Just another cup of milk

Aus gegebenem Anlass frage ich mich schon eine ganze Weile, warum es von Seiten der Wissenschaft keinerlei Bestrebungen gibt, die Sorgearbeit des Stillens gleichberechtigt auf die zwei (oder mehr) Eltern zu verteilen. Bei einer Recherche bin ich lediglich auf »Seltenheiten«, »Raritäten« und »Exotisches« gestoßen. So wird ein Mann aus Indien angeführt, der, nach dem Versterben der Mutter, seine Kinder stillte. Weitere »Einzelfälle« sind bekannt, und auf Nachfrage in einschlägigen Blogs und Internetforen habe ich die Antwort erhalten, die eigenen Brustwarzen müssten nur eine längere Zeit gleichmäßig stimuliert und die Milchproduktion würde angeregt werden. Dabei gehen die Empfehlungen weit auseinander. Von zwei Wochen bis zu sechs Monaten ist die Rede. Auch bezüglich Richtung und Intensität der Massagebewegungen sind die Ratschläge uneindeutig. Einzelne Hebammen reagieren irritiert. Nachgefragt bei »Geburtsabteilungen« und »Neugeborenenstationen« einschlägiger Unikliniken bin ich jedes Mal auf Unverständnis gestoßen. Stillen, so habe ich gehört, sei ein gänzlich natürlicher Vorgang, sehr zum Wohl des Neugeborenen, und habe, im Idealfall, eine emotionale Bindung zur Folge.
Im Konkreten heißt das, dass die Forschung sich weigert, sich mit diesem Thema zu befasst. Warum dies so ist, dafür gibt es unterschiedliche Antworten. Die erste – dass es aus hormoneller Sicht zu Komplikationen führt, sollte Mann z.B. sich einer Hormonellenbehandlung unterziehen, um die Milchproduktion anzuregen – ist als ausweichend zu klassifizieren. Andere hormonelle Behandlungen (z.B. die berühmte »Freiheit der Frau«, bezeichnet als »die Pille«) sind seit Jahrzehnten Praxis und werden von Teilen der Wissenschaft hartnäckig verteidigt. Bei der weiteren Nachforschung zu dem Thema stößt man(n) dann auf die Antwort, dass es Bedenken darüber gibt, weitere Forschung auf diesem Gebiet zu betrieben, da »nicht ausgeschlossen werden kann, dass nach einer solchen Behandlung, nachdem sich also funktionsfähige Brüste beim Mann entwickelt haben, es zu Komplikationen bei der Rückbildung führen könnte«. Konkret heißt das, dass Vorbehalte bestehen, Männern (in diesem Fall (biologischen) Vätern) zuzumuten, dass sie für »eine geraume Zeitspanne« Brüste hätten.
Einzig bleibt der Schluss zulässig, dass es auf Grund einer patriarchalen Struktur innerhalb des Forschungsfeldes, entsprechend einer gesellschaftlichen Gesamtsituation, zu keinerlei Veränderungen kommt. Dass diese Rechtfertigungsstrategie nach wie vor biologistischen Narrativen in Hinblick auf Sorgearbeit und konkret bei der Betreuung von (Kleinst)Kindern Vorschub leistet, ist augenscheinlich. Es wird Zeit, dass wir uns alle (!) von unserer sogenannten Natur emanzipieren und gerade im Bereich der Sorgearbeit für mehr Gleichberechtigung kämpfen. Brüste mit Milch für alle!