Waschen

Ich kann nur schreiben, wenn die Waschmaschine läuft. Sobald die Kinder weg sind und meine Schreibzeit, die wirklich rar ist, beginnen könnte, sortiere ich erst noch 30 Grad und 60 Grad und Wolle. Es gibt immer Wäsche; die Maschine ist jedes Mal voll genug, um ihr Einschalten zu rechtfertigen. Aber ich frage mich seit Jahren, warum ich das Wäschewaschen in meine Arbeitssphäre vordringen lasse, wo ich diesen Bereich doch sonst mit scharfen, mit schärfsten Krallen verteidige.
Beim Anheben des Korbs ärgere ich mich, beim Einfüllen des Pulvers, beim Hineinstopfen der Kleider in die Trommel. Ich ärgere mich. Ich werde hektisch, weil ich ja schon längst arbeiten könnte, schon seit zehn Minuten mindestens, und in zwei Stunden werde ich die Wäsche auch noch aufhängen müssen – was länger dauert als das bloße Anstellen.
Neulich las ich Kathryn Chetkovichs Essay „Neid“ (aus dem Sammelband „Schreibtisch mit Aussicht“). Darin erzählt Chetkovich nicht nur, wie es ist, Schriftstellerin zu sein, sondern auch, wie es ist, weniger erfolgreich zu sein als Jonathan Franzen. Chetkovich ist Franzens Lebensgefährtin. Sie schreibt so mutig-ehrlich, dass mir beim Lesen die Tränen kamen.
In diesem Text erwähnt sie eine Freundin, mit der sie sich über ihre Sinn- und Schaffenskrisen austauscht. Durch einen Krankheitsfall in der Familie kommt die Freundin von einem Tag auf den nächsten nicht mehr zum Schreiben. Chetkovich über sie: „Ich höre die Angst und den Schmerz in ihrer Stimme, aber ich höre auch die Mobilisierung der Kräfte, das Listen-Machen und Essen-Kochen, das dankbare Anpacken. Natürlich hätte sie sich so etwas nie gewünscht, aber sie hat wieder eine Aufgabe; es ist klar, was getan werden muss, es ist klar, dass sie weiß, wie es geht, und dass sie gut darin ist. Sie krempelt die Ärmel hoch, (…) und es ist schwer zu argumentieren, dass irgendetwas auf der Welt wichtiger wäre.“
Ich dachte an meinen Tick. Und mir wurde klar, warum ich an meinen Arbeitstagen Wäsche wasche: Es beruhigt schlichtweg mein Gewissen. Obwohl ich ihr nun schon eine ganze Weile nachgehe, muss ich die schriftstellerische Arbeit noch immer vor mir selbst verteidigen. Als sinnvoll, als wertig, als wertiger als das „echte Machen“, als wertiger als das Für-andere-dasein. Als so wertig, dass ich dafür sogar meine Kinder „abgeben“ darf.
Während die Wäsche sauber wird, kann ich mir nicht mehr ganz so viel Egoismus vorwerfen. Ich tue ja wenigstens noch etwas „Richtiges“, anstatt nur darüber zu sinnieren, ob sich meine Protagonistin verlieben sollte (in die andere Protagonistin, deren Rhodesian Ridgeback vor ein paar Seiten gestorben ist).
Kurz tat mir meine Erkenntnis gut, aber sie ändert natürlich nichts. Ich kann nur schreiben, wenn die Waschmaschine läuft.