Same Work But Different: Janin Wölke

Hatte deine Mutterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf dein Buch? Welchen?

Janin Wölke: Rachel Cusk schrieb 2001 in ihrem Buch „Lebenswerk“: „In der Mutterschaft habe ich mich als rechtschaffener und schrecklicher erlebt, als so einbezogen in die Wunder und Schrecken dieser Welt, wie ich es aus der Anonymität der Kinderlosigkeit heraus nie für möglich gehalten hätte.(…) Die Ankunft eines Kindes hat mein Erleben von Literatur und Kultur im Allgemeinen zutiefst verändert in dem Sinn, dass ich das Konzept des künstlerischen Ausdrucks plötzlich verbindlicher und notwendiger fand als je zuvor, viel menschlicher in seinem Bestreben, zu erschaffen und zu gestalten.“

Diese Worte sprechen mir aus dem Herzen. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, in meinem neuen Gedichtband „unendlicher move“ weitreichender über all das zu schreiben, was einer Frau, Mutter, Tochter, Schwester, Ehefrau, Freundin, Lehrerin, Autorin widerfährt, denn es ist außerordentlich umfassend und am wichtigsten: dringlich sowie poetisch – und damit meine rilkesche und feministische Grenzerfahrung von Natur und Kunst.

Mein Buch beginnt mit dem programmatischen Songzitat von David Bowie: „Don’t stay in a sad place, where they don’t care how you are.“ Im Text geht es um Fürsorge gegenüber Kindern, wo findet sie statt, wo nicht, wie kann sie sein, wo sind ihre Grenzen. Nachdem die lyrische Erzählerin über die Wunden gesprochen hat, die sie als Kind erfahren und als Mutter zugefügt hat, sagt sie am Ende: „es ist ein stetes Üben“, ein „unendlicher move“, der ein nie endendes Reflektieren=Schreiben erfordert.

Mein Erfahrungshorizont liegt dem zugrunde: „Mein Erbarmen, mein allgemeines Mitgefühl mit der Menschheit läuft in einer einzigen Wunde zusammen, einer düsteren, wissenden Kerbe, geschlagen durch die Fähigkeit, einem anderen Leid anzutun“, auch das ein Zitat von Rachel Cusk.

Ich begann am „unendlichen move“ zu arbeiten, weil ich nicht mehr verstand, was um mich herum passierte. Die Kontrolle über mein Leben, über das Leben meiner Kinder schien mir verloren zu gehen. Es war der Sommer 2021, nach dem zweiten Lockdown. Ich konnte einfach nicht mehr, ich war kurz davor durchzubrennen – ich lasse die mehrfache Bedeutung dieses Wortes gern offen.

 

Was hast du gerade gemacht, als das Paket mit den Belegen eintraf?

Janin Wölke: Ich saß am Flughafen Berlin-Brandenburg auf dem Weg nach Oslo zu einem Treffen und einer Lesung mit norwegischen und deutschen Schriftsteller:innen. Ich habe mich sehr gefreut, als mein Mann mir ein Foto von dem riesigen Paket auf dem blauen Teppich im Flur schickte.

 

Stehst du wegen der vermehrter Schreibzeit oder nun kommender Lesungen in der Schuld anderer Familienmitglieder?

Janin Wölke: Oh ja, das Jahr 2024 hat Care-Schulden angehäuft. Aber da mein Mann schon länger ein relativ bekannter Schriftsteller ist, hatte er vorher schon so viele Schulden bei mir, dass wir jetzt quitt sind. Mindestens auch noch für 2025.

 

Von welchem*r Autor*in würdest du gerne einen Beitrag auf other-writers.de lesen?

Janin Wölke: Miranda July, wenn sie Kinder hätte?

 

Janin Wölkes Gedichtband „unendlicher move“ erschien im Februar 2025 im Elif Verlag.