Rarely Asked Questions: Villa Aurora

Eva Brunner und Sebastian Weirauch haben versucht, für „Other Writers need to concentrate“ mit deutschsprachigen Kultur- und Förderinstitutionen Interviews zum Thema Autor*innenschaft und Elternschaft zu führen. Von den über fünfzig angeschriebenen Institutionen in Deutschland, Österreich, der Schweiz, den USA und der Türkei kam allerdings fast gar keine Resonanz. Ist das vielleicht ein Zeichen dafür, dass diese Themen heikler sind als viele denken?
Umso erfreulicher, dass die Direktorin der Villa Aurora in Kalifornien (USA), Dr. Claudia Gordon, sich die Mühe gemacht hat, unsere Fragen zu beantworten.

Können Sie kurz sich selbst und die Institution, die Sie vertreten, vorstellen?
Die Villa Aurora fördert als Künstler:innenresidenz und als Ort internationaler Kulturbegegnungen den deutsch-amerikanischen Kulturaustausch. Als Haus der Erinnerung hält sie das Andenken an die Künstler:innen und Intellektuellen wach, die in Kalifornien während der Zeit des Nationalsozialismus Zuflucht fanden und einen bedeutenden Einfluss auf das Kulturleben an der amerikanischen Westküste hatten.

Welche literarischen Förderprogramme gibt es bei Ihnen und wie sind sie im Einzelnen ausgerichtet?
Die Villa Aurora vergibt jährlich drei dreimonatige Stipendienaufenthalte in der Sparte Literatur. Bewerben können sich Künstler:innen, die bereits mit Werken oder Publikationen an die Öffentlichkeit getreten sind: Voraussetzung ist die Veröffentlichung eines Buches. Die Stipendiat:innen erhalten Unterstützung bei der Umsetzung geplanter Vorhaben und begleitender Recherchen sowie bei der Vernetzung mit Partnern:innen und Institutionen.

Inwiefern würden Sie sagen, spielen Autor*innenschaft und Elternschaft – als Gleichzeitigkeit oder aber als Konflikt − eine Rolle bei Ihren Stipendiat*innen?
VATMH (Villa Aurora & Thomas Mann House) erhält zuweilen Anfragen von Bewerber:innen, die Schwierigkeiten haben, den Stipendienaufenthalt mit der Betreuung ihrer Kinder in Einklang zu bringen. Dies gilt für Künstler:innen aller Sparten. Viele Stipendiat:innen entscheiden sich trotz der Begrenzung von Besuchszeiträumen für den Antritt des Stipendiums. In der Regel handelt es sich hierbei um Männer. In Sonderfällen, zum Beispiel wenn das lokal vorgegebene Bewohner:innenlimit aufgrund der Auslastungssituation nicht überschritten wird (Vgl. unten „CUP“), konnte die Mitnahme von Familienmitgliedern ermöglicht werden.

Inwieweit gibt es bei Ihnen Fördermöglichkeiten für Autor*innen, die auch Eltern sind bzw. „Care-Arbeit“ leisten? Gibt es z.B. Möglichkeiten zur Unterbringung von Kindern, zur Reisekostenübernahme für Kinder oder Möglichkeiten, Betreuungsangebote vor Ort zu nutzen (Kindergärten, Schule)? Oder aber gibt es flexiblere Stipendiatszeiträume, Lockerungen der Residenzpflicht oder digitale Angebote, die es erlauben, Autor*innen- und Elternschaft vereinbarer zu gestalten?
Die Villa Aurora hat eine Übereinkunft mit der Stadt Los Angeles, die das Betreiben einer Residenz inklusiver öffentlicher Programme in einem Wohngebiet ermöglicht. Diese Conditional Use Permit (CUP) legt unter anderem die Anzahl der Bewohner:innen im Haus fest. Künstler:innen steht außerdem ein eigenes Schlafzimmer mit Bad zur Verfügung, sämtliche andere Räume (inklusive der Arbeitsbereiche) werden aber gemeinsam bewohnt. Seit das Residenzprogramm nach der pandemiebedingten Pause wieder aufgenommen wurde, ist das Haus fast durchgängig voll belegt. Wir möchten also Künstler:innen ermutigen, die Frage nach der Möglichkeit eines Familienaufenthaltes zu stellen, und sind bemüht, Lösungen zu finden, können aber langfristige Aufenthalte von Familienmitgliedern nicht in allen Fällen garantieren. Besuch ist auf die Dauer von zwei Wochen begrenzt. Aus Personal- und Finanzierungsgründen kann VATMH die Betreuung von Kindern nicht übernehmen bzw. organisieren. Bei der Suche nach geeigneten externen Unterkünften ist VATMH gerne behilflich. VATMH gewährt Kindergeld, jedoch keine Zuschüsse für die Anmietung von zusätzlichem Wohnraum für Familienmitglieder. Eine Lockerung der Residenzflicht oder Umwandlung in Digitalstipendien zugunsten familiärer Care-Aufgaben ist im Falle eines deutschen Aufenthaltsstipendiums in den USA nicht zielführend. Die Regeln zur Auszahlung von Stipendien sind von der fördernden Institution, in diesem Fall dem Auswärtigen Amt, vorgegeben.

Welche Formen der künstlerischen Auseinandersetzung mit dem Themengebiet Autor*innenschaft und Elternschaft würden Ihnen lohnenswert erscheinen? Haben Sie vielleicht einen Lektüre- oder Filmtipp? Oder fallen Ihnen Autor*innen und Werke aus Ihren Programmen ein, die sich mit dem Thema befassen?
Bernadette Conrad, Die kleinste Familie der Welt (2016), Bettina Wilpert, Marc Fromm.

Was ist Ihre Prognose: Inwiefern werden Autor*innenschaft und Elternschaft in der künstlerischen Förderlandschaft in Deutschland, im deutschsprachigen Raum oder auch international in Zukunft eine Rolle spielen?
Mit zunehmendem Bewusstsein der besonderen Abhängigkeit von Künstler:innen von Stipendien wird auch die Unvereinbarkeit mancher Residenzprogramme mit Care-Aufgaben stärker ins Bewusstsein der Institutionen und der Öffentlichkeit bringen. Die Regelungen der Villa Aurora zur Familienunterbringung werden derzeit evaluiert.

Søndervig, Nordsøvej 137

Das Emblem auf dem kleinen Ofen prangend:
Eichhörnchen im Lorbeerkranz Hinter der
Glasscheibe wärmt uns das Zeichen unserer
Zerstörungslust Hitzewellen schwärmen bis
ins Kinderzimmer aus Wir schwitzen unser
Nachtprogramm: Monströse Flammenzungen
die Flyer des Naturkräfteparks verschlingen
Doch Luftzüge später ist da nur ein Rauschen
Ein Aschefilm mit Voice-Over-Kommentar
Die bevorstehende Trennung von Rücken
und Couch mit leisem Schmatzen unterlegt

Wovon wir träumen

Früher dachte ich, unser Kinderwunsch entspringe einer gutartigen Quelle. Als Paar fröne man den Wonnen des gemeinsamen Egoismus. Mit Kind komme die Zeit der nicht immer gleich verteilten Verantwortung. Mittlerweile jedoch glaube ich, dass unser anhaltender Kinderwunsch auf etwas Tieferes zurückgeht; auf den Drang, die anderen Bewohner dieses Planeten allmählich mit Duplikaten unserer selbst zu ersetzen. Mag es statistisch auch noch so aussichtslos erscheinen – wie wenn Tempelpriester auf bessere Ernten in kommenden Mondzyklen hoffen, weil sie mit Obsidiandolchen Herzen herausschneiden. Doch wir glauben daran. Und wir träumen in der Nacht, wenn unser Kind im Schlaf zuckt, von einer uns im höchsten Maße spiegelbildlichen Erdbevölkerung.

Ein Beitrag aus der Reihe in dir menschen sehen – Texte zum Kinderwunsch.

Holmsland Klitvej 109

Wir folgten unserem
Navigationssystem

Auf der Nachtseite
des Fjords blinkten
die Windradlichter rot
im Nebel und unser
Kind im Halbschlaf
quengelte und wir
hielten inmitten von
Schwärze und Regen

Im Sechssekundentakt
die Sonnenbahn
eines Leuchtturms
über unseren Köpfen

Und im Smartphonelicht
mein Bleichgesicht:
Wir hatten uns verfahren