Same Work But Different: Florian Wacker

Hatte deine Vaterschaft Einfluss auf die alltägliche Schreibarbeit? Welchen?

Ja, einen sehr großen, meine Schreibarbeit richtet sich nach den Schulzeiten meiner Tochter. Da arbeite ich am besten am Vormittag, da habe ich Zeit und die nötige Ruhe. Am Nachmittag helfe meiner Tochter bei den Hausaufgaben, kümmere mich um Dinge wie Haushalt, Einkaufen, Mails usw. In den Ferien muss ich meine Schreibroutinen meist aufgeben und schauen, wo im Tagesverlauf ein paar Stunden Zeit sind. Da meine Tochter schon etwas älter ist und sich recht gut selbst beschäftigen kann, ist es mit den Jahren leichter geworden, auch in den Ferien einigermaßen kontinuierlich zu schreiben.

Was hast du gerade gemacht, als das Paket mit den Belegen eintraf?

Ich kam gerade vom Einkaufen zurück, rechts und links die schwer bepackten Radtaschen, als im Briefkasten deutlich sichtbar das erste Exemplar des neuen Romans steckte. Da bleibt einem immer kurz die Luft weg, denn nun ist es gewiss: Es ist keine Idee, kein Gedanke mehr, kein digitales Dokument: Es ist ein echtes Buch!

Gibst du das Buch deinem Kinder und/oder deinen Eltern zu lesen?

Meine Eltern lesen alle meine Bücher. Sie interessieren sich für das, was ich mache, kommen gelegentlich auch zu Lesungen oder anderen Veranstaltungen. Meine Tochter hat noch kein Interesse an meinen Büchern. Ich erzähle ihr davon, sie findet das Ganze auch sehr spannend, aber die Themen der Bücher sind wahrscheinlich noch nichts für 11jährige. Vielleicht liest sie in ein paar Jahren mal mein Jugendbuch.

Auf welches Stipendium hast du Dich nicht beworben, weil du Kinder hast?

Ich habe mich seit Jahren auf kein einziges Stipendium mehr beworben, weil es für uns (meine Partnerin arbeitet im Schichtdienst im Krankenhaus) unmöglich ist, diese Zeiten familiengerecht zu gestalten. Hin und wieder lese ich Ausschreibungen und ärgere mich dann über die Familienunfreundlichkeit der meisten Stipendien, freue mich dann wiederum aber auch über erste Lichtblicke wie das Stipendium in Hamburg, das sich explizit auch an Autor*innen mit Sorgearbeit richtet. Immerhin scheint sich – auch durch die Arbeit von other writers – im Betrieb endlich etwas zu ändern, langsam, aber es geschieht etwas!

Florian Wackers neuer Roman „Zebras im Schnee“ erschien Ende März im Berlin Verlag.

 

 

 

Jahrelang

Ein Jahr sind wir zu Hause, ein Jahr zu Hause mit unseren Liebsten. Wir haben es uns zwischen den Zahlen gemütlich gemacht, den morgendlichen Zahlen aus den Radiogeräten, die heutigen Infektionszahlen, Inzidenzwerte, der steigende, der fallende R-Wert. Wir backen Brot, wir basteln uns die Finger wund und sind dauergestresst und dauermüde von der ganzen Heimeligkeit, und mit jeder Radiomeldung versinken wir noch ein Stück tiefer zwischen den Decken und Kissen. Plötzlich gibt es da diese neuen Worte, systemrelevant, pandemiemüde, Cluster, Coronaleugner, mRNA, und es gibt wieder neue Serien und neue Podcasts und weitere Formate, um zu verdrängen, was ist.
Die Kinder schrumpfen hinter ihren Endgeräten. Es wird empfohlen, eine halbe Stunde Medienkonsum am Tag, ha ha ha, das ist ein guter Witz, sonst bekommen sie viereckige Augen, verlernen zu sprechen und verblöden. Aber das Kind hat null Bock auf den einhundertachtundfünfzigsten Waldspaziergang, obwohl die Sonne scheint, es hat Bock auf seine Playlist, auf Bibi & Tina und Nico Santos, und manchmal, da schmuggle ich ihr etwas französischen Rap dazwischen, aber auch dazu tanzt sie nach kurzer Zeit vor dem Spiegel, Move um Move, eine halbe Stunde, nicht länger, hörst du, ja ja, und wumms fliegt die Tür zu.
Wenn Kinder jetzt plötzlich auffallen, dann fallen sie auf, weil sie stören. Weil sie wegbetreut werden müssen. Das hatte irgendwie niemand auf der Rechnung. Seit einem Jahr drehen wir uns alle im Kreis, seit einem Jahr hören wir die wohlgemeinten Appelle, wir sollen uns gefälligst zusammenreißen und Opfer bringen, wir sollen auch im Homeoffice unsere Tabellen ausfüllen und dabei unseren Kindern liebevoll und zugewandt begegnen, selbst Schuld, du hättest ja keine Kinder, du hättest ja nicht müssen, heute muss keiner mehr. Und so wird jede Wohnung zu einem eigenen Planeten, zu einem eigenen, kleinen Ökosystem. Manchmal erinnern wir uns daran, wie wir uns früher besuchten und näherkamen.
Mit unseren Liebsten zu Hause, eine Gemütlichkeit, die uns zu Kopf steigt. Kopf raus, Kopf schütteln, es wird wieder wärmer.

Who cares

Es ist Sonntagmorgen, kurz vor acht. Ich drehe mich noch einmal im Bett um und denke, wie so oft, über einen neuen Text nach; es sind die Momente zwischen Wachen und Schlaf, in denen die Worte kommen. Aber dann schiebt sich plötzlich das Bild einer Waschmaschine dazwischen. Das Bild des Waschkellers, in dem sie steht. Gestern habe ich Wäsche gewaschen und sie dann vergessen, seitdem liegt sie in der Trommel, und sie wird weiter dort liegen, egal, wie viele Worte ich noch denke. Also stehe ich auf. Also gehe ich runter und kümmere mich darum, weil ich es nicht wieder vergessen will zwischen all den Dingen, die mir an einem Sonntagmorgen so durch den Kopf ziehen.

Who cares?

Schreiben. Wäsche. Sätze. Einkaufen. Worte. Putzen. I. hat auch diesen Samstag wieder Frühdienst, und auch diesmal wird sie später kommen, müde, erschöpft, der Kopf brummt. Ich mache ihr die Käsespätzle im Ofen warm, wir sitzen eine Weile zusammen am Tisch, eine goldene Novembersonne steht im Fenster, der Staubsauger liegt im Wohnzimmer, die Katze beschnuppert einen vollen Wäschekorb. Am Morgen, H. schläft noch, schreibe ich zwischen den Bissen ins Brötchen den Einkaufszettel, ich lasse sie fernsehen, während ich mich mit dem Rad auf den Weg zum Supermarkt mache. Ich schwitze, die Maske nimmt mir die Luft, in der Obst- und Gemüseabteilung werde ich ruhiger. An alles denken, alles im Blick haben, auch die kommende Woche. Was hat H. gerne auf ihrem Schulbrot? Was kann ich kochen? Auf der Rückfahrt weiß ich, dass ich etwas vergessen habe, weiß aber nicht, was es sein könnte.

Who cares?

Zuhause der Berg Wäsche im Bad, Schmutzränder im Waschbecken, Staubflusen unter dem Schreibtisch. Waschmaschine. Putzlappen. Staubsauger. In Pennsylvania zählen sie noch immer Stimmen aus. Ich trinke ein Glas Orangensaft. Bibi Blocksberg erweckt einen Dinosaurier zum Leben. Noch diese Folge, dann ist Schluss. Liebevolle Ermahnungen, es braucht ja Regeln, gemeinsame Regeln, etwas Orientierung. Ich packe Wäsche in die Maschine, ich bereite die Käsespätzle zu, muss nochmal los für einen Salat. CNN meldet weitere Stimmen aus Georgia für Biden. Ich bin müde, gereizt. H. hat kein Interesse an Wald und raschelnden Blättern, sie jagt ihre imaginären Pferde durch den Garten. Also knie ich im Bad über der Wanne und sprühe den Kalkentfernen auf die Armaturen, Klopapier haben wir noch ausreichend. Der Livestream des open mike startet. Ich schaffe es gerade noch, eine vorbeihuschende Textidee hastig in ein Notizbuch zu kritzeln. Biden wird von CNN zum Sieger erklärt. H. schlägt mich das dritte Mal in Mühle, vor meinen Augen zerfließt das Spielbrett. Die Wäsche, die ich längst vergessen habe, liegt seit vier Stunden in der Trommel.

Luftholen

Einmal kurz auftauchen und nach Luft schnappen, für einige Augenblicke die Arme ausbreiten und sich treiben lassen, den Blick in den Himmel gerichtet, wolkenlos ist er und von einer Intensität, wie es mir seit Monaten nicht mehr aufgefallen ist. Ruhig und gleichmäßig atmen. Seit Monaten bin ich das erste Mal wieder in der Lage, einige Stunden konzentriert zu arbeiten, zu schreiben, ein merkwürdiges Gefühl nach diesem Frühjahr im Ausnahmezustand, nach einem Sommer voller Auf und Abs.
Jetzt sitze ich hier an meinem Schreibtisch und schaue in den Himmel, nur ein paar Wolkenfetzen, keine Flugzeuge. Ja, ein bisschen fühlt es sich an wie vor einem Jahr, als noch niemand etwas ahnte, als es immer so weiterzugehen schien mit dem Wachsen und Ausbreiten und Vermehren und Ausschwärmen, ein bisschen ist es jetzt so wie damals, als ich am Schreibtisch saß und am neuen Roman arbeitete und mir nicht vorstellen konnte, dass es so etwas geben könnte wie diese große Stille, das einmalige, tiefe Luftholen vor dem Abtauchen.
Jetzt sitze ich wieder am Schreibtisch, jetzt ist der Himmel wolkenlos und die Katze räkelt sich in den Sonnenflecken auf der Terrasse, aber trotzdem ist etwas anders. Da hat sich eine Müdigkeit im Körper eingenistet, eine Erschöpfung, die tief unter der Haut sitzt, denn er musste weiter funktionieren, dieser Körper, der Kopf, alles musste irgendwie weitergehen, Tag für Tag, Woche für Woche, plötzlich vier, fünf Körper in einem, hineingepresst, zusammengedrückt, kaum noch Luft zum Atmen, kaum noch ein Gefühl in den Fingern.
Jetzt Luft schnappen, soviel wie nur irgend geht, die Lungen vollsaugen. Die Ungewissheit, wie lange sie reichen wird, macht mich reizbar, launisch. Ich habe keine Lust mehr zu tauchen. Ich will oben bleiben, die Arme ausgebreitet, den Blick in den Himmel, keine Wolke dort oben.

Manchmal

Manchmal, im Halbschlaf kurz vor dem Aufwachen, träume ich von einem langen Spaziergang am Ostseestrand, durch Kiefernwälder aufs Meer zu, der derbe Geruch nach Angeschwemmten in der Luft, Wind, Wellen; manchmal träume ich von einer Wanderung im hessischen Hinterland, von einem Spaziergang entlang der morgendlichen Elbe, träume davon, einfach nur so dazusitzen und die Gedanken schweifen zu lassen, träume von Zeit im Überfluss, Zeit in Einweckgläsern, Zeit in rauschenden Baumwipfeln; träume davon, Tage verstreichen zu lassen, einfach so.
Aber ich habe diese Zeit nicht, nicht am Ostseestrand, nicht im hessischen Hinterland, nicht an der Elbe. Ich würde sie gerne in Anspruch nehmen, denn sie wird ja angeboten, landauf, landab, zu fast jeder Jahreszeit, in fast jeder Region. Stadtschreiber, Turmbewohner, Elbspaziergänger, einen Monat, drei Monate, sechs Monate. Sie wird mir wie eine Karotte an der Angel vorgehalten, und manchmal, obwohl sinnlos, schnappe ich danach. Ganz kurz. Für mich, Vater zwischen Brotjob, Schreiben und Sorgearbeit, gibt es keine Spaziergänge und Wanderungen, für mich werden die kleinen Wohnungen nicht zurecht gemacht, wird der Schreibtisch nicht ans Fenster gerückt.
Zwei Monate, drei Monate, sechs Monate. Das sind utopische Zeiträume, traumhaft schön, aber sie sträuben sich mit Händen und Füßen gegen mich. Schon längst ist mir klar, dass die Ausschreibungstexte und Ankündigungen mich nicht meinen, obwohl sie so tun; die baumelnde Karotte vor meiner Nase. Unmöglich, einfach für ein paar Monate von der Bildfläche zu verschwinden, die Sachen zu packen und rauszufahren, ans Meer, an die Elbe, ins hessische Hinterland.
Warum, frage ich mich, warum könnte es nicht auch nur mal eine Woche sein? Oder ein verlängertes Wochenende? Oder die vier Wochenenden in einem Monat? Warum macht sich da niemand Gedanken? Ist es zu aufwändig, zu mühselig, sich jetzt auch noch den Autor*innen zuzuwenden, die neben dem Schreiben Sorgearbeit leisten? Ich wäre froh und glücklich über die Möglichkeit, auch nur für ein paar Tage an die Elbe zu können, es würde mir ein kleinwenig Raum geben, Raum, um Gedanken wachsen zu lassen, um erste Worte zu schreiben.
Manchmal träume ich im Halbschlaf von der Ostsee oder der Elbe. Von einem kurzen Spaziergang und davon, wie es wäre, mal wieder ein bisschen Zeit geschenkt zu bekommen.

Wie lange?

Wie lange hält das jetzt schon so an? Fünf Wochen, sieben Wochen, Monate, Jahre? Wie lange schon scheine ich in einen zersplitterten Spiegel zu schauen? Wie lange schon pendele ich zwischen optimistischen Prognosen (die Gesellschaft wird eine neue, eine bessere werden, nicht mehr Wachstum wird wichtig sein, sondern das Gemeinwesen, Solidarität) und hypochondrischen Panikattacken? Wie und wann kann ich wieder Ruhe finden, Gelassenheit? Seit Wochen ist es ein Überbrücken, ein Durchstehen, nein, das ist nicht viel Romantik dabei, auch wenn es durchaus schöne Momente gibt. Die Tage ähneln sich mehr und mehr, Unterschiede verschwimmen (was war nochmal Wochenende?), die Stimmung irgendwo zwischen Gereiztheit, Müdigkeit und der stillen Hoffnung, dass es bald doch wieder so werden möge wie vor der Krise, aber wie war das denn damals, vor der Krise?
Wir haben einen Stundenplan gemacht, damit die Tage nicht völlig ausfransen, wir arbeiten im Garten, nehmen die ungewöhnliche Stille wahr (wir wohnen ganz in der Nähe des Frankfurter Flughafens, ein ständiges Brummen lag bisher immer in der Luft, weshalb der Unterschied jetzt, wo nichts mehr fliegt, so einprägsam ist).
Draußen lärmen die Vögel, der Frühling breitet sich ungeachtet aller Krisen, aller Zustände aus, es ist nicht die Natur, die verrückt spielt, sondern wir, die davon aber nichts wissen wollen. Wie wird meine Tochter diese Zeit in Erinnerung behalten? Als einen seltsamen Schwebezustand, als endlose Ferien ohne Freunde? Als eine Zeit, in der Papa zu oft mit dem Bildschirm sprach und dazwischen lange in den Garten starrte? In der Mamas Schicht in der Klinik nicht nach sieben, sondern nach neun, nach zehn Stunden endete? Wie werden wir zurückblicken auf diese Tage? Mit einem Schaudern, einem verklärten Blick (wie still es damals war, wie eng wir alle zusammenrückten) oder gar nicht?
Das Außergewöhnliche, das Neue wird langsam und unmerklich Alltag (das Kind zuhause, die Schule längst vergessen, die Freunde erstarrt im Freundschaftsbuch, Schreiben in den Randzonen des Tages), aber noch sind überall bloß Fragezeichen.

Ja, Kinder …

… die Kinder, wir müssen unsere Umwelt, ja, wir müssen unsere Welt auch noch für die nachfolgenden Generationen, die Kinder, ja, ich bewundere Sie für Ihre Geduld, für Ihre Ruhe, also ich könnte das nicht, Kinder sind ja etwas Wunderbares, es verändert alles, den Blick, wir müssen unseren Kindern eine Welt hinterlassen, ein Kind braucht nicht viel mehr außer bedingungsloser Liebe, ja, es genügt schon ein Kochlöffel und ein Taschentuch und schon entsteht eine ganz neue Welt, die Phantasie, ja, die Lärmbelästigung des Kindergartens auf der anderen Straßenseite, das ewige Geschrei von nebenan, die kommen ja nicht von hier, die wissen nicht, wie Kinder hier bei uns, ja, Kinder brauchen nur bedingungslose Liebe und Grenzen, natürlich, es muss auch Grenzen geben, da gibt es Grenzen, also ich bewundere Sie dafür, Sie als Mutter, Sie als Vater, und dann schreiben Sie ja quasi nebenbei noch solche Texte, in denen ahnt man nichts von, also quasi in den Nächten schreiben Sie diese Texte, in denen man nicht ahnt, dass Sie noch Mutter, noch Vater, wir schätzen hier die Ruhe und die Abgeschiedenheit, verstehen Sie mich nicht falsch, wir schätzen die Ruhe hier, die Ruhe, aus der gewissermaßen, also, daraus entspringt der Geist, der Genius, verstehen Sie mich nicht falsch, aber Kinder, ja Kinder, ich meine, wie stellen Sie sich das denn vor, hier, in dieser Abgeschiedenheit, zusammen mit dem Genius, also, es gibt ein Recht auf Ruhe, nicht jeder kann, nicht jeder will, ja, Kinder, diese kleinen Geschöpfe, die noch ganz unberührt sind, aber es muss auch Grenzen geben, im Supermarkt, in der Straßenbahn, in den Arbeitsräumen, es muss auch Stille herrschen, eine Klage, ja, es gibt schon Klagen gegen den unvermeidlichen Lärm, gegen das heraufbeschworene Chaos, die Umgebung, sie ist, nun ja, reizarm, damit sich das Innere entfalten kann, es gibt ja feste Plätze für die Kinder, Kinderplätze, aber die werden Sie nicht bei uns finden, es tut mir leid, es muss auch Prinzipien geben, hier gibt es nichts außer einem Bett, einem Tisch und einem Stuhl, wie wollen Sie da, ja, Kinder, also nein.

Vom Ende als Autor

Mit Ende dreißig und einem schulpflichtigen Kind ist es mit der Autorenkarriere erst einmal vorbei. Dieser Eindruck drängt sich zumindest dann auf, wenn ich mir die einschlägigen Listen mit Literaturpreisen und Stipendien anschaue. Regelmäßig suche ich auf Seiten wie literaturport.de nach geeigneten Bewerbungsmöglichkeiten, und regelmäßig verlasse ich sie mit einem Achselzucken wieder. Mal wieder nichts gefunden. Dabei gibt es in Deutschland unzählige Preise und Stipendien, gefühlt vergibt jede Sparkasse einen eigenen, aber bei genauerem Hinsehen finden sich dann überall Einschränkungen: Sie sind regional begrenzt, haben eine Altersgrenze (meist sind es 35 Jahre, warum auch immer), setzen eine Buchveröffentlichung voraus beziehungsweise überhaupt keine.
Besonders schwierig wird es beim Thema Stipendien, genauer bei Aufenthaltsstipendien. Auch davon gibt es unzählige, in Klöstern, Bahnwärterhäuschen und in Türmen, in Wellness-Anlagen und in Meeresnähe. Einige davon sprechen mich an, bei einigen denke ich: Wirklich schön, an diesem Ort würde ich gerne Zeit verbringen und schreiben. Aber bei den meisten ist auch klar: Wir wollen nur dich, den Autor. Familie und Anhang lass bitte zuhause. Die Lebenswirklichkeit von mir und anderen Autor*innen spielt sich im Dreieck von Brotberuf, Schreiben und Familie ab. Da ist es nahezu unmöglich, sich für drei Monate in ein Kloster oder eine einsame Hütte zum Schreiben zurückzuziehen. Die meisten Aufenthaltsstipendien scheinen sich an kinderlose Autor*innen unter 35 zu richten. Die, so der Eindruck, sind noch ungebunden und bereit, sich für ein halbes Jahr in eine kleine Wohnung zu hocken und dem romantisierten Bild des „Armen Poeten“ zu entsprechen.
Mit Ende dreißig kann man also nur hoffen, dass die Kinder bald groß sind und ihre eigenen Wege gehen, um sich dann nochmal für die schönen Stipendien am Meer oder im Kloster zu bewerben – wenn es dann nicht heißt: Sorry, jetzt bist du zu alt!