Hatte deine Vaterschaft Einfluss auf die alltägliche Schreibarbeit? Welchen?
Sebastian Schmidt: Für das Schreiben des Buches habe ich die Zeit genutzt, die mir für die Literaturarbeit zur Verfügung steht, oder notfalls etwas getauscht oder mir Lücken gesucht. Während des Lektorats aber habe ich viel am Abend oder in der Nacht gemacht. Auf Dauer kein guter Zustand, zumal es sowohl bei der Sorgearbeit als auch beim Schreiben keinen richtigen Deckel gibt, kein wirkliches „fertig“.
Gibst du das Buch deinen Kindern oder Eltern zu lesen?
Meine Eltern haben es gelesen, wir sprechen aber wenig darüber, obwohl es durchaus Themen gäbe. Es liegt nicht am Buch selbst, sondern in unserer Historie, dass es uns schwerfällt, das Fehlen von Geld ist schon immer ein Schamthema. Aber schließlich geschieht ein Austausch für mich über Literatur, mit meinen Brüdern, meiner Partnerin oder Freund*innen. Das ist für mich auch in Ordnung. Meinen Kindern habe ich ein Exemplar geschenkt. A. (16) behandelt gerade Lyrik im Unterricht, aber es endet zeitlich mit der Aufgabe der klassischen Reimschemata, bestenfalls kommt noch ein Ernst Jandl, weil Lyrik auch lustig sein kann. Eine mögliche Herangehensweise an Texte wie meine wird nicht vermittelt. Das ist sehr schade und ändert sich hoffentlich irgendwann einmal.
Auf welches Stipendium hast du dich nicht beworben, weil du Kinder hast?
Mit einer Ausnahme habe ich mich 2024 tatsächlich für alle Residenzstipendien nicht beworben, für die ich eh noch nicht zu alt war. Es bleiben aktuell gerade nicht viele übrig. Ich kann zum einen meinen Brotjob nicht für länger als 2-3 Wochen verlassen und mit dem Schreiben allein reicht es nicht. Zum anderen wäre es für die anderen Sorgetragenden und auch die Kinder selbst gerade eine sehr große Zumutung. Die meisten Stipendien sind länger angelegt oder liegen in einer Zeit, in der die Kinderbetreuung ein Wegfahren nicht zulässt, weil zum Beispiel die Kita Schließtage hat.
Welches Stipendium würdest du auch mit Kind nicht ablehnen?
Das Istanbul-Stipendium der Kulturakademie Tarabya. Naja, ich würde es wahrscheinlich doch ablehnen müssen, der langen Laufzeit wegen (vier Monate), aber ich würde definitiv am längsten versuchen, es doch irgendwie zu realisieren.
Von welchem*r Autor*in würdest du gerne einen Beitrag auf other-writers.de lesen?
Ich würde generell gerne mehr Beiträge zum Thema Sorgearbeit von Autoren* lesen. Das Sichtbarmachen oder wenigstens die Offenlegung von zum Beispiel Vaterschaft ist für mich gerade im Bereich von Kulturschaffenden etwas ganz Politisches. Vaterschaft muss endlich in die in eine Selbstverständlichkeit als solche überführt werden, auch unter Schriftstellern.
Sebastian Schmidts Band „abtauchen, egal“ erschien im Januar 2025 im Verlag parasitenpresse, Köln.