Das Kind geht …

… wieder in die Kita. Das Kind geht schon seit einer Weile wieder in die Kita. Und was passiert? Ich vermisse die intensiven Stunden, die wir jeden Tag miteinander verbracht haben. Und ich komme kaum besser mit der Arbeit voran – immer noch habe ich das Gefühl, dass die Zeit nicht reicht. Also muss ich mich doch einmal fragen, WAS das eigentlich ist, das da nicht reicht.
KONZENTRATION. Mein Gehirn schreibt das Wort in Großbuchstaben an meine innere Wand.
Mit dem Kind zusammen zu sein und einen Roman zu schreiben, das sind zwei völlig unterschiedliche Dinge. Gemeinsam ist beiden Zuständen, dass sie nur gelingen, solange ich präsent bin. Ich meine das im buddhistischen Sinne: solange ich mich ganz auf eine Sache, auf den aktuellen Moment konzentriere.
Ich kann nicht gut schreiben, wenn ich zwischendurch darüber nachdenke, wo ich schwarzen, lichtdichten Stoff herbekomme – das Kind braucht neue Vorhänge, weil es morgens um halb sechs aufsteht, wenn die Sonne in sein Zimmer scheint.
Ich bin keine gute Mutter, wenn ich, während ich mit der Lego-Feuerwehr einen Großbrand löschen soll, an die Arbeit denke, die schon wieder stagniert.
Es muss doch beides gehen, denke ich.
Da schreibt mein Gehirn ein zweites Großbuchstaben-Wort unter das erste. ANSPRUCH.
Mir fällt der Tag ein, an dem ich den Führerschein gemacht habe, der Prüfer, der zu mir sagte: Sie können Autofahren. Ihr Problem ist, dass Sie, wenn Sie einen Fehler machen, noch ewig darüber nachdenken.
Dieser Mann, der mich überhaupt nicht kannte, hat mich besser erkannt als viele meiner Freunde. Ich fokussiere nicht auf das, was gelingt, sondern auf Fehler. Ich bin fast nie zufrieden. Ich bin nicht zufrieden damit, was für eine Mutter ich bin, ich bin nicht zufrieden mit dem Text, den ich schreibe.
Beim Autofahren habe ich das gelöst: Ich fahre heute kein Auto mehr. Nur möchte und kann ich weder mit dem Mutter-Sein noch mit dem Schreiben einfach aufhören.
Es muss doch beides gehen, denke ich. Ich habe diese Diskussion oft geführt, bei der es dann heißt, man müsse Prioritäten setzen, nicht eines aufgeben, aber doch eines über das andere stellen.
Wenn ich hier weiterdenke, ist die Gewichtung natürlich klar. Das Kind ist ein Mensch und das Buch nur ein Buch. Und da ich so gern über meine Fehler nachdenke: Die Fehler, die ich als Mutter mache, wirken sich aus. Wenn ich nicht höllisch aufpasse, sitzt das Kind später mal genauso bekloppt im Fahrschulauto und bekommt einen Nervenzusammenbruch, weil es nicht einparken kann.
Es ist nur ein Buch, sage ich mir. Versuchsweise schreibe ich auch diesen Satz an die Wand.
Warum funktioniert es nicht? Warum geht das Schreiben – bei mir, in meinem ganz speziellen kleinen Leben – nicht nebenbei, genauso wenig wie ich nebenbei Mutter sein kann? Einer der Fehler, auf die ich mich gern fokussiere, ist genau das: dass ich früher geglaubt habe, ich würde nebenbei schreiben. Heute weiß ich: Das habe ich nicht. Ich war unproduktiv, ich war unprofessionell, ich habe gejammert und gezweifelt – aber das Schreiben war, ohne dass es mir bewusst gewesen wäre, viele Jahre das unangefochten Wichtigste in meinem Kopf und an allen inneren Wänden.
Das kann es nicht mehr sein, das soll es nicht mehr sein. Es muss doch beides gehen, denke ich. Ich versuche es weiter.