Das Känguru ist wieder da

Es ist Donnerstag, es ist Montag, es ist Zeit vergangen, so viel Zeit, dass ich mittlerweile nicht mehr klein schreibe, sondern sich die Orthographie, die Visualität meines Schreibens geändert hat, woran das liegt, weiß ich nicht so genau, überhaupt, weiß ich wenig dieser Tage, so vieles ändert sich,
gleich bleibt, wiederkehrend, dass ich in der Früh jetzt als Erstes die Zahlen nachsehe, die steigenden Werte, zu verstehen versuche, was sie bedeuten, während ich wieder in der Küche stehe, Kaffee aufgieße, auch das bleibt, die Kanne, der Filter, der Geruch, das Geräusch von Wasser, wie es tropft, und das Känguru ist wieder da, einfach so, müde sieht es aus, ein wenig grau ist es geworden, um die Schnauze, und ich frage, ob es auch Kaffee möchte, es nickt, während die Kinder durch die Küche gehen, sich an den Tisch setzen, Kaffee trinken, sich ein Glas Wasser nehmen, ein Stück Toast essen,
und dann aufbrechen, ein Kind geht in die Schule, das andere an seinen PC, denn die Welt zeigt sich bruchstückhaft wieder im Online-Modus, und ich sehe mich selbst, wie ich dem Känguru Kaffee einschenke, und dann mir, die zwei Tassen in die Hand nehme, zur Couch gehe und mich neben’s Känguru setze.
Ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll, nach all der Zeit, denn sonst schreibe ich ja. Ich schreibe Postkarten, das mache ich jetzt wieder, jeden Tag, ich schreibe manchmal auch Briefe, überhaupt, ich schreibe beim Sprechen, ich schreibe dann, wenn ich ins Auto steige, wenn ich einkaufe, währenddessen überlege, was ich kochen werde, was wer mag, und ja,
ich sehe zum Känguru, ich weiß, dass es Pfannkuchen mag, aber das wird nichts, es braucht mich gar nicht zu fragen, keine Pfanne oder sonst irgendetwas aus seinem Beutel zu holen, mich auch nicht anzugrinsen, das bringt alles nichts, ich kann keine Pfannkuchen, überhaupt kann ich nicht backen, zumindest nicht besonders gut, schon immer ist das so, und das wird wohl so bleiben, auch dieses darin wohnende, seltsam irrationale Schuldgefühl, keine gute Mutter zu sein, woher das kommt, frage ich nicht mehr, ich nehme das jetzt so hin, meistens,
schiebe das Bild zur Seite, schiebe es dem Känguru zu, meine Angst, anders lässt sich das nicht nennen, und bevor es etwas sagen kann, erzähle ich ihm, von diesem Film, The Hours, wie ich ihn das erste Mal gesehen habe, und wie ich hineingefallen bin, in diesen Film, aufgesogen von Julianne Moore und wie sie diese Frau spielt, die nicht backen kann, und ich werde nie dieses Gefühl vergessen, wie ich ihr und mir zugesehen habe, diese Verzweiflung angesichts der Zutaten, die nicht in ein richtiges Mischungsverhältnis wollen, die unglückliche Konsistenz des Teigs, als ob es der eigene Körper wäre, der einem abhandenkommt, sich entzieht,
und bei jedem Kuchen, der mir misslingt, habe ich Angst, dass ich mich irgendwann an einem anderen Ort dieser Welt in einer Bibliothek wiederfinde, meine Familie einfach so verlassen habe, so wie in The Hours, und manchmal bin ich in Sorge, dass ich mir genau das wünsche, dass ich das großartig fände, einfach in eine Bibliothek zu ziehen, zwischen den Büchern zu wohnen, dort zu schreiben, und das Känguru nickt jetzt, es holt die Pfanne aus seinem Beutel, steht auf und geht zum Herd. Ich sehe ihm zu, wie es Pfannkuchen macht, wie es einen Satz nach dem andern von mir im Teig einrührt, aufschlägt, aufschäumt, ihn gehen lässt, wie es das einfach so macht, wie ein Text daraus wird, wie gut das tut, und ich bin froh, dass das Känguru wieder da ist.