Es ist Mittwoch oder Donnerstag. Die Assistentin eines wichtigen Verlagsbosses, der für seine links engagierten Positionen bekannt ist, schreibt dich an. Sie fragt, ob du Zeit hättest, ein Manuskript in einer fremden Sprache zu lesen und ein Gutachten für sie zu schreiben. Du musst bis Ende der Woche eine wichtige Bewerbung für ein Stipendium abschliessen und eine Übersetzung abgeben. Du hättest also am Anfang der nächsten Woche Zeit. Es ist aber dringend, erwidert sie und schickt dir gleich das Manuskript mit, du hättest ja Interesse geäußert. Du könntest das Gutachten am Dienstag abgeben, sagst du. Das wird zu knapp, sagt sie: Am Montag wird dich schon der Verlagsboss anrufen, um deinen Eindruck zum Text zu hören. Schwierig, denkst du. Am Montag hast du nämlich deinen Sohn, schreibst du ihr, worauf du keine Antwort erhältst. Du beschließt also, Gas (Turbo, Diesel …) zu geben, und bist schon am Freitagvormittag mit dem Stipendiumsdossier fertig. Am Freitagnachmittag liest du das Manuskript und schreibst der Verlagsassistentin, du könntest ihr bereits an diesem Tag einen ersten Eindruck vermitteln. Sobald du fertig gelesen hast, sollst du sie anrufen, sagt sie. Um 17 Uhr rufst du an. Sie bedankt sich. Der eigentliche Anruf, der Anruf vom Verlagsboss, der am Freitag um fünf nicht mehr im Büro ist, steht aber noch aus. Er wird am Montag anrufen, verkündet sie. Am Samstag sind dein Freund und du zwar mit dem Kind alleine, du bringst aber trotzdem die Übersetzung zu Ende. Am Sonntag schreibst du das Gutachten zum Manuskript, während das Kind schläft. Du schickst das Gutachten ab und betonst, du würdest nur am Montagvormittag erreichbar sein. Dein Freund entscheidet, am Morgen nicht arbeiten zu gehen, damit du den Anruf entgegennehmen kannst, es sei ja schließlich wichtig. Um 10 Uhr bekommst du eine Mail, sie bedankt sich. Sobald der Verlagsboss verfügbar sei, würde er anrufen. Also wartest du. Du wartest. Dein Freund wartet. Das Kind wartet. Am Nachmittag geht dein Freund schliesslich zur Arbeit. Du packst das Kind in seinen Kinderwagen. Ihr spaziert zur Tramhaltestelle. Es regnet. Du legst die Regenschutzhülle um den Kinderwagen, die das Kind aber immer wieder abreißt. Ihr sitzt an der Tramhaltestelle, er im Kinderwagen unter der halb heruntergerissenen Regenhaube, du auf der Bank und im Regen. Es ist fünfzehn Uhr. Dein Handy klingelt. Der Verlagsboss hat eine sympathische Stimme und fragt, ob der Moment gerade für dich günstig sei. – Ääh nein, nicht wirklich, entschuldigst du dich. In einer Stunde wäre es besser, in einer Stunde wird es bestimmt besser sein, antwortest du. Ihr fahrt zur Musikstunde. In der Musikstunde betreuen zwei Musiklehrerinnen fünf Babys und fünf Elternteile. Du fragst, ob du das Kind kurz mit den Betreuerinnen alleine lassen kannst. Du gehst aus der Musikschule raus in den Hof. Du rufst den Verlagsboss zurück. Ihr beginnt, das Manuskript zu besprechen, das du vielleicht übersetzen wirst. In dem Text geht es um häusliche Gewalt und Selbstermächtigung. Du verteidigst den Text aus einer feministischen Perspektive heraus. Drei Minuten später kommt die Musiklehrerin in den Hof und bittet dich, schnell wieder reinzukommen. Du machst dir Sorgen. Ist etwas mit deinem Kind? Der Verlagsboss redet weiter, er sieht nicht, dass du gleichzeitig flüsterst und Handpantomime machst, du antwortest „ja“, „nein“, irgendetwas, du hast keine Ahnung, was du antwortest. Du brichst den Anruf so schnell wie möglich ab und gehst wieder rein. Dein Kind spielt auf dem Teppich. Es geht ihm prächtig. Du fragst, was denn so dringend gewesen sei. Nichts, erwidert die Musiklehrerin: Sie fand einfach, du wärst schon zu lange weg.