Other Writers trifft Café Entropy: Katharina Bendixen im Museumscafé Götz, Leipzig

Foto: Alain Barbero | Blog Café Entropy

mama kann ich eine saftschorle ich will eine saftschorle hast du gehört dass ich eine saftschorle will na gut ich hätte bitte gerne eine saftschorle das war mit bitte warum nur eine kleine ich will eine große nein ich kriege keine bauchschmerzen ich kann hundert gläser austrinken tausend gläser kann ich austrinken was ist das eigentlich zucker wie im kuchen meinst du darf ich kosten okay ich sehe was was du nicht siehst wann kommt meine saftschorle und das ist grün nein nein nein die kerze auf dem tisch ich geh mal nach vorn zum kuchen ich gucke nur versprochen mama du magst doch schokokuchen du kriegst ein stück schokokuchen und ich kriege einen monsterkeks ja schon gut darf ich wenigstens eine tüte zucker aufreißen ich sehe was was du nicht siehst und das ist langweilig nein nein nein nein hier ist es langweilig nur einen finger voll zucker das war nicht ich das war der stuhl der stuhl ist von allein umgekippt wann kommt denn nun meine saftschorle und wenn ich den zucker dann wegwerfe wenn zucker so ungesund ist ist es doch gut wenn ich ihn wegwerfe ich geh noch mal nach vorn der weiße kuchen sieht auch lecker aus ja schon gut ich sehe was was du nicht siehst und das ist rot nein nein nein ist das für uns danke mama ich kann blasen mama ich kann schlürfen mama okay ich verrate dir was ich rotes gesehen habe eine wolke mit einem wal davor der als feuerwehrmann verkleidet ist siehst du ihn nicht da oben

Welche Bedeutung haben Cafés für dich, seit du Kinder hast?
In Cafés geschrieben habe ich so gut wie nie. Aber bevor meine Kinder zur Welt kamen, habe ich manchmal in Cafés gelesen, und natürlich habe ich mich viel öfter mit Freund*innen auf einen Kaffee getroffen. Tagsüber mit einer Freundin einen Kaffee trinken oder im Café lesen: Beides fühlt sich derzeit – im durchgetakteten, stets effizienten Elternmodus, leider! – wie ein absoluter Luxus an. Ist es ja auch: ein Luxus, den ich mir wahrscheinlich öfter gönnen sollte.

Wie verändert es deine Café-Zeit, wenn deine Kinder dabei sind?
Als sie noch Babys waren, saßen sie auf meinem Schoß, schauten sich um und lautierten immer mal ins Gespräch hinein. Das hat gut geklappt. Inzwischen wollen sie in Cafés meine ungeteilte Aufmerksamkeit, große Fruchtsäfte mit Strohhalm und irgendein Essen, das nicht auf der Karte steht. Und die meisten Cafés (und deren Gäste) tun sich schwer daran, sich auf diese unmittelbaren Wünsche einzustellen. Deswegen gehe ich mit den Kindern nur im eher seltenen Zustand der absoluten Entspannung ins Café. Aber wenn wirklich alle entspannt sind, dann kann es im Café sehr schön und lustig werden, und manchmal entstehen dann Momente, die mich für Wochen durch den Alltag tragen.

Eine Kooperation mit Café Entropy – Literatur- und Fotoblog.

Take Care: Andrea Karimé & Barbara Peveling (I)

Liebe Andrea,

„Die Scham ein Mädchen zu sein“, dieser Satz von Dir aus Deinem erzählerischen Essay „Granatapfellicht. Scham Rasse Geschlecht. Das goldene Kamel“ ist mir in Erinnerung geblieben. Eigentlich habe ich es auch so empfunden habe, als zweitgeborenes Mädchen, dass meinem Vater der Sohn fehlte. In der westdeutschen Provinz der 80er war es schon in Ordnung, als Erstgeborenes ein Mädchen zu haben, aber das zweite oder auch dritte sollte dann doch bitte ein Junge sein. Denn ein männlicher Nachkomme zeugt von Virilität, ein Mädchen hingegen nur von Schwäche, Kontrollverlust. Und so habe ich mir als Kind große Mühe gegeben, der Junge in der Familie zu sein: Ich war wild, unbändig, widerspenstig und laut. Später habe ich mein Verhalten in der Kindheit oft als Feminismus interpretiert, weil ich so gerne Robin Hood spielte, mit mir selbst in der Hauptrolle. Aber das war eine Fehlinterpretation, es war nur eine weitere Form der Anpassung, um diese eine soziale Rolle zu bedienen, die in unserer Familie eine Leerstelle war und die ich zu füllen mich bemühte, indem ich gesellschaftliche Klischees bediente: ein Junge zu sein, laut und wild.
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Mütter, die gehen (III): Zeit für ein Zeichen

Seit vor vier Monaten der zweite Text in der Reihe „Mütter, die gehen“ erschien, habe ich viele Gespräche über Mutterschaft und Elternschaft geführt, fand mich notierend, recherchierend, schreibend, beobachtend wieder.
Was mir im Austausch innerhalb von Freundinnenschaften überwiegend begegnet, wofür auch ich sensibler geworden bin, sind die Umstände, unter denen Mutterschaft stattfindet – in einer Paarbeziehung, nach einer Trennung, inmitten von vielen Auseinandersetzungen. Ich spreche mit Frauen, Müttern, Freundinnen über nachgeburtliche mentale und körperliche Verfassungen und den Anteil struktureller Ursachen daran. Wir reden über Abwertungen unserer Familien- und Sorgearbeit vom lohnarbeitenden anderen Elternteil – über fehlendes Verständnis, über die Kämpfe innerhalb von Partnerschaften hinsichtlich Kinderzeiten, Arbeitszeiten, freien Zeiten. Wir sprechen über Schuldzuweisungen, mit denen wir als Mütter nach einer Trennung und der Forderung nach einem Wechselmodell umgehen müssen, ebenso wie über die Wechsel, die kinderlose und die kinderreiche Zeit und die damit einhergehenden emotionalen Zustände und Aushandlungen mit uns. Thema ist auch die oft schwierige Beziehung von Müttern zu ihren Töchtern vice versa.
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Sounds Different: Daniella Strasfogel

An einem nasskalten Sonntagmorgen: Ein Theater am Ufer der Spree. Seine große schwarze Bühne, im Zuschauerraum steigen die Sitzreihen steil auf.
Kinder, Familien, die sich gegenseitig begrüßen und den Zuschauerraum mit Lachen, Rennen und Aufregung füllen. Kindliche Fragen, die in die Stille geworfen werden und in der grellen Atmosphäre der Neonröhren widerhallen.
Kinder, Familien, die aufgeregt ihre Plätze auswählen – vor allem in den vorderen Reihen. Und dann einige Einzelpersonen, die es vorziehen, sich weiter oben niederzulassen, oder noch zögern, sich hinzusetzen.
Viele junge Zuschauer plötzlich schuhfrei, hüpfend.
Klappsitze öffnen und schließen sich, klappern im Rhythmus der ungeduldigen Beinchen. Snacks werden aus Rucksäcken geholt, Papier und Plastik rascheln.
„Ich habe Durst!“
„Hunger!!“
„Wann fängt’s an?“
„Mir ist laaaaangweilig…“
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Over and out

Auf unserer Anrichte steht sie. Hinter Nussknacker und Nikolausteller, links und rechts gestützt von Vorratsgläsern mit Mehl und Zucker: deine Schultüte. Längst ist sie leer. In den Windungen der blauen Wellpappe hat sich der Staub des ersten Schuljahres gesammelt. Ich hätte meine Sache besser machen können. Ich habe die Umschlagfarben verwechselt und den Malkittel so lange vergessen, bis deine Kleider bunt gefleckt waren. Trotzdem haben sich Schreiblernhaus und verstärkte Grundlinie in deinem Heft in Lineatur zwei verwandelt. Plötzlich kannst du lesen und schreiben.
Die Glitzersteine, die deine Schultüte zieren, haben kaum an Glanz verloren und das Einhorn mit der bunten Tonpapiermähne schaut mich erwartungsvoll an.
Du willst heute alleine in die Schule laufen.
Ich überlege.
Einhörnern sagt man Unsterblichkeit nach, solange sie ihren magischen Wald nicht verlassen, in dem ewiger Frühling herrscht.
„Ich kann mit dem Walkie-Talkie Bescheid funken, wenn ich da bin“, sagst du. „Ich habe mir Codenamen überlegt.“
Ich überlege. Das Einhorn ist stark. Es besiegt sogar Löwen.
Schließlich nicke ich.

„Come in Magic Forrest, come in.“
„Magic Forrest here. Go ahead, unicorn7.“
„Ich bin angekommen. Over.“
„Du bist angekommen. Over and out.“

Kreissaal

Während du dich
in deinen Wehen verfängst
fangen sich deine Hände
in meinen Locken

und den Schmerz den
du spürst wenn sich
dein Bauch zusammenzieht
überschneidet den Druck
deiner Hände auf meinem
Rücken

während deine PDA
keinen Durchgang findet
dich zu betäuben
entblätterst du mein
Laub in dem ich
jahrelang drin
schlummerte

dein Muttermund
öffnet sich um zu
gebären
mein Mund schließt
sich um in deinen
Armen neu
geboren zu werden
geborgen aus dem
Mulch der letzten
Jahre

während du in
der Badewanne
schlummerst
vor Erschöpfung des
Schmerzes
schmiegen sich unsere
Körper im Kreissaal
in Nachtwachen
zu einem dampfenden
Hügel

wo fängt die Geburt an
und
wo hört sie auf?

während man dir
den Bauch aufschlitzt
um die Frucht zu holen
reife ich in der Sonne
deiner Erinnerung.
Träume von unseren
badenden Nacktkörpern
im See
zünde das Holz
an um dich in
mir zu wärmen
spüre den Duft der
Wiese auf deiner Haut
suche die Grenzen deiner
Lieblichkeit

der Mondschein badet
dich
mein Haar dein
Tuch

dein Schreien verstummt
das Kind an deiner
Brust
die ihn mal berauschte.

Das Gedicht erschien in dem Band Un-Liebesgedichte & Un-Love Poems. Eine Korrespondenz (gemeinsam mit Alexander Carberry), Februar 2022, Edition Delta.