Kommt man mit Kindern überhaupt zum Schreiben?

… eine Frage, die mir so oder so ähnlich schon häufig zu Ohren gekommen ist. Und sie befremdet mich jedes Mal aufs Neue. Ich habe nie besser geschrieben als nach der Geburt meines ersten Sohnes. Kinder strukturieren den Tag. Kinder fokussieren. Kinder verhindern den Exzess. All die Schlupflöcher im Arbeitsprozess sind gestopft, meine Wahrnehmung von Zeit hat sich grundlegend gewandelt. Kommt man mit Kindern überhaupt zum Schreiben? Von der Elternzeit einmal abgesehen, stehen jedem Elternteil, sofern die Kinderbetreuung gewährleistet ist, doch wieder volle Arbeitstage zur Verfügung. Inwiefern sollen Kinder also den Akt des Schreibens behindern? Die Fragestellung intendiert bereits, wie sie zu beantworten ist. Denn um Kinder kümmert man sich in der Regel in den Morgenstunden, an den Nachmittagen und am Wochenende – also außerhalb der gängigen Arbeitszeiten. Genau dort aber wird mit der Frage jedoch das Schreiben eingetaktet: in der Freizeit und den Ruhephasen. Meine Antwort lautet darum stets: Nicht Kinder halten mich vom Schreiben ab, sondern Lohnarbeit, die Ausbeutung meiner Arbeitskraft. Und dass diese Einsicht nicht sonderlich verbreitet ist, scheint mir im Zusammenhang mit der vorherrschenden Ideologie unserer Zeit zu stehen. Wer keine Arbeit findet, der gibt sich keine Mühe. Wer unglücklich ist, der muss sein wahres Ich entdecken. Und wer wirklich schreiben möchte … Statt im Verbund für die Verbesserung der ökonomischen Situation von Autor*innen zu kämpfen oder sich, mit der zur Verfügung stehenden Wortmacht, für eine gerechtere Gesellschaft einzusetzen, wird das eigene Leben auf den Schreibtisch beschnitten – natürlich wird der Verzicht zugunsten der Kunst mit großer Geste als selbst gewählt gefeiert –, und ein angebissener Apfel pulsiert als passable Pointe auf den Laptoprücken.