Other Artists: Clara Alisch

Clara Alisch (geb. 1986 in Münster) schloss ihr Studium an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg im Bereich der Zeitbezogenen Medien bei Prof. Matt Mullican und Prof. Michaela Melián 2021 mit dem Master of Fine Arts ab und absolviert derzeit einen Ergänzungsmaster im Bereich der Kunstwissenschaften, Medien und Ordnungen der (Un-)Sichtbarkeit in Kunst und Visueller Kultur an der Universität Bremen. Alisch arbeitet an Schnittstellen künstlerischer, politischer und wissenschaftlicher Diskurse über (Un-)Sichtbarkeitsverhältnisse, feministische Raumpraxen und kollektive Handlungstrategien. Sie befasst sich vor allem mit dem Sachverhalt von unbezahlter und somit unsichtbarerer Reproduktionsarbeit und lotet utopische sowie spekulative Potenziale für diesbezügliche andere (sozio)kulturelle Erzählungen aus.

Clara Alischs multimediale Videoinstallation „Lactoland“ aus dem Jahr 2021 besteht aus einer soundbegleiteten Videoarbeit, einem Bonbonglas, das für die Ausstellungsbesucher*innen frei zugänglich ist, und einem beweglichen Paravent. Das Video, als die Installation dominierendes Element, zeigt eine Milch abpumpende Frau in Arbeitskleidung, die sich in einer an eine Produktionshalle erinnernden Umgebung befindet, sowie folgend eine weitere „Milcharbeiterin“, die aus der gewonnenen Milch Bonbons herstellt – eben jene Bonbons, die den Betrachtenden der Installation im Ausstellungsraum dargeboten werden. Als Sicht- wie Spritzschutz fungierend bildet schließlich der im Video und auch in der Ausstellungsinstallation genutzte Paravent ein funktionales und außerdem Intimität gewährendes raumteilendes Element.
Im Detail wie in Gänze betrachtet ist „Lactoland“ vieles zugleich: eine provokante Unternehmensidee in gleichem Maße wie die subversive Aufforderung, einem gemeinschaftlichen Milchsee und damit der übergreifenden Versorgung der Kinder zuzuarbeiten. Der Versuch, der sogenannten „Muttermilch“ – über den Umweg eines Bonbons als für alle faßbares Produkt – wieder einen Wert beizumessen und damit auch dem Arbeitsprozess der Milchproduktion, der jener produktorientierten Wertbildung vorausgeht, zu Sichtbarkeit zu verhelfen. Clara Alischs Arbeit verweist außerdem auf die Geschichte der Frauenmilch, die mit ihrer Umdeutung zur „Muttermilch“ die stillenden Frauen in die Grenzen des eigenen Heims verwies, derer diese sich weit später, u.a. mithilfe des Griffs zur Milchpumpe, wieder zu entledigen versuch(t)en. Die realen räumlichen Grenzen des Heims, jene des Innens und Außens sowie die soziale Separation der sich zurückziehend Stillenden werden durch Alisch auf besondere Art und Weise auch mittels der in der Ausstellungssituation dargebotenen (tatsächlich nur fiktiv aus Frauenmilch gewonnenen) Bonbons thematisiert: Hier bewegt sich die Körperflüssigkeit Brustmilch als weiterverarbeitetes Produkt in den öffentlichen Raum – vom Familiären ins Gesellschaftliche –, wird Objekt, greifbar und sichtbar, das verborgene Feld des intimen Kontakts zwischen Mutter und Kind verlassend. Neben der Anregung, die eigene Haltung zu dem dem Produkt anhaftenden Ekel zu überdenken, ist die dargebotene Süßigkeit vor allem eine Einladung, teilzuhaben am Prozess des Nachdenkens über (und Vollziehens von) alltäglicher Sorgearbeit durch die Brusternährung.

„Lactoland“ wird vom 29.09 bis 03.10. 2022 im Rahmen der Auszeichnung mit dem Preis RUNDGANG 50HERTZ 2022 im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Berlin ausgestellt. Hierzu erfolgt im Juni 2022 außerdem ein Onlineevent mit Video- und Katalogpräsentation zum Projekt (weitere Informationen hierzu in Kürze unter https://rundgang50hertz.de).

Im November 2022 wird „Lactoland“ zudem in einer Gruppenausstellung zum Thema Mutterschaft im Syker Vorwerk – Zentrum für Zeitgenössische Kunst bei Bremen zu sehen sein.