Lieber Papa,
natürlich muss ich mein Zimmer aufräumen, den Tisch decken, Sand aus den Schuhen schütten und zwei Mal am Tag die Zähne putzen, mindestens zwei Minuten lang – das weiß ich alles, ich werde doch in drei Tagen sieben Jahre und fünf Monate alt. Nur hetz mich nicht immer so, ich mach doch schon, in meinem Tempo. Wenn der Bus sich verspätet oder der Postbote dein Buch knickt, brüllst du doch auch nicht gleich los. Natürlich wurdest du als Kind herumbefohlen und bestraft, weinen durftest du nicht. Nur: Die Zeiten haben sich geändert, das weißt du viel besser als ich, du lebst in einem anderen Land, du bist nicht wie dein Vater und die Väter vor ihm. Aber sie stecken noch in dir und brechen aus, besonders, wenn du gestresst bist (was du oft bist, seit du den Job bei dem Magazin angenommen hast – aber das ist ein anderes Thema). Frag mich bitte, Papa, akzeptiere, wenn ich Nein sage, verhandle mit mir. Lass mir meinen Willen, ich werde ihn später noch brauchen.
Ein Beitrag aus der Reihe Lieber Vater – Texte über ein prägendes Verhältnis. Französische Übersetzung