Residencies with Care: Jul Gordon

Warum hast du dich auf das Hamburger Residenzstipendium „Parents in Arts“ beworben?

Jul Gordon: In meinem Arbeitsalltag fehlt oft die Zeit, um mehrere Tage am Stück konzentriert an etwas zu arbeiten. Administrative Aufgaben, Geld verdienen und Care-Arbeit – das alles beansprucht einen großen Teil meiner Kapazitäten. Oft scheint alles dringender, als an einem Comic weiterzuarbeiten. Während des Stipendiums gab es die Möglichkeit, fokussiert zu arbeiten. Auch dass das Stipendium nicht nur einen kostenlosen Raum, sondern auch Geld bietet, ist wichtig für die Machbarkeit. Ein weiterer Faktor für meine Entscheidung war, dass die Bewerbung eher unaufwändig ist. Bewerbungen gehören zur unbezahlten, aber nötigen Arbeit für freiberufliche Künstler*innen. Aufwändige Bewerbungsverfahren kann ich mir neben der unbezahlten Arbeit, die ich ohnehin zu tun habe, zeitlich oft nicht einrichten.

 

Warum sind Stipendien dieser Art wichtig?

Jul Gordon: Künstler*innen und Autor*innen brauchen fokussierte Phasen. Personen, die Care-Arbeit leisten, fällt es oft noch schwerer, sich solche Phasen einzurichten. Stipendien wie „Parents in Arts“ ermöglichen, dass sich auch die Perspektiven von Personen entfalten können, die Care-Arbeit leisten, und tragen so zur Diversität in der kulturellen Landschaft bei. Von mir wird während des Stipendiums erwartet, dass ich meine künstlerische Arbeit voranbringe und dass sie für den Zeitraum im Mittelpunkt steht. Diese Legitimierung von außen hilft auf materieller und psychischer Ebene, die Arbeit machen zu können.

 

Jul Gordon war 2024 Stipendiatin des „Parents in Arts“-Stipendiums der Hamburger Behörde für Kultur und Medien.

 

 

Residencies with Care: Yara Jakobs

Warum hast du dich auf das Hamburger Residenzstipendium „Parents in Arts“ beworben?

Yara Jakobs: Als ich das Stipendium gefunden habe, dachte ich: eine einzigartige Möglichkeit, künstlerisch zu arbeiten und meinen Sohn dabeizuhaben. Ich kann zeichnen, schreiben, und er darf Teil sein, juchhe.

 

Wie war die Residenz für dich?

Yara Jakobs: Bereichernd, Freundschaften wurden geschlossen, das Buch ist gewachsen.

 

Woran hast du während der Residenz gearbeitet?

Yara Jakobs: Ich habe ein Kapitel meiner Novelle „Rolle, Rolle, Rolle“ fertiggestellt, in der es um den Spagat zwischen den Identitäten einer Working Mom geht.

 

Warum sind Stipendien dieser Art wichtig?

Yara Jakobs: Weil Kinder zum Leben, zur Kunst und Kultur gehören! Sie verdienen einen Platz und wir unsere Zeit, um zu arbeiten.

 

Yara Jakobs war 2024 Stipendiatin des „Parents in Arts“-Stipendiums der Hamburger Behörde für Kultur und Medien.

 

 

Residencies with Care: Sascha Preiß

Warum hast du dich auf das Hamburger Residenzstipendium „Parents in Arts“ beworben?

Sascha Preiß: Vor allem wollte ich, dass sich möglichst viele Eltern auf das Stipendium bewerben, damit man schon an der Bewerber*innenzahl sieht, wie wichtig ein altersunbeschränktes Stipendium explizit für Eltern ist, wie sehr das fehlt bzw. wie wenig Eltern im künstlerischen Betrieb mitgedacht und oft genug ausgeschlossen werden. Ich habe gar nicht so sehr an mich selbst gedacht. Zugleich betrifft es genau meine Situation: in Trennung lebend, zwei Kinder, die ich mehrheitlich betreue, eines mit Behinderung und Pflegegrad, da sind lange Abwesenheiten schlicht nicht möglich, abgesehen davon, dass sie finanziell nicht zu stemmen sind. Klar habe ich mich enorm gefreut, als ich einen Platz zugesprochen bekam, aber noch mehr habe ich mich für die Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit des Programms selbst und der Idee dahinter gefreut – also Riesendank an die Initiatorinnen!

 

Wie war die Residenz für dich?

Sascha Preiß: Der Aufenthalt im südwestbrandenburgischen Fleming war Natur pur und unglaubliche Ruhe, fürs Schreiben und oft auch nur fürs Lesen. Eines Abends kam sogar eine Schleiereule an mein Fenster geflogen und schaute neugierig herein. Meine Mutter war für die Zeit bei den Kindern, da musste ich mir keine Gedanken machen. Und dann die offene Zeit ohne die festen Tagesrhythmen des Alltags, man schafft sich neue, aber kann diese wesentlich flexibler ausgestalten. Überhaupt: die Abwesenheit des Alltags, was den Gedanken Zeit und Raum gibt, sich kontinuierlich mit dem Text zu beschäftigen, mit einer Stelle, manchmal nur einer Formulierung. Diese Kontinuität des Arbeitens ist für mich das Entscheidende, was das Stipendium ermöglicht hat.

 

Woran hast du während der Residenz gearbeitet?

Sascha Preiß: An einem Roman über meinen verstorbenen Bruder.

 

Warum sind Stipendien dieser Art wichtig?

Sascha Preiß: Künstler*innen mit Kindern werden oft genug bei Aufenthaltsstipendien implizit, gelegentlich auch explizit ausgeschlossen. Das kann durch die Anwesenheitspflicht sein, das häufig genannte Besuchsverbot in Residenzen, die Länge von Residenzen (welche Eltern können ihre kleineren oder schulpflichtigen Kinder mal eben ein halbes Jahr allein lassen?) oder die oft schmale Vergütung, mit der eine zusätzliche Kinderbetreuung nicht möglich ist. Insbesondere für Alleinerziehende, mehrheitlich Frauen, sind solche Programme komplett unrealistisch. Was dazu führt, dass Eltern weniger künstlerisch arbeiten können oder nur mit besonderem Mehraufwand, dadurch weniger sichtbar sind. Vor allem für bildende Künstler*innen kann das eine abgebrochene Laufbahn bedeuten. Künstler*innen mit Kindern explizit anzusprechen und ihnen Freiräume zu geben, damit sie künstlerisch arbeiten können und von der Sorgearbeit einmal zurücktreten können, das fand bisher so gut wie gar nicht statt.

 

Sascha Preiß war 2024 Stipendiat des „Parents in Arts“-Stipendiums der Hamburger Behörde für Kultur und Medien.