Traum II

Anne träumt: Sie öffnet den Kühlschrank, holt Käse, Salami, Tomaten heraus. Im Kinderzimmer surrt schon wieder das ferngesteuerte Auto, Anne hasst dieses Geräusch. Als sie die Butterdose auf den Tisch stellt, rutscht der Deckel herunter. Er fällt auf den Stuhl und von dort auf die Fliesen, und es ist seltsam leise, wie er in drei fast gleich große Teile zerbricht.
Anne will sich bücken, verschiebt es aber auf später. Stattdessen nimmt sie das Brot.
„Ich“, hört sie Liam im Kinderzimmer sagen.
„Kriegst du aber nicht“, sagt Junis.
„Ich“, beharrt Liam.
„Noch eine Minute“, ruft Anne. „Dann kriegt Liam die Fernbedienung. Alles klar, Junis?“
Im Kinderzimmer knallt etwas, Liam schreit, und Anne rutscht mit dem Brotmesser ab. Der Schnitt ist tief, tut aber nicht weh. Blut tropft auf das Brett, Anne wischt es mit dem Ärmel weg. Sie schneidet weiter, wirft die blutigen Scheiben in den Brotkorb. Sie will Milch eingießen, bekommt den Tetrapak mit der verletzten Hand aber nicht richtig zu fassen. Er fällt um, die Milch läuft auf den Boden. Annes Socken saugen sich voll.
„Eine Minute ist um“, ruft sie. „Liam ist jetzt dran, Junis, okay?“
Sie nimmt drei Teller aus dem Regal, zwei davon rutschen runter. Den dritten, vierten, fünften stellt sie auf den Tisch. Dass sie in eine Scherbe getreten ist, merkt sie nur daran, dass sich die Milch auf dem Fußboden rosa färbt. Sie fährt sich durch die Haare, etwas klebt darin, Butter oder noch mehr Blut oder vielleicht sogar etwas, was sie von draußen mit hereingebracht hat. Bei der Vorstellung muss sie lächeln, und als sie zwei Finger in den Frischkäse taucht und sich damit die Wangen schminkt, lacht sie laut.
„Abendessen ist fertig!“, ruft sie. „Liam? Junis? Kommt ihr bitte?“