Seit vor vier Monaten der zweite Text in der Reihe „Mütter, die gehen“ erschien, habe ich viele Gespräche über Mutterschaft und Elternschaft geführt, fand mich notierend, recherchierend, schreibend, beobachtend wieder.
Was mir im Austausch innerhalb von Freundinnenschaften überwiegend begegnet, wofür auch ich sensibler geworden bin, sind die Umstände, unter denen Mutterschaft stattfindet – in einer Paarbeziehung, nach einer Trennung, inmitten von vielen Auseinandersetzungen. Ich spreche mit Frauen, Müttern, Freundinnen über nachgeburtliche mentale und körperliche Verfassungen und den Anteil struktureller Ursachen daran. Wir reden über Abwertungen unserer Familien- und Sorgearbeit vom lohnarbeitenden anderen Elternteil – über fehlendes Verständnis, über die Kämpfe innerhalb von Partnerschaften hinsichtlich Kinderzeiten, Arbeitszeiten, freien Zeiten. Wir sprechen über Schuldzuweisungen, mit denen wir als Mütter nach einer Trennung und der Forderung nach einem Wechselmodell umgehen müssen, ebenso wie über die Wechsel, die kinderlose und die kinderreiche Zeit und die damit einhergehenden emotionalen Zustände und Aushandlungen mit uns. Thema ist auch die oft schwierige Beziehung von Müttern zu ihren Töchtern vice versa.
Dabei stoßen wir auf immer wiederkehrende Fragen: was macht das alles mit uns und den Beziehungen, in und mit denen wir leben? In welchen Strukturen und Rollenzuweisungen sehen wir uns gefangen und für welche sind wir blind, welche gilt es noch sichtbar(er) zu machen?
Während meiner Auseinandersetzungen mit all diesen Themen und Fragen begegnen mir wiederholt Mütter aus vorherigen Generationen, die sich entscheiden, traditionelle Familienkonstellationen zu verlassen. Wenn ich in ihren Biografien lese, fühle ich mich verstanden. Ich bin erstaunt über Wünsche zum Zusammenleben mit Kindern, die bereits zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts geschrieben, veröffentlicht und schließlich gelebt werden. Die Auseinandersetzung mit feministischer Science-Fiction und deren Autorinnenschaft eröffnet mir ein Spielfeld solcher Utopien, in welches ich tiefer eintauche.
Besonders wichtig und bereichernd sind für mich jedoch die Dialoge, die gemeinsamen Auseinandersetzungen, der Austausch. Beim Nachdenken über die zukünftige Form dieser Reihe und die Tatsache, dass ich nicht nur einfach über diese Frauen, in deren Biografien ich lese, schreiben möchte, kommt mir der Gedanke, eine dialogische Form zu finden. Welche Fragen würde ich diesen Müttern stellen? Was möchte ich von ihnen lernen, mitnehmen? Welche Bedeutung hat die Auseinandersetzung mit ihrem Weg für mich? Und was möchte ich ihnen gern erzählen, mitgeben? Oft liegen bereits mehrere Generationen zwischen ihrem und meinem Leben. Was und wie können wir voneinander lernen?
Abschließen möchte ich für diesen Moment mit einer Aussage meiner Großmutter aus dem Jahr 2012: „Da kannst du aber froh sein, dass du einen Mann hast, der sich nach der Trennung noch um die Kinder kümmert.“ Und damit, dass ich nun endlich eine Antwort darauf habe: „Nein, Omi, ich bin nicht froh. Es ist für mich einfach nur selbstverständlich, dass diese Bereitschaft da ist.“