Und die Wut

Auf die Wut war ich vorbereitet, die Wut eines Kindes, das die Bohrmaschine selbst in die Hand nehmen und in die andere Richtung gehen möchte und dabei abwechselnd „nein“ und „doch“ schreit. Von dieser Wut habe ich gewusst, von dem, was viele immer noch Trotzphase nennen, auch wenn es ein Streben nach Autonomie ist.
Aber die andere Wut, die sollte es nicht geben, wurde mir vermittelt. Meine Wut. Ich sollte sie kleinhalten können, nicht gegen wütenden Protest von „nicht mage“ bis „Aua, doch Autos spielen will“ um Winterjacke und Haube und das endlich fertig Anziehen kämpfen und auch nicht anfangen zu schreien. Vorher hätte ich auch daran glauben wollen, dass ich lernen kann, damit umzugehen, mit der verwarteten Zeit, der zerschrienen und zerdiskutierten Zeit, mit der Zeit, in der keine Zeile geschrieben wird, und auch mit der, in der ermüdet keine Energie mehr da ist, auch nur eine Zeile zu denken.
Das nicht nur, weil ich das machen wollte und sollte, sondern auch, weil mit der Wut bei mir auch die Migräne im Hinterkopf heranwächst und sich über den Tag legt. Sie erinnert mich daran, dass die Wut nur der sichtbare Ausbruch ist, nachdem der Druck zu lange angestiegen ist. Und dass es nicht darum geht, diesen Druck einfach nach unten zu schieben, sondern ihn für andere sichtbar zu machen und ihm dadurch Raum zu geben, der ihn abebben lässt.
Manchmal sehe ich mir von außen zu und sage mir, dass ich doch die Erwachsene bin. Aber dann wieder schreien sich zwei vor dem Badezimmer an und mein Freund stellt sich dazwischen. Und dann sind da zwei, die erschöpft sind von ihrer Wut und der des anderen, und die sich darin, dass sie nicht getröstet werden wollen, und im Beharren darauf, dass sie doch zuvor gesagt haben, was ihnen wichtig ist, für Momente lang erschreckend ähnlich sind.
Aber ähnlich ist nicht dasselbe, weil ich immer noch die Erwachsene bin und sein muss. Weil ich mich nicht darauf vorbereitet habe oder mich niemand darauf vorbereitet hat, wie umfassend diese Wut sein kann. Weil ich zugleich denke, dass ich sie verstecken muss, dass das Kind in der Gasse draußen brüllen kann, bis es von den Hauswänden zurückschallt, aber ich nicht laut werden darf. Ich soll mich beherrschen, ich habe es mir selbst ausgesucht, Kinder sind nun einmal so. Und dann spüre ich schon wieder, wie ich die Luft anhalte und die Autos und die Bäume in der Gasse immer weiter wegrücken und das rote Gesicht mit seinen Tränen näherkommt.