Traum IV

Anne träumt: Im Kindergarten findet das Sommerfest statt. Es gibt Schokokuchen und Käsespieße und Melone, und die Sensation ist ein echter Gorilla, der Saxofon spielt und mit den Kindern aus Junis‘ Gruppe ein Lied aufführen wird. Der Gorilla sei häufig in Kindergärten, hört Anne eine Erzieherin sagen, es gebe keinen Grund, sich vor ihm zu fürchten. Erst ein einziges Mal habe er eine Mutter angegriffen.
Anne hat trotzdem ein ungutes Gefühl, auch weil es ihr wieder nicht gelingt, mit den anderen Eltern ins Gespräch zu kommen. Immer wieder geht sie auf irgendwelche Mütter zu, aber nie kommt das Gespräch über zwei oder drei Sätze hinaus. Dann zieht Junis sie auch noch zu einem Stuhl in der ersten Reihe. Sie will dort nicht sitzen, aber sie weiß, dass ein Streit mit Junis noch auffälliger wäre als dieser Platz. Also setzt sie sich, macht sich klein. Wenigstens um Liam muss sie nicht kümmern, der ist hinten bei der Matschstrecke, und er taucht auch nicht auf, als das Programm endlich beginnt.
Als Tiere verkleidet betreten die Kinder die improvisierte Bühne. In der Mitte läuft der Gorilla, und natürlich kommt er genau vor Anne zum Stehen. Sie gibt sich Mühe, an ihm vorbeizusehen, während er zusammen mit Junis‘ Gruppe das Programm abspult. Aber Anne müht sich umsonst, der Gorilla hat sie längst in den Blick genommen. Kaum ist der letzte Ton verklungen, lässt er das Saxofon fallen. Mit einem einzigen Schritt ist er bei ihr und umgreift ihren Kopf. Im Traum spürt sie nichts. Sie weiß aber, dass sein Griff unendlich schmerzhaft ist.
„Wo ist der Tierpfleger?“, hört Anne einen Vater rufen, und eine Erzieherin ruft: „Holt die Erste-Hilfe-Box!“
Anne will sagen, dass es ihr Leid tut. Alles tut ihr Leid – dass sie sich nicht zu wehren weiß und dass die Kinder das mitansehen müssen und dass sie den Erzieherinnen solche Umstände macht, und zum nächsten Sommerfest wird sie auch einen Kuchen mitbringen, da wird sie sich wirklich mit den anderen Eltern unterhalten. Aber bevor sie auch nur ein Wort herausbekommt, wacht sie auf.