Sieben unsichtbare Brüche

Vor ein paar Wochen bin ich Mutter geworden. Mit der Geburt meines Sohnes hat sich von einem Tag auf den anderen auch mein Schreiben verändert:
Schreibarbeit, die nur in Gedanken stattfindet, wenn das Kind zur Beruhigung an meinem kleinen Finger nuckelt. Wiederhole Sätze minutenlang, um sie nicht zu vergessen. Schließe die Augen, um mir den Satz vorzustellen. Gegen die Müdigkeit ankämpfen, einschlafen. Hochschrecken. Im Kopf nach dem Satz kramen, an den man so lange gedacht hat. Notieren? Später.
Fragmente, täglich ins Handy getippt, weil der Laptop im Bett beim Stillen zu unhandlich ist. Manchmal nur mit dem linken Zeigefinger. Kein Mut, die andere Hand auch noch wegzuziehen, wenn das Kind gerade darauf eingeschlafen ist. Also weniger Nebensätze, unkomplizierte Wörter. Die Großschreibung ist unwichtig geworden, Satzzeichen sind nicht länger von Bedeutung. Die Korrektur? Später.
Wenn dem Kind die Augen zufallen: Abwägen. Es können drei Minuten sein, oder dreißig. Oder drei Stunden. Da ist Hunger, da ist schmutzige Wäsche, da ist ein dreckiges Katzenklo. Schreiben? Später.
Dieser Text wird zusammengehalten durch sieben unsichtbare Brüche: Dreimal gestillt, einmal Windeln gewechselt, zweimal getröstet, einmal eingeschlafen. Ein Ganzes, scheint er, für alle anderen. Er zerfällt nur für mich.