postkarten ans känguru

es ist donnerstagabend und diesmal weiß ich es so genau, weil alles jetzt immer ein wenig anders ist. ernster. schwerer. nicht viel, aber bemerkbar. deutlich. es fängt morgens an: ich stehe auf, mache kaffee, brote für die kinder. beinahe hätte ich vergessen, wie das geht. wie es sich anfühlt. halbverschlafen in der küche zu stehen. mit sätzen, die noch oder schon in mir stecken. die ich geschrieben habe oder schreiben werde. die ich irgendwo schnell hingekritzelt habe, in bücher, auf zeitungen, notizhefte, damit ich sie nicht vergesse. damit das bild bleibt. und einmal mehr wird mir klar, wie sehr ich im schreiben mit konkreten bildern arbeite. und was das für eine bildreiche zeit ist, in der wir leben. und ob mein kopf dafür ausreichen wird, all das zu sammeln, zu verarbeiten, das beschäftigt mich. auch, wie all die andern das machen. um uns, überhaupt, alle andern. ich frage die kinder, ob sie ihre masken haben. jeden morgen. sie nicken, ich nicke, nehme sie in den arm. stelle mir vor, wie sie gleich im klassenraum sitzen werden. nebeneinander. mehr als 25 kinder. eine maske neben der andern. wie im betonkasten die hitze aufziehen wird, die fenster, dünn, alt, aus den 70ern, nichts dagegensetzen werden. wie ihre stimmen in der maske hängen bleiben, leiser werden. dass eine stunde jetzt manchmal nur die hälfte dauert, auch daran denke ich. dass wir die zeit einfach teilen, so wie wir gerade so vieles teilen. bewusst. unbewusst.
ich würde mich gern kurz ans känguru lehnen. ein schnapspralinchen in mich werfen, einen witz dazu, irgendetwas. oder mit seinem boxsack durch den tag schaukeln, auch das wäre gut. aber das känguru ist nicht mehr da. es ist ausgezogen, die couch ein ruhiger ort geworden. immer noch eine insel, aber anders. die länder um uns ändern sich. land of stories. quality land. immer noch sitzt ein kichern mit auf der couch, manchmal ein kurzes, befreiendes auflachen, manchmal aber eben auch nicht. dazwischen: heinrich von kleist mit seiner marquise von o … und manchmal fragt juli, wie das werden wird. ihr abitur. jetzt, in diesen zeiten. und keiner von uns, der eine antwort weiß.
und ich, die ich fürs neue projekt über wahnsinn und gesellschaft lese, in neuen begriffslandschaften unterwegs bin, aufenthalt in einem irren haus, mich manchmal in diesen vielen geschichten verliere, nach einem rand suche, nach dem rand des eigenen körpers, dem rand des tages, wenn nur jeder Mensch jemanden hat, der nach ihm sieht, auch das lese ich, lese es bei helga m. novak, die mir eine liebe begleitung wird, die schraffur ihrer sprache, geselliges beisammensein, und ich schreibe jetzt postkarten, so enden die tage, meistens, schreibe postkarten an mich, ans innere, ans äußere, an meine eltern, an freunde, ans literaturhaus, ich fahre durch eine Postkarte, lese ich bei friederike mayröcker, du hast immer etwas zu liebkosen das bringt Glück, Derrida, hm,
und es ist donnerstagabend und diesmal weiß ich es so genau, weil alles jetzt immer ein wenig anders ist. ernster. schwerer. nicht viel, aber bemerkbar. und weil ich ans känguru schreibe. einfach so. dass noch platz sei. hier auf der couch, neben der marquise von o …, zwischen uns.