Same Work But Different: Jessica Lind

Hatte deine Mutterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf dein Buch? Welchen?

Jessica Lind: In meinem Buch „Kleine Monster“ steht Elternschaft zentral im Mittelpunkt, vor allem die Frage, wie sich unser Blick auf die eigene Kindheit und Erziehung verändert, sobald wir selbst Kinder haben. Obwohl die Geschichte erfunden ist, stecken viele Themen darin, die mich als Mutter von zwei kleinen Kindern beschäftigen, zum Beispiel auch wie man gemeinsam ein Kind „erzieht“. Ich beschreibe meinen Schreibprozess gerne so, dass ich unangenehme Gefühle, die mich im Alltag überkommen, oder Situationen, die mich überfordern bzw. überwältigen und die ich normalerweise schnell beiseite wische, noch einmal hervorhole und sie wie Murmeln von allen Seiten betrachte.

 

Hatte deine Mutterschaft Einfluss auf die alltägliche Schreibarbeit? Welchen?

Jessica Lind: Ich habe einen Großteil des Romans im ersten Lebensjahr meines zweiten Kindes geschrieben. Das war zum einen eine große Herausforderung (zumindest ist der Kleine ein guter Schläfer), zum anderen aber auch ein großes Glück, weil ich so meinen inneren Zensor (ja, er ist ein Mann) ausschalten konnte und endlich verstanden habe, was andere meinen, wenn sie sagen, man hat zwar weniger Arbeitszeit, aber man nutzt sie effektiver. Jahrelang hielt ich diesen Satz für einen Mythos.

 

Wenn dich vor der Kita ein anderes Elternteil fragt, worum es in deinem neuen Buch geht – wie würdest du es beschreiben?

Jessica Lind: „Es geht um ein Kind, das in der Schule auffällig wird, und eine Mutter, die wegen eines Kindheitstraumas ganz falsch damit umgeht.“ Und nach einer kurzen Pause, mit leicht schriller Stimme rasch hinzugefügt: „Und es ist nicht autobiographisch.“

 

Was hältst du davon, das Entstehen eines Buches mit dem Heranwachsen eines Babys zu vergleichen und sein Erscheinen mit der Geburt? Ist dieser Vergleich für dich stimmig?

Jessica Lind: Wenn die Frage so gemeint ist, dass das Entstehen mit der Schwangerschaft vergleichbar ist, würde ich eher verneinen. Ich war immer sehr stolz auf meinen Körper, dass er da ein Menschlein baut, aber gleichzeitig hatte mein Gehirn sehr wenig zu tun. Beim Schreiben eines Buches ist es eher umgekehrt. Was gleich ist, sind die Rückenschmerzen.

 

Auf welches Stipendium hast du dich nicht beworben, weil du Kinder hast?

Jessica Lind: Auf alle Aufenthaltsstipendien. Ich bewerbe mich aber, glaube ich, generell zu wenig, weil es mir so schwer fällt, die Termine im Überblick zu behalten.

Kleine Monster von Jessica Lind erschien im Juli 2024 bei Hanser Berlin.

Sätze

Der Schwangerschaftstest sagt positiv.
Mein Partner sagt, wir haben alle Möglichkeiten.
Der Frauenarzt sagt, gratuliere Ihnen zur Schwangerschaft.
Der Frauenarzt sagt, er kann mich nicht über Abtreibung aufklären. Er sagt, wenn ich beim Klettern ins Seil falle, habe ich vielleicht Glück und verliere das Kind.
Sie sagen, ein Kind ist das größte Glück.
Sie sagen, dein Leben ist jetzt vorbei.
Sie sagen, jetzt seid ihr eine Familie.
Meine Hebamme sagt, erzähle lieber nicht, dass du eine Hausgeburt machst.
Sie sagen, mutig.
Sie sagen, sie würden sich das ja nicht trauen.
Sie sagen, es kann so viel passieren.
Sie fragen, Mädchen oder Junge?
Sie sagen, Hauptsache gesund.
Sie sagen, wenn du ein Kind hast, arbeitest du weniger, aber effizienter.
Sie sagen, wenn du ein Kind hast, willst du nicht mehr arbeiten.
Wir sagen, 50:50.
Sie nicken, wissend.
Sie sagen, das geht nur, weil ihr beide selbständig seid.
Meine Mutter sagt, ein Kind gehört zu seiner Mutter.
Sie fragen, schläft dein Baby schon durch?
Sie sagen, schlafe, wenn dein Baby schläft.
Sie sagen, verwöhne dein Kind nicht.
Sie sagen, lass dein Kind nicht weinen.
Sie sagen zu meinem weinenden Baby im Kinderwagen, ist dir kalt? Bist du hungrig?
Sie sagen, im Kindergarten gehört weinen dazu.
Sie sagen, oft ist die Mutter das Problem, weil sie nicht loslassen kann.
Mein Kind sagt, ich bin ein großes Kind.
Mein Kind sagt, ich bin Astronautin. Mein Kind sagt, ich bin Herr Bulle.
Sie sagen, Buben sind so.
Sie sagen, ein liebes Mädchen.
Mein Körper sagt, er braucht eine Pause.
Ich sage, später.
Ich sage, es geht sich alles aus. Irgendwie.