Was macht Elternschaft zu einem literarisch interessanten Thema?
Nora Gomringer: Wer Vater, Mutter, Betreuer, Umsorgender wird, lernt sich in einer neuen Rolle kennen. Diese Selbsterfahrung sorgt für neue Energien und Erfahrungen, die verarbeitet und eben auch geteilt werden wollen. Es ist eine produktive Phase, eine Phase des Erstaunens. Ein paar Autoren gelingt es, aus dieser persönlichen Novität etwas Gemeingültiges zu schaffen.
Stehen schreibende Väter vor anderen Problemen als schreibende Mütter?
Nora Gomringer: Das hängt sehr von der Struktur ab, die man sich aufbaut, wenn man zu zweit für ein Kind oder mehrere sorgt. Ein schreibender Mensch hat besondere Bedürfnisse, die mit Kindern und ihren Bedürfnissen nur schwer zu verbinden sind. Ich staune immer, wie mutig schreibende Menschen sind, dass sie sich überhaupt auf Kinder einlassen. Sie müssen viel Vertrauen in ihre Kräfte haben.
Kann der Literaturbetrieb familienfreundlicher gestaltet werden, und wenn ja wie?
Nora Gomringer: Der Betrieb kann familienfreundlicher werden, aber ich glaube nicht, dass er es wirklich will. Es ist etwas anderes, eine Familie einzuladen – warum sollte das einen Stipendiengeber interessieren? – oder einen Menschen, der als Solitär in eine Gemeinschaft oder an einen Ort gelangt. „Community spirit“ im Rahmen einer Residenz entstehen zu sehen, ist fast nur mit Einzelpersonen möglich, die sich aufeinander einlassen. Wer mit Familie kommt, ist auch abgeschlossener gleichzeitig. Allerdings auch oft glücklicher, weil er sich nicht so sehr zerreißen muss und der Partner einbezogen ist. Wie bei allem ist es eine Frage der Kommunikation und Prioritäten. Nie kann man alles haben. Das ist Illusion.
Nora Gomringer, geboren 1980, Lyrikerin und Performerin. Seit 2010 Direktorin des Internationalen Künstlerhauses Villa Concordia, die Residenz des Freistaats Bayern, die Prä-Corona die Familien von Stipendiatinnen und Stipendiaten gerne willkommen hieß.