meine Wunde ist nicht offen. sie klafft nicht oder macht mit roter Signalfarbe auf sich aufmerksam. man sieht sie mir nicht sofort an. sie wirkt zahm. wie Rückenschmerzen, die steif machen und nur ganz bestimmte Bewegungen einschränken. meine Wunde gleicht einer Allergie oder Unverträglichkeit. lebe ich vorsichtig, darf ich sie manchmal vergessen. aber sie ist tückisch; sie wird mein Leben verkürzen. ich kann schreiben: meine Tochter gleicht einer goldenen Blume. nicht dem blonden Gold der Weihnachtsengel, sondern dem dunklen des Waldhonigs. Honig von dort, wohin nur Bienen fliegen. ich kann mit gutem Recht schreiben: ich habe zwei Kinder, schön wie Blumen. es tut weh, mich ihnen zuzuwenden.
* Sylvia Plath, „Cut“
Ein Beitrag aus der Reihe Wunde – Texte zwischen Schreiben und Sorgen.