2009 wurde mir das Aufenthaltsstipendium in Schwaz bei Innsbruck zuerkannt. Ich weiß noch: Es war einer der ersten Anrufe auf meinem damals noch neuen Handy, und ein freundlicher Herr mit sympathischem Dialekt teilte mir die frohe Kunde mit. Meine Stimme überschlug sich vor Freude, und ich sagte zu.
Bald darauf die Ernüchterung: Ich bekam auf der Arbeit keine zwei Monate am Stück frei. Alles Verhandeln und der Gebrauch der damals noch nicht so geläufigen Vokabeln Sabbatical und Work-Life-Balance halfen nicht.
Also kontaktierte ich den Stipendiengeber: Ich könne wochenweise in Schwaz sein, meinen Urlaub von zwei Jahren dafür nehmen und das Stipendium zeitlich „strecken“. Doch darauf ließ er sich nicht ein. Ich solle ja zur Ruhe kommen und konzentriert an meinen Projekten weiterarbeiten können. Wie ich Ruhe finden sollte, wenn ich meinen Job gefährdete oder kündigte, war mir allerdings nicht ganz klar.
Aber das machte alles nichts, denn just in dieser Zeit wurde meine Freundin schwanger und neun Monate später waren wir Eltern. Zwei Jahre später dann ein Geschwisterchen. Und bald schon die Einsicht, dass das nicht leicht werden würde mit dem literarischen Leben, obwohl sich für das Schreiben nun ganz neue Themen erschlossen.
Um Preise bewerben? Ja. Um Residenz-Stipendien? Vergiss es, erst recht nach der Trennung und dem neuen Status als alleinerziehender Vater mit einem von beiden Kindern. Was war mit dem Traum vom Lesen, Schreiben, Reisen – diesem Akkord, meiner Definition von Glück? Verschoben auf das Lebensendzeitstipendium, Rente genannt? Wer wird sich dann noch für meine Machwerke interessieren?
Doch wie ein Süchtiger an seinen Stoff kommt, trotze ich dem Leben Schreibzeiten ab: In der Tram, im Zug, in den Mittagspausen, an den Wochenenden, im Urlaub. Usedom – wo sich die zerrissene Familie zu gemeinsamen Urlauben trifft – ist mein neues Schreibexil geworden: an den Vormittagen, wenn das Kind, mittlerweile jugendlich, noch schläft und dann zu Kindesmutter und Schwester in deren FEWO wechselt und ich später nachkomme. Nach ein paar geschafften Seiten. Man kann gut abschalten auf diesem entlegenen Fleckchen Land, und Literaturtage gibt es auf Usedom auch. Die habe ich noch nie besucht. Wegen des Brotberufs. Den ich nicht kündigen kann. Wegen der Kosten für zwei FEWOS dreimal im Jahr. Unter anderem.