheiben, öffentlichen Toiletten.
Meine Wut auf diesen Clean House-Spucki baute sich wellenartig auf. Zunächst regte sie sich in Widersprüchen und richtete sich gegen nichts Konkretes – vielleicht eine rein affektive Reaktion auf diese mit Vehemenz sicher zu verurteilende Darstellung des Hausfrauentums. Diese Frau durfte niemand gut finden. Allein die Farben machten mürbe, dieses Weiß der Badewanne, dieser Rosastich der Haut, die gelben Kacheln und das Polizeigrün der Schrift. Aber dann: Diese Pin-up-light-Ästhetik. Wie sonst ließe sich die dezente Anzüglichkeit der Pose, der subtil laszive Blick erklären? Der ist zum Objektbilden gedacht. Das ist gar kein Mensch, sollte mir das sagen. Diese Hausfrau, die lebt nicht, die putzt nur jeden Tag diese Badewanne, weil es ihr einen riesigen Spaß macht.
Und dann setzten bei mir durch diese Pathosschicht, durch diese unerträglichen Farbtöne die anderen, etwas rationaleren Reaktionen ein. Spürte ich, wie ich begann, mich in dieser Dame, die ich nicht gut finden durfte, heimlich wiederzuerkennen: war doch, immer eindeutiger, wohl ich gemeint. Aber nicht als ich-ich, sondern mein Ich als putzende Hausfrau. An meiner heimlichen Einswerdung mit der Putzenden konnte ich zu allem Frust auch noch kaum etwas Verkehrtes entdecken, schließlich verwandelte ich mich unverhohlen mehrmals am Tag, jeden Tag in diese Frau. Zwar sah ich dabei nicht so aus wie die sie; aber ganz anders eben auch nicht.
Daraufhin wurde die Wut in mir noch größer und klarer. Was hieß denn hier: Ein sauberes Haus ist ein Zeichen eines verschwendeten Lebens? Als würde die Frau wirklich aus reinem Verlangen das Bad wienern. Als wäre es meine innerste Berufung, den Schmutz und Dreck und damit auch die Viren und die Bazillen und die Mikroben und Durchfälle und Grippen und Gerstenkörner und Pickel und Entzündungen und rote Stellen und alles Wunde und Krumme und Schiefe und das Versehrte und das wirklich Nervige, das man aussitzen muss und nicht anders kurieren kann, und das alles entfernen und wieder richten und ganz machen, heilen, verbinden und nähen, ich, davor die F_rauen in den Generationen vor mir, jeden Tag für mich und für andere, vor allem für all die Kinder, aber genauso für die Älteren und Gebrechlicheren und Kaputten, und andere müssen nicht nur die zum eigenen inneren Kreis gehörenden Leute, nein, auch ganz weit weg von denen, ganz fremde Wannen von wiederum Damen, die überhaupt nichts mit ein_er zu tun haben, die ganze Zeit, und dann am Ende kam jemand, wohl kaum eine F_rau, und schrieb da so hin: A Clean House is a Sign of a Wasted Life – also schrieb im Grunde hin: Diese Aufrechterhaltung eines Hygienemindestmaßes zur Wahrung der Zivilisation ist verschwendete Lebenszeit.
Ich wollte nie mehr diesen Spucki sehen müssen. Also riss ich ihn in kleinste Stücke vom Schaufenster der Metzgerei in der Parallelstraße, am helllichten Tage, die andern glotzten, und kratze ihn, Solidarität muss praktisch werden, überall runter, wo ich ihn fand (und das war häufig). Und ich werde ihn runterschaben in Hirnen, in Worten und in Taten, hier und anderswo, und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Vom Schreiben zum Kind und andersherum

Das Schreiben mit einem sehr kleinen Kind war eine hochkonzentrierte Angelegenheit. Damals, als wir den Sommer über zur Zwischenmiete in Zürich wohnten, C. wieder morgens und abends arbeitete und ich unser Kind den Tag über durch diese so reiche und ordentliche Stadt schob, immer irgendein hochkulturelles Hörspiel im Ohr, der Mann ohne Eigenschaften oder die Ästhetik des Widerstands – wahrscheinlich um einen Mangel zu kompensieren, es war aber auch einfach gute Unterhaltung –, wie konzentriert ich dann war, in der einen Stunde Mittagsschlaf und wieder ab halb acht, wenn H. schlief. Er schlief ja immer sehr ruhig, sehr zuverlässig, schlief schnell und ohne großen Kampf ein, oft auf meiner Brust, während ich sehr leise über Kopfhörer diese großartigen Hörspiele weiterhörte, an Ulrichs Seite durch Kakanien schlenderte oder durch die Augen der deutschen Arbeiterschaft den Pergamon-Altar betrachtete. Wenn sich seine Hand, die sich an einen meiner Finger festklammerte, lockerte, wusste ich, dass er eingeschlafen war, und kaum saß ich am Küchentisch, stellte ich eine halbe Stunde lang meinen Kopf vor Youtube komplett aus, trat wirklich in eine Art regenerativen Stumpfsinn ein, aus dem ich dann, als es endlich genug war, hochschrak und so unheimlich konzentriert anfing, zu schreiben. Ich überarbeitete mein Buch über Mohammed, ich schrieb die letzte Erzählung zum „bösen Menschen“. Diese Texte hatten dann nichts mehr mit meinem Kind zu tun, fanden an völlig anderen Orten statt, in Wüstengegenden oder einem Geisterdorf im Muldental. Ich hatte wirklich das Gefühl, mich in Mohammed hineinversetzen zu können, ich schrieb ihm Passagen an innerer Rede, und wusste nicht, ob schon das Blasphemie war. Oder ich ließ meinen Erzähler in der Prignitz aus dem Fenster steigen und mit einem Satz nach Amerika übersetzen. Und wenn H. dann doch einmal aufwachte, aufheulte, sofort irgendetwas wollte, riss es mich zurück, in einer monströsen Sekunde wurde ich wieder der Verantwortliche für ein Kind, mein Kind, für H.; beruhigend säuselte ich ihm ernstgemeinte Elternfloskeln ins Ohr, während er an seinem Fläschchen saugte, mit geschlossenen Augen, und diese winzigen Piepstöne von sich gab, atemberaubende Töne, reinste Zauberei, umwerfend, dieses Kindchen, hin und weg war ich, vom Schreiben zum Kind und andersherum.

„pfeilend“ – Texte zu Celans Gedicht „Für Eric“

Im Nachlass des Dichters Paul Celan, der in diesem November 100 geworden wäre, findet sich das Gedicht „Für Eric“. Dem Sohn gewidmet, lässt Celan darin Bilder der Gewalt gegen Kinder – gegen sich selbst? –  und der Identifikation aufblitzen: „hält die Zeit sich die jähe / rebellische Waage // ganz wie du, mein Sohn, / meine mit dir pfeilende / Hand“. Wer verübt hier was an wem? Wer ist Kind, wer Vater? An der Textreihe, die diesem Gedicht gewidmet ist, beteiligten sich Eva Brunner, Dmitrij Gawrisch, Linn Penelope Micklitz, Selim Özdogan, Barbara Peveling und Sibylla Vricic Hausmann. Es geht in ihren Texten darum, wie sich Eltern in den eigenen Kindern wiedererkennen, wie sie sich selbst und wie sie ihr Kind behandeln (können). Ist es möglich, das Kind auch dort zu unterstützen, wo eigene Verletzungen verborgen sind? (Und nur darauf warten „vererbt“ zu werden?) Oder bleibt, wie Linn Penelope Micklitz schreibt, am Ende doch „alles beim alten“?

halbmond, stürzen von Linn Penelope Micklitz
Ganz wie du von Eva Brunner
Zusätzlicher Förderbedarf von Dmitrij Gawrisch
statu nascendi von Barbara Peveling
Verpass nichts von Selim Özdogan
meine mit dir seiende Hand von Sibylla Vričić Hausmann