Für einen Monat weg …

Für einen Monat weg, einen ganzen, das erste Mal seit zehn Jahren, seit ich schwanger, hatte noch nie eine ganze Wohnung für mich allein, drei Zimmer und sechs Betten, in jedem Bett fünf Mal schlafen, staubsaugen höchstens ab und zu, Müll rausbringen, aber sonst nichts, wirklich gar nichts, wenn ich alles schaffe, was ich will, schreibe ich hier einen Roman zu Ende und einen Lyrikband und beginne einen neuen und habe alle Notizen und Entwürfe sortiert und sieben Bücher gelesen. Ich wache auf, wann ich will, gehe schlafen, wann ich möchte, um die gleiche Zeit wie sonst zwar, aber mit einem anderen Gefühl, ich sitze den ganzen Tag vor dem Laptop, an einem eigenen Tisch, schaue auf die Berge und trinke Bier und schleiche abends raus, wenn der Kühlschrank leer wird, der Wein hier ist schlecht, aber das Bier, das ist ganz in Ordnung, die Flaschen stapeln sich in der Küche. In der Apotheke eine Duftkerze für sechzehn Euro, umgerechnet, Sandalwood Macadamia, im Lebensmittelladen eine Gesichtsmaske Nivea, Grüner Tee, ich schäme mich, weil es mir gut geht, überlege, früher abzureisen, den Koffer zu packen, reiße mich zusammen, gehe nochmal die Textentwürfe durch. Am letzten Freitag dann gedeckter Tisch und Kerze, Kinderfrüchtetee ohne künstliches Aroma, belegte Brote, geschnittene Pflaumen, Äpfel, und ich dusche zum dritten Mal und ziehe mich um wie für einen Empfang oder eine Trauerfeier. Wenn sie schon auf dem Weg, dann, bei einem Unfall, diese Straßen hier, bergauf, bergab, verrückte Überholer in den Kurven, oder einfach Müdigkeit und Kurzschlaf, oder, oder, und ich sitze hier in der Küche und spüre, dass etwas passiert sein könnte, bin ich dann schuld daran und meine verflixte Residenz und das Talent, ständig allen Umstände zu bereiten, Gefahren, lebensbedrohliche Gefahren zu verursachen vielleicht …

Ein Beitrag aus der Reihe Und wenn ich falle? – Texte über Trennungen.