Fieber

Zwei Dinge glaubten wir besiegt zu haben: die Grippe und den Winter. Wir waren alle zusammen mit dem Fahrrad nach Feggendorf gefahren. Patrick mit den beiden Kindern im Anhänger. Ich leicht wie nie auf meinem neuen weißen Mountainbike (Pacific). Das Bergauffahren bereitete mir keine Mühe. Ich hatte mir die lange Strecke in den Kindergarten, aufsteigend bis zum Wald, unüberwindbar vorgestellt. (Patricks Weisheit: „Mit einer guten Gangschaltung ist alles möglich.“) Oben angekommen: schwerer Abschied. Ich ahnte nicht, dass B. krank war.
Erst als ich ihn nach dem Mittagsschlaf ins Wohnzimmer holte, er war auf dem Nachhauseweg eingeschlafen, spürte ich, dass etwas nicht stimmte. Er weinte, ließ sich nicht beruhigen. Ich durfte ihn kaum berühren. „Das tut weh!“ „Aber was? Was tut dir weh?“ Reglos lag er im Schneeanzug auf der Ofenbank. Ausziehen durfte ich ihn nicht. Das Gesicht glühte, der Kopf. 40 Fieber. Er war doch gerade erst gesund gewesen. Waren wir am Morgen mit der Gewissheit aufs Fahrrad gestiegen, der Frühling wäre jetzt da, fielen nun vor dem Fenster dicke Schneeflocken. Sie wirbelten feierlich vom Himmel herab durch die Sonne, als würde es zum ersten Mal in diesem Winter schneien. B. lag schnell atmend auf dem Sofa. Patrick saß am Fußende, ein Buch in der Hand. Ich hatte H. bei mir, der lächelte und, wie immer, so glücklich war darüber, am Leben zu sein. Wir waren alle zusammen in diesem Wohnzimmer. Die Welt schien noch weiter von uns wegzurücken. Der Schnee vereinte Sicht und Geräusche. Und als Patrick von seinem Buch aufsah, lächelten wir uns zu, in dem geteilten Gefühl einer großen Veränderung, die wir beide gespannt inmitten dieser großen Ruhe erwarteten. Ich schaute mir B. an. Er schlief. Seine geröteten Wangen. Sein weißes Haar. Die vorgewölbte Oberlippe. Der flackernde Atem, der die Zerbrechlichkeit jeder Gewissheit in unser Wohnzimmer trug, uns wachsam bleiben ließ, unsere Sinne schärfte für das, was leicht versinkt und dann nie wieder heraufzuholen ist.
Festhalten, dachte ich, festhalten!