Das Problem liegt woanders

Mittlerweile denke ich, das Problem liegt gar nicht so sehr im Schreiben, denn das kann man zur Not als charmant und authentisch verkaufen (und das müssen wir). In Wahrheit wurde das kurze Stück mit letzter Kraft direkt vorm Umfallen des Abends kreiert, falls hier kreiert das angemessene Wort ist, im Vertrauen darauf, dass man „seine Hausaufgaben gemacht hat“. Ja, genau. Die Hausaufgaben! Was war das noch mal? Da steht ganz oben: denken. Nachdenken, bevor man was schreibt. Eben nicht einfach mal so auf die Schnelle, wie es, tsss, jede Bloggerin kann (ha-ha), oder Oli Pocher, die arme Nudel. Mal hypen oder haten oder gleich ein Video aufnehmen, Abstieg, soziale Ächtung, Abgrund, das Nichts. Das will ich verhindern: Ich muss geistig richtig tätig sein, also richtig tief denken (heißt es angeblich), und um zu denken, muss ich lesen. Wer nicht liest, denkt schlecht, sagen wir einander. Aber wann soll ich lesen? Lesen fühlt sich am schlimmsten, am unproduktivsten, am nutzlosesten von allen Beschäftigungen an, denn ich lese Schönes. Gut, es gab einmal eine Zeit, da sollten Inhalt und Form zueinander finden wollen, also das Schöne auch nützlich sein. Lese ich bei Lu Märten, zum Beispiel. Aber dieser Anspruch ist schon länger her. Wie kann ich rechtfertigen, dass ich das lese, obwohl ich nicht muss? Die Sachen, die ich lesen muss, fühlen sich ein bisschen legitimer an, aber dadurch zählen sie nur halb, denn sie werfen einen Nutzen ab. Zweckloses Lesen ist also der härteste Brocken an der Geschichte mit dem Schreiben. Ich lese gern.