Trennt euch doch!

Aber etwas Gutes hat das Getrenntsein, hatte ich dem befreundeten Kitavater geantwortet. Es war ein feuchter Herbstabend, längst dunkel, in jener Zeit, als Kinder noch gemeinsam durch die Straßen schwärmen und ihre bunten Laternen schwingen durften, rabimmel, rabammel, rabumm. Die mäandernde Masse aus Kindern und Eltern hatte unsere Söhne verschluckt, und der Vater und ich nutzten die plötzliche Stille für ein Gespräch unter Erwachsenen.
Er fragte, wo ich jetzt eigentlich wohnte.
Ich lächelte. Und erzählte, dass ich für die nächsten Monate eine Zwischenmiete in Mitte hätte, groß genug für Kind und mich … Und sonst? Der Kleine würde wieder in die Hose machen manchmal vermisse er seine Mama traurig und verletzt viel organisieren die Übergaben planen Unterhalt regeln streiten klar nach der Affäre es tue mir sehr leid das Kind sie auch ich.
Aber etwas Gutes hat das Getrenntsein, fügte ich dann noch an: Ich habe wieder Zeit für mich.
Als wir eine Familie zu planen begannen, war es für meine Ex-Partnerin und mich klar, dass wir unserem Kind gleich viel Zeit widmen wollen. Natürlich hatten wir, beide schreibende Freiberuflerinnen, die Möglichkeit, unsere Arbeit frei einzuteilen, bis in die Nacht und, wenn Deadlines es verlangten, auch darüber hinaus zu tippen und dafür ganze Tage auf dem Spielplatz oder im Zoo zu verbringen. An der halbhalben Aufteilung rüttelte die Trennung nicht.
Lange Jahre hatten wir unseren Sohn zwei Tage hier, zwei Tage da und Freitag bis Sonntag abgewechselt. Während des ersten Lockdowns, zur Schule hin, und auch weil der inzwischen Sechsjährige artikulieren konnte, dass er der häufigen Wechsel müde war, stellten wir auf das berühmte Wochenmodell um. Seitdem ist an sieben Tagen steten Energieflusses vor allem Care-Arbeit angesagt, sprechen, kuscheln, vorlesen, baden, Nägel schneiden, Fußball spielen, diskutieren, streiten und derzeit auch homeschoolen. Darauf folgt eine Woche, in der ich für mich bin, schreibe und weiteren Geldarbeiten nachgehe, oft bis abends spät, lustvoll und exzessiv, zweisame Abende mit meiner Partnerin verbringe, andere Erwachsene zum Spazieren treffe. Ich weiß meinen Sohn in guten Händen und glücklich, wenn ich am leeren Kinderzimmer vorbeilaufe, und auch auf die Minute genau, wann er es wieder mit Leben füllen wird.
Warum war das vorher nicht möglich? Warum schafften es zwei Erwachsene, die sich reif und reflektiert fühlten, nicht, einem Kind, einander als Paar und je sich selbst gerecht zu werden – und warum geht es jetzt, wenn wir nicht mehr zusammen sind und jeweils in neuen Partnerschaften?
Immer wieder höre oder lese ich von jungen Eltern, die ähnlich zu leiden scheinen wie wir damals. Auch der befreundete Kitavater wirkte während des Laternenumzugs müde und matt. Dennoch antwortete er, auffällig heftig, dass er gern Zeit mit seiner Familie verbringe. Inzwischen ist auch er getrennt. Ist Trennung wirklich der einzige Ausweg?
Oft genug empfinden wir, Getrennterziehende, den Makel, es nicht geschafft, als Kleinfamilie und Liebesbeziehung versagt zu haben. Aber können wir, sobald die Tränen getrocknet, die Scherben aufgewischt, genug Stunden auf der Therapeutencouch verbracht sind, gemeinsam und allein, nicht auch Vorbilder sein? Dafür, wie man ungesunde Verstrickungen zerreißt zum Beispiel. Zeiten durch verbindliche Absprachen einzäunt. Und, klar, Verantwortung übernimmt, für die eigenen Entscheidungen, Bedürfnisse, Sehnsüchte.