Was macht Elternschaft zu einem literarisch interessanten Thema?
Sarah Heine: Elternschaft ist für uns ein interessantes Thema, da es eine Möglichkeit ist, gesellschaftliche Vielfalt darzustellen und Stereotype abzubauen. Über die Literatur können Menschen in Kontakt mit Vielfalt kommen und etwas über unsere vielfältige Gesellschaft lernen. In Bezug auf Elternschaft kann das das Kennenlernen unterschiedlicher Familienkonstellationen sein, wie zum Beispiel die literarische Erzählung über Kinder, die zwei Mütter oder zwei Väter haben, oder aber Kinder, die in Patchworkfamilien mit einer Vielzahl von Eltern aufwachsen. Gleichzeitig bietet das Thema Elternschaft die Möglichkeit, Stereotype aufzubrechen – Stereotype über Rollenverteilungen und darüber, was „gute“ Eltern ausmacht und wer als Eltern definiert wird.
Wieso beschäftigen sich derzeit so viele Neuerscheinungen mit Mutterschaft?
Sarah Heine: Wir denken, das Thema Mutterschaft rückt mehr in den Fokus, da Mütter ihre Rolle selbst definieren wollen. Sie wollen ihre Geschichten erzählen und damit die Deutungshoheit über ihre Rolle zurückgewinnen. Gleichzeitig bringt das Aufbrechen der alten Rollen Unsicherheiten bei Müttern mit sich, was das Thema zusätzlich literarisch relevant macht. Das Thema Vaterschaft wird nachziehen. Es gibt viele Väter, die es satthaben, als Hauptverdiener, starke Stütze etc. fremddefiniert zu werden, und ihre Stimme erheben, um andere Geschichten und andere Bilder über Väter in die Welt zu bringen. Und es gibt ja auch noch viele Menschen mit Kindern, die nicht als Mütter oder Väter definiert werden, es aber doch sind. Auch diese Personen werden zunehmend in der Literatur sichtbar.
Wie werden solche Bücher aufgenommen, was sind Ihre Erfahrungen?
Sarah Heine: Die Menschen, die ich kenne, lesen Bücher zu Elternschaft, weil sie auf der Suche nach neuen Wegen sind. Viele haben die alten Rollenbilder und Erwartungen satt und möchten einen Weg gehen, der besser zu ihnen und ihren individuellen Lebenssituationen passt. In Büchern suchen sie vor allem Inspiration und Identifikation. Das macht auch Literatur so interessant, die von Stereotypen abweicht. Menschen sehnen sich danach, dass auch ihre individuelle Position dargestellt wird. Diese Rückmeldung haben wir auch zum KINDERSTARK MAGAZIN. Menschen sind dankbar, dass es endlich ein Kindermagazin gibt, dass auch ihre eigenen Kinder abbildet und nicht das immer gleiche Stereotyp.
Sarah Heine, Kulturwissenschaftlerin. Seit 2021 Herausgeberin des KINDERSTARK MAGAZINs, wohnt in Berlin. Ihr Kind kam 2013 zur Welt.