Take Care: Slata Roschal & Nora Zapf (I)

Mütter im Briefwechsel, das klingt seltsam, schon fast ein Oxymoron, also vorausgesetzt, es handelt sich nicht um Mutter und Tochter, die wiederum Mutter geworden, also um Mütter, die nicht im mütterlichen Verhältnis zueinanderstehen, selbst dann. Mütter haben wenig Zeit füreinander, weil sie überhaupt wenig Zeit haben oder genug beschäftigt sind damit, alles andere einigermaßen zu schaffen, es bilden sich ab und zu pragmatische Bekanntschaften auf Spielplätzen, über die Krippe, die Kita, den Hort, um die Freundschaften des eigenen Kindes zu pflegen, Babysitter zu organisieren, Erfahrungen, Beschwerden auszutauschen, aber dass Mütter einfach so einander schreiben …
Es ist schon surreal, was wir da machen.

Slata, 15.02.22

 

Surreal, wenn nicht sogar irre – jede Minute, ach Quatsch, Sekunde, befällt mich eine andere Art von Abwesenheit, bzw.: saugen mich Aufmerksamkeitssauger aus, als würde man immer wieder zwischendrin auf einer weichen warmen Decke sitzen, an die man sich ständig gewöhnt, die aber immer wieder plötzlich weggezogen wird: dann ist die Sicht verteilt im Raum, wo laute Trecker rattern, Kreischen und Juchzen werden durchs Zimmer getragen. Die Trecker fahren durch meine Gedanken und wühlen sie auf, erfrischen und erschweren sie ständig; aber nachher ist nichts übrig als eine UNaufmerksamkeit, eine ZERstreutheit. Dieser Brief wie eine ausgestreckte Hand in eine (neue) Konzentration.

Nora, 17.02.22

 

Aber ich habe noch nie so gut gearbeitet wie während der tristen Coronamonate mit Homeschooling, weil ich wusste, wenn ich mich wenigstens einmal ablenken sollte, was ja normalerweise ständig, also wenn ich nur einmal einfach so aufseufzen, aus dem Fenster starren, ein Zeichen dafür geben sollte, dass es alles doch nicht ernst sei, also dann wäre es sofort vorbei mit dem Schreiben, nur wenn ich es aushielte bis zur vereinbarten Zeit, möglichst ernst und angestrengt vor dem Bildschirm, dann könnte die Dissertation vielleicht beendet werden. Es heißt ja, Eltern wären die motiviertesten Arbeiter, weil die Arbeit, die sie sonst mit den Kindern erwarte, viel anstrengender sei.

Slata, 20.02.22