Some Work But Different: Slata Roschal

Hatte deine Mutterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf Dein Buch?

Im Mittelpunkt steht – unter anderem – das Thema Mutterschaft, und ich könnte keine überzeugende Ich-Perspektive dazu entwerfen, wenn ich selber kein Kind hätte. Das ist mir auch wichtig, über das zu schreiben, womit ich mich auskenne, nicht mit gekünstelten, angelesenen Plots zu arbeiten (wobei das Buch natürlich ein literarisches Ereignis ist, nicht mehr und nicht weniger, weder autobiografisch noch ‒ wie man es heute sagt ‒ autofiktional). Auch stammen viele Figuren und Szenen aus dem Kita- und Schulalltag mit anderen Eltern, es war auch ein wenig gemein, da die Erzählerin gar nicht gut auf andere Mütter zu sprechen ist.

Was hast du gerade gemacht, als das Paket mit den Belegen eintraf?

Tatsächlich lief es ziemlich pragmatisch ab, ich war bei einer Residenz, kam ein-zwei Wochen später zuhause an, prüfte alles (das Grün des Schutzumschlags fand ich super, das Rosa darunter eher weniger), las das Buch einmal von Anfang bis Ende durch (es ist ein ganz gutes Zeichen, wenn man Spaß hat beim Lesen des eigenen Textes), und das war es. Aber ich habe davor auch nicht meinen Geburtstag gefeiert, es war zu viel los und ich tue mich generell schwer damit, mich zu freuen, wenn ich es muss, also nicht spontan.

Auf welches Stipendium hast du dich nicht beworben, weil du Kinder hast?

Auf fast alle Residenzstipendien im Ausland, die an teure Flüge und lange Reisezeiten gebunden sind, bewerbe ich mich nicht, obwohl ich natürlich gern mal in Helsinki oder Istanbul schreiben würde; neulich hatte ich eins nebenan in Frankreich und dieses ständige Hin- und Herreisen war ätzend. Auch fällt meist alles weg, was länger als einen Monat dauert, wobei ich jetzt versuche, meinen Sohn in den Ferienzeiten mitzunehmen, zu pendeln und mich auf unangenehme Diskussionen mit den Residenzleitern gefasst zu machen. Und ich kann nicht einfach so umziehen, weil es woanders bessere Arbeitsstipendien gibt, die sind ja meist an den Wohnort gebunden. Mit der Zeit nehme ich es aber immer mehr als ein strukturelles Problem und weniger als meine private Einschränkung wahr (ein Kind zu haben, ist eigentlich mehr als normal, es ist gut und wichtig), und das ändern allmählich solche Initiativen wie die other writers.

Slata Roschals zweiter Roman Ich möchte Wein trinken und auf das Ende der Welt warten erschien im Februar 2024 bei Ullstein/Claassen.

 

 

Same Work But Different: Florian Wacker

Hatte deine Vaterschaft Einfluss auf die alltägliche Schreibarbeit? Welchen?

Ja, einen sehr großen, meine Schreibarbeit richtet sich nach den Schulzeiten meiner Tochter. Da arbeite ich am besten am Vormittag, da habe ich Zeit und die nötige Ruhe. Am Nachmittag helfe meiner Tochter bei den Hausaufgaben, kümmere mich um Dinge wie Haushalt, Einkaufen, Mails usw. In den Ferien muss ich meine Schreibroutinen meist aufgeben und schauen, wo im Tagesverlauf ein paar Stunden Zeit sind. Da meine Tochter schon etwas älter ist und sich recht gut selbst beschäftigen kann, ist es mit den Jahren leichter geworden, auch in den Ferien einigermaßen kontinuierlich zu schreiben.

Was hast du gerade gemacht, als das Paket mit den Belegen eintraf?

Ich kam gerade vom Einkaufen zurück, rechts und links die schwer bepackten Radtaschen, als im Briefkasten deutlich sichtbar das erste Exemplar des neuen Romans steckte. Da bleibt einem immer kurz die Luft weg, denn nun ist es gewiss: Es ist keine Idee, kein Gedanke mehr, kein digitales Dokument: Es ist ein echtes Buch!

Gibst du das Buch deinem Kinder und/oder deinen Eltern zu lesen?

Meine Eltern lesen alle meine Bücher. Sie interessieren sich für das, was ich mache, kommen gelegentlich auch zu Lesungen oder anderen Veranstaltungen. Meine Tochter hat noch kein Interesse an meinen Büchern. Ich erzähle ihr davon, sie findet das Ganze auch sehr spannend, aber die Themen der Bücher sind wahrscheinlich noch nichts für 11jährige. Vielleicht liest sie in ein paar Jahren mal mein Jugendbuch.

Auf welches Stipendium hast du Dich nicht beworben, weil du Kinder hast?

Ich habe mich seit Jahren auf kein einziges Stipendium mehr beworben, weil es für uns (meine Partnerin arbeitet im Schichtdienst im Krankenhaus) unmöglich ist, diese Zeiten familiengerecht zu gestalten. Hin und wieder lese ich Ausschreibungen und ärgere mich dann über die Familienunfreundlichkeit der meisten Stipendien, freue mich dann wiederum aber auch über erste Lichtblicke wie das Stipendium in Hamburg, das sich explizit auch an Autor*innen mit Sorgearbeit richtet. Immerhin scheint sich – auch durch die Arbeit von other writers – im Betrieb endlich etwas zu ändern, langsam, aber es geschieht etwas!

Florian Wackers neuer Roman „Zebras im Schnee“ erschien Ende März im Berlin Verlag.

 

 

 

Same Work But Different: Marcus Klugmann

Welchen Einfluss hatte deine Vaterschaft auf dein Buch?
Nur einen kleinen. Ich wollte es gar nicht, aber in Metaphern und Vergleichen tauchen Schwangerschaft und Kleinkindzeit immer wieder auf an Stellen, wo es gar nicht darum geht.

Hast du das Erscheinen des Buches gefeiert?
Ich bin mit Frau und Kindern zum Verlag (der ist nicht weit von uns). Da hat man mir einen Karton durchs Fenster gereicht. Danke schön, bis bald. Haben wir Kuchen gekauft? Am Abend gab’s Sekt (nicht für die Kinder). Und später hielt ich das Buch mal alleine in Händen, da gefiel es mir dann wieder ganz gut. Das Cover besonders und auch ein paar Textstellen. (Da ist ja nun die Gefahr, dass man Stellen findet, die plötzlich gar keinen Sinn mehr ergeben – und dann kann man die nicht mehr ändern! Graus.)

Wenn dich vor der Kita ein anderer Elternteil fragt, worum es in deinem neuen Buch geht – wie würdest du es beschreiben?
Ach je, ja, das habe ich schon öfter versucht, das war vor Erscheinen schon ein paarmal passiert, dass ich erwachsenen Leuten versucht habe zu erklären, „worum es geht“. Und ich weiß, dass sie die Geschichte hören wollen, den Plot. Aber den gab es für mich nie. Ich wollte gute Sätze aus dem machen, was das Leben mir so gegeben hat. Meine Frau, wenn sie denn dabei stand, konnte das Buch dann ganz gut zusammenfassen und benutzte dabei Wörter wie „Co-Abhängigkeit“. Depressionen kommen drin vor, Leute, die sich verlieben, der Alltag einer Paarbeziehung, ab und zu die Beziehungen zu anderen Familienmitgliedern und Freunden … Also, ich finde es ja auch ziemlich witzig. Was mich an dem Buch aber am meisten interessierte, war das Verhältnis von Autobiografischem zu Erfindung, Erinnerung (aufgeschriebene vs. das, was so hängengeblieben ist), die Gegenüberstellung von Gegenwart und Vergangenheit, und wie sich das alles beim Schreiben, Überarbeiten verändert, überhaupt auch der Schreibprozess … Aber versuch das mal Joris Papa zu erklären!

Gibst du das Buch deinen Kindern und/oder Eltern zu lesen?
Jeder, der lesen kann, darf es lesen. (Auch wenn ich schon gehört habe – denn ich habe ja erzählt, dass der Roman autobiografisch ist, und ich sage „ich“ und benutze meinen richtigen Namen –, dass man mich so intim dann doch nicht kennenlernen wollte. (Ehrlich, ich wusste bis vor kurzem nicht, dass Menschen sich Dinge so gut vorstellen können. Googelt mal „Aphantasia“.))

Stehst du wegen der vermehrten Schreibzeit oder wegen nun kommender Lesungen in der Schuld anderer Familienmitglieder?
Wegen der Schreibzeit ganz sicher. Was Lesungen betrifft, das wird sich noch zeigen – wobei die, wenn sie angemessen bezahlt sind, auch Schuld abbauen können. Aber in jedem Fall gilt, immer wieder: Danke, Miriam!

Marcus Klugmanns Debütroman Sie schläft. Sie geht neben dir her erschien im Februar 2024 im Mosses Schroeter Verlag.

Same Work But Different: Laura Vogt

Hatte Deine Mutterschaft/Vaterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf Dein Buch? Welchen?

Laura Vogt: Ja! Das Thema Mutterschaft (und Elternschaft allgemein) hat mich während dem Schreiben umgetrieben, und das zeigt sich auch bei den drei Hauptfiguren von „Die liegende Frau“. Romi ist schwanger mit ihrem zweiten Kind und fragt sich, was Verantwortung meint und wie diese Familie prägt. Szibilla hingegen bezeichnet sich als Antinatalistin und möchte keine Kinder haben. Nora wiederum steckt in einer Krise und schweigt – was sicherlich auch mit ihrer Mutterschaft zu tun hat.

Wenn Dich vor der Kita oder vor der Schule ein anderes Elternteil fragt, worum es in Deinem neuen Buch geht – wie würdest Du es beschreiben?

Laura Vogt: Es geht um drei Frauen, die miteinander mehr oder weniger eng verbunden sind. Eigentlich wollten sie gemeinsam einen Kurztrip nach Berlin machen, aber dann erfahren Romi und Szibilla von Noras Krise und reisen zu ihr an den Ort, wo Nora aufgewachsen ist. Dort sind die beiden konfrontiert mit ihren sehr unterschiedlichen Lebensentwürfen, und ein je eigener Prozess beginnt … bis Nora ihr Schweigen bricht. Es geht also, grob gesagt, um die Frage nach der Rolle(n) der Frau und um die der Mutter. Es geht um die Frage nach dem „guten Leben“, nach Prägungen, Beziehungen, Verantwortung, Familie und Freundschaft.

Was hast Du gerade gemacht, als das Paket mit den Belegen eintraf?

Laura Vogt: Ich war in den Ferien und konnte mich daher zwei Wochen lang darauf freuen, das Paket zu öffnen. Dafür habe ich mir dann viel Zeit genommen. Ich habe das Buch ein erstes, zweites, drittes Mal betrachtet, darin gelesen, und es mir so zu einer Art Freundin gemacht.

Stehst Du wegen der vermehrten Schreibzeit oder nun kommender Lesungen in der Schuld anderer Familienmitglieder?

Laura Vogt: Der Vater meiner Kinder und ich haben ab der Geburt unseres Erstgeborenen gleichberechtigt gelebt, gearbeitet, betreut. Das ging fast immer gut auf. Und das ist ein Privileg. Grossartig sind auch die Betreuungsarbeit meines Freundes, meiner Mutter und ihres Partners und die Genossenschaft, in der wir leben und in der so einiges abgefedert werden kann. Für all das bin ich sehr dankbar – aber ich stehe deswegen in keiner Schuld.

Was hältst Du davon, das Entstehen eines Buches mit dem Heranwachsen eines Babys zu vergleichen und sein Erscheinen mit der Geburt? Ist dieser Vergleich für Dich stimmig?

Laura Vogt: Vielleicht ein etwas abgedroschener Vergleich, aber für mich ist er stimmig. Ich gehe mit den Themen schwanger wie mit einem Baby. Das Baby – der Text – wächst in mir heran, bis das Baby – das Buch – auf die Welt kommt. Das Buch am Erscheinungstermin loszulassen, fühlt sich ähnlich schwierig an, wie mein Baby nach der Geburt aus den Händen zu geben. Es seine eigenen Wege gehen zu lassen, ist gar nicht so einfach für mich. Aber beide – Buch und Baby – brauchen mich ja doch noch eine ganze Weile …

 

Laura Vogts dritter Roman Die liegende Frau erschien im September 2023 in der Frankfurter Verlagsanstalt.

 

Same Work But Different: Ann Kathrin Ast

Hatte deine Mutterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf dein Buch? 

Sehr! Nach der Geburt meines ersten Kinds habe ich mich buchstäblich sprachlos gefühlt, konnte auf Fragen wie „wie geht’s dir?“ selbst engen Freundinnen nichts antworten. Auf das Gedicht „Morning Song“ aus Sylvia Plath‘ „Ariel“ zu stoßen, hat ein bisschen geholfen. Wenige Tage nach der Geburt kamen beim Stillen dann die ersten Zeilen zu einem Langgedicht übers Gebären. Ich habe schnell gemerkt, dass ich jetzt sowieso über nichts anderes schreiben könnte, musste versuchen, das Gebären und die Veränderungen in der Wochenbettzeit in der Sprache zu bannen. Es war schön, dass mich die Arbeit an diesen Gedichten im Jahr nach der Geburt begleitet hat. Jetzt machen sie etwa den halben Gedichtband aus.

Stehst du wegen Schreibzeit oder Lesungen in der Schuld anderer Familienmitglieder?

Ja. Ein halbes Jahr nach der Geburt meines zweiten Kinds sind mein Debütroman und mein Debütgedichtband erschienen. Mein Baby war bei allen Lesungen dabei, in Berlin, Leipzig, Vorarlberg … Es ging nur, weil meine Eltern/Schwiegereltern als Babysitter mitgekommen sind. Für diese Unterstützung bin ich sehr dankbar. Im Alltag dagegen habe ich keine Entlastung, kann deshalb zurzeit fast gar nicht schreiben. Bei einem Kind ging das noch gut, bei zwei Kindern gibt es einfach zu wenig parallele Schlafphasen der Kinder, finde ich. Das heißt, ich warte jeden Tag sehnsüchtig auf den Anruf einer Tagesmutter oder Krippe, dass sie einen Platz für meinen Einjährigen haben.

Wenn dich vor der Kita ein anderes Elternteil fragt, worum es in deinem neuen Buch geht – wie würdest du es beschreiben?

Unter anderem um Geburt und Wochenbettzeit als Grenzerfahrung, die besondere Wahrnehmung und Zeitlosigkeit. Die Zweifel, die überwältigende Zartheit, die existenzielle Angst, die Suche (danach, wer dieses Kind ist und wer ich jetzt bin). Die Perspektiven von Mutter und Kind verschränken sich.
Der Text ist teils als Schnipsel wie bei einer Pinnwand über die Seite verteilt, das lässt mir und den Leuten, die es lesen, Freiräume.

Welches Stipendium würdest du auch mit Kind nicht ablehnen?

Eines, wo ich ein paarmal für einige Tage an einen anderen Ort komme für Eindrücke, Lesungen, Workshops, wo es keine dauerhafte Präsenzpflicht gibt und ich am besten die Kinder und einen Babysitter mitbringen darf, der dann auch da schläft. Präsenzpflicht finde ich nicht zeitgemäß, wo doch sonst gerade überall Homeoffice üblich ist …

Ann-Kathrin Asts Gedichtband vibrieren in dem wir erschien im Januar 2023 in der parasitenpresse.

Same Work But Different: Anna Ospelt

Hatte Deine Mutterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf Dein Buch?

Ja – in meinem Buch geht es um die Anfänge des Lebens und die gesellschaftliche Frage, was es heute bedeutet, Mutter zu sein. Beziehungsweise, was es bedeuten kann, aus meinem Blickwinkel als freischaffende Autorin. „Frühe Pflanzung“ nimmt die Leser:innen mit auf eine Reise durch die vier Jahreszeiten Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Ich beschreibe die Natur um uns herum, von den Vögeln im Garten bis zu den sich verändernden Gesichtern der Berge. Zugleich reflektiert das Buch meine Erfahrungen eines Rollenwechsels, mit meinem Neugeborenen im Arm während dieses ersten Jahreszeitenkreises.

 

Hatte Deine Mutterschaft Einfluss auf die alltägliche Schreibarbeit?

Die Zeitfenster sind wesentlich kleiner. Entweder schreibe ich, wenn meine Tochter betreut ist, oder aber wenn sie schläft, ich schreibe nun gewissermaßen auf Zehenspitzen. Auch wenn ich mich oft nach mehr Zeit sehne, schreibe ich mehr und fokussierter, seit ich Mutter wurde, wohl weil die Kunst ein rares Gut wurde. Aber nur dank der geteilten Elternschaft mit meinem Partner und einem hilfsbereiten Umfeld, einem Eingebettetsein in diverse Privilegien, war ich in der Lage, zwei Jahre nach der Geburt meiner Tochter mein zweites Buch herauszubringen.

 

Was hast Du gerade gemacht, als das Paket mit den Belegen eintraf?

Tatsächlich war ich mit meiner Tochter auf dem Weg zum Spielplatz, als das Kuvert mit dem ersten Buch eintraf. Als sie vertieft im Sandkasten spielte, öffnete ich den Umschlag und betastete, betrachte mein Buch. Ein schöner, inniger Moment. Später sagte meine Tochter in Bezug auf das Buch: „Ich habe auch mitgemacht!“ – wie wahr!

 

Was hältst Du davon, das Entstehen eines Buches mit dem Heranwachsen eines Babys zu vergleichen und sein Erscheinen mit der Geburt? Ist dieser Vergleich für Dich stimmig?

Ich finde ihn oft etwas an den Haaren herbeigezogen: eine Buchvernissage macht wesentlich mehr Spaß als eine Geburt, und eine Lesereise ist wohl das Gegenteil einer Wochenbetterfahrung. Allerdings gibt es doch Parallen zwischen der Schwangerschaft und dem Schreiben: «Schließlich ist jeder, das heißt, jeder, der schreibt, daran interessiert, in sich selber zu leben, damit er sagen kann, was in ihm drinnen ist.» — Gertrude Stein

 

Welche*n other writer würdest Du gern zufällig auf einem Spielplatz treffen und worüber würdest Du mit ihm*ihr sprechen?

Vielen! Heute ganz besonders gerne Simone Scharbert, deren Arbeit ich sehr schätze und mit der ich mich während der Arbeit an meinem neuen Buch regelmäßig austauschen durfte – allerdings via Zoom aufgrund unserer weit voneinander entfernt liegenden Wohnorte.

 

Anna Ospelts zweites Buch „Frühe Pflanzung“ erschien im März 2023 im Limmat Verlag.

Same Work But Different: Linn Penelope Micklitz

Hatte Deine Mutterschaft einen inhaltlichen Einfluss auf Dein Buch? Welchen?
Linn Penelope Micklitz: Als die Arbeit an meinem Buch beendet war, ist mein Kind wenige Monate alt gewesen. Ich schreibe eher aus der anderen Perspektive: der einer Tochter. Das Verhältnis der Kinder zu ihren Eltern ist Fokus im Text, den ich nicht mal bewusst anvisiert habe, er hat sich wie von selbst eingeschrieben.

Stehst Du wegen der vermehrter Schreibzeit oder nun kommender Lesungen in der Schuld anderer Familienmitglieder?
Linn Penelope Micklitz: Nein. Die Kinderbetreuung ist bei uns insofern keine Schuldfrage, als das wir von Anfang an wussten: Keine familiäre Unterstützung in Leipzig, wir müssen das zu zweit machen. Es gilt die 50-50 Regel. Wer plötzlich mehr zu tun hat, gibt rechtzeitig bescheid, dann wird umgeplant. Das betrifft uns als Selbstständige regelmäßig und ich finde es schön, dass wir einander so viel möglich machen.

Was hältst Du davon, das Entstehen eines Buches mit dem Heranwachsen eines Babys zu vergleichen und sein Erscheinen mit der Geburt? Ist dieser Vergleich für Dich stimmig?
Linn Penelope Micklitz: Nicht wirklich. Das ist mir vor allem kurz vor der Geburt bewusst geworden. Ich hatte während der Schwangerschaft zwei Mal richtig Panik, weil mich die Erkenntnis überwältigt hat, dass dieser Mensch aus mir heraus kommen muss. Dass es da kein Zurück gibt. Es ging mir da nicht um die Tatsache, dass ich das Muttersein als solches fürchtete, sondern um diesen rein körperlichen Aspekt des Ausgeliefertseins. Es gibt kein Zurück. Du wirst gebären müssen. Und zwar nicht dann, wenn du bereit bist, sondern wenn es eben losgeht. Ich kontrolliere viel, um mich nicht hilflos fühlen zu müssen. Diese Erkenntnis hat mich so hilflos gemacht, wie nichts zuvor. Bei einem Buch liegt die Entscheidung schlussendlich für alles bei dir, du kannst zumindest immer sagen: Ich mache einen Rückzieher.

Auf welches Stipendium hast Du Dich nicht beworben, weil Du Kinder hast?
Linn Penelope Micklitz: Auf so ziemlich alle, die mit einem Aufenthalt an anderen Orten einhergehen. Das kommt vielleicht wieder, wenn mein Kind drei wird dieses Jahr. Allerdings muss ich ehrlich zugeben, dass mein Kind mir auch eine willkommene Ausrede ist. Ich bin ein absoluter Gewohnheitsmensch und Alltagsliebhaberin. Zu verreisen und mich irgendwo einleben zu müssen, macht mir Angst. Also eher ein Vorsatz: Wenn der dritte Geburtstag durch ist, überwinde ich mich vielleicht mal.

Welche*n other writer würdest Du gern zufällig auf einem Spielplatz treffen und worüber würdest Du mit ihm*ihr sprechen?
Linn Penelope Micklitz: Mit Ricarda Kiel über all das Kluge, was in den Briefen an Bettina Wilpert steht.

Linn Penelope Micklitz‘ Debüt Abraum, schilfern erschien im Oktober 2022 im Verlag Trottoir Noir.

Same Work But Different: Sibylla Vričić Hausmann

Welchen Einfluss hatte deine Mutterschaft auf die alltägliche Schreibarbeit?
Sibylla Vričić Hausmann: Mal hemmt sie mich, mal hilft sie mir, immer strukturiert sie meine Abläufe mit. Eine kurzfristig bestehende schöne Balance zwischen Schreibzeit und Freizeit mit meiner Tochter im Sommer hat dazu geführt, dass ich das Buch 2022 fertig bekommen habe.

Was hast du gerade gemacht, als das Paket mit den Belegen eintraf?
Sibylla Vričić Hausmann: Ich habe die Bücher auf der Frankfurter Buchmesse von meiner Verlegerin persönlich überreicht bekommen.

Hast du das Erscheinen des Buches gefeiert? Wenn ja, wie?
Sibylla Vričić Hausmann: Ich habe mir ein Stück Frankfurter Kranz gekauft.

Wenn dich vor der Kita oder vor der Schule ein anderes Elternteil fragt, worum es in deinem neuen Buch geht – wie würdest du es beschreiben?
Sibylla Vričić Hausmann: Es geht darum, wie das innere Kind mit seiner Wut fertig werden kann.

Was hältst du davon, das Entstehen eines Buches mit dem Heranwachsen eines Babys zu vergleichen und sein Erscheinen mit der Geburt? Ist dieser Vergleich für dich stimmig?
Sibylla Vričić Hausmann: Der Vergleich ist stimmig, allerdings entwickelt sich ein Buch nach seinem Erscheinen nicht mehr weiter. Es ist eben kein Lebewesen.

Sibylla Vričić Hausmanns Gedichtband meine Faust erschien im Oktober 2022 bei kookbooks.

Same Work But Different: Simone Scharbert

Welchen Einfluss hatte deine Mutterschaft auf dein Buch?
Simone Scharbert: Kurz bleibe ich am Begriff hängen, an „Mutterschaft“, denke mir den Begriff als Prozess, als Verbundenheit mit meinen Kindern. Und insofern hat diese Verbundenheit nahezu immer Einfluss auf mein Schreiben auch, sowohl inhaltlich als auch strukturell, lässt sich schwer davon trennen. Inhaltlich bei „Rosa in Grau“ diesmal ganz explizit im Abtasten der eigenen Angst, dem Nachfühlen als „Mutter“, in der Sorge, als fürsorgender Mensch für diese Kinder nicht da sein zu können, wie sie es vielleicht brauchen, in Rollen nicht hinein-, nicht hinausfinden zu können. Das Hineinschreiben der Kinder auch. Geburtserinnerungen, die ersten Annäherungen. Aufblinkende Risse, Wahrnehmungsfragen, Loslassen. Vielleicht auch die Möglichkeit, in diesem Schreiben nochmals den Blick ruhig auf Verbundenheit zu richten, ihr einen eigenen Raum zu geben.

Gibst du das Buch deinen Kindern und/oder deinen Eltern zu lesen?
Simone Scharbert: Gegen Ende des Schreibens bzw. in den Lektoratsrunden verflicht sich das Textarbeiten oft mit dem „normalen“ Alltag. D.h. der Text ist mit mir, blinkt auf dem Laptop offen in unsere Wohnräume, während ich hin- und herräume oder koche. Und also können die Kinder bzw. alle, die sich gerade in Textnähe aufhalten, auch immer einen Blick ins Geschriebene werfen, mitlesen, wenn sie wollen. Und immer mal wieder ist das der Fall (eigentlich sehr schön). Bei „du, alice“ allerdings damals schlimm für meinen jüngeren Sohn, weil er just in eine Stelle über Brustkrebs hineingefallen ist (wird immer wieder thematisiert). Ansonsten überlasse ich es allen selbst, ob sie den jeweiligen Text lesen wollen oder nicht. Einzig meine Eltern habe ich bei „Rosa in Grau“ aufgrund der versteckt-biografischen Angelpunkte gebeten, den Text zu lesen, bevor ich ihn zu Helge gebe. Mir war und ist gerade bei diesem Thema nach wie vor so wichtig, dass der Text zu keinen sichtbaren oder unsichtbaren Verletzungen führt, etwas unvorsichtig formuliert.

Was hast du gerade gemacht, als das Paket mit den Belegen eintraf?
Simone Scharbert: Das Paket war vor mir da. Ich habe es erstmal stehen lassen. Sicherlich ein paar Stunden. Es dann langsam geöffnet. Nur ein Buch herausgenommen. Wieder gespürt (wie schön), wie groß der Unterschied zwischen „Text“ und „Buch“ ist, wie wunderbar es ist, wenn mehrere Menschen so aufmerksam an der Entstehung eines Buches mitwirken, es gemeinsam auf den Weg bringen.

Simone Scharbert Prosaband Rosa in Grau. Eine Heimsuchung erschien im Oktober 2022 in der Edition Azur.

Same Work But Different: Sebastian Schmidt

Welchen inhaltlichen Einfluss hatte deine Vaterschaft auf dein Buch?
Sebastian Schmidt: Ein großes Thema ist für mich der Umgang mit Vaterschaft auch während der Abwesenheit eines Teils meiner Kinder. Die beiden Älteren (sie sind 10 und 13) leben nur etwa ein Drittel des Jahres bei mir und meiner Partnerin und ihrer kleinen Schwester, die andere Zeit bei ihrer Mutter. Ich vermisse sie dann oft sehr. Es fällt mir immer schwer, das treffend zu beschreiben im Gespräch mit anderen oder als Text. Beim Schreiben von Gedichten ist das eher möglich, weil einige Grenzen standardisierter Kommunikation aufgehoben sind und alles einer anderen Logik folgt. Ich versuche auch in meinem Buch die Frage nach Vaterschaft mit unterschiedlichen Ausgangspositionen – zwei Kinder sind wechselnd anwesend, ein Kind wohnt dauerhaft hier – zu verhandeln. Aber auch die Geburt meiner Tochter habe ich versucht, mit Hilfe von lyrischem Text auszudrücken .

Hatte deine Vaterschaft auch Einfluss auf die alltägliche Schreibarbeit?
Sebastian Schmidt: Ein großer Teil des Buches ist morgens entstanden. Nach dem Aufstehen, wenn alle noch schlafen, habe ich oft Ideen. Chris Kraus schreibt in anderem Zusammenhang über Kathy Acker, der Morgen sei eine Zeit „that wouldn’t impinge on her writing and her morning dream-drift she channeled into her work“. Außerdem haben es die kurzen Texte zugelassen, sich meist ohne großes Einlesen an eine Bearbeitung zu setzen, wenn sich ein Zeitfenster aufgetan hat, eine halbe Stunde oder mehr.

Hast du das Erscheinen des Buches gefeiert?
Sebastian Schmidt: Wir waren am Tag der Veröffentlichung gerade alle über eine Magen-Darm-Infektion hinweg. Als ich zuvor die Info bekommen hatte, dass die Belegexemplare losgeschickt worden waren, ging es mir besonders schlecht, ich hatte die Nachricht tatsächlich vor dem Klo kniend gelesen. Bisher gab es nur eine familiäre Party zur Veröffentlichung, die sah so aus: Meine Partnerin hat mit unserer Tochter eine Girlande gebastelt, Zeug für einen super (alkoholfreien) Cocktail besorgt. Meine beiden Älteren waren da und wir saßen auf der Couch, die Kleine im Bett. Genau im Moment des Anstoßens erbrach sich die Kleine über das Babyphone zu uns herüber und meine Partnerin und ich rannten los, Kind trösten, Sachen frisch beziehen, Zeug auswaschen. Just another kind of party.

Stehst du wegen der vermehrter Schreibzeit oder nun kommender Lesungen in der Schuld anderer Familienmitglieder?
Sebastian Schmidt: Noch nicht, aber ich sehe es kommen im Hinblick auf ein paar Lesungen, die anstehen. Das ist gerade alles noch unklar.

Sebastian Schmidts Gedichtband so stelle ich mir den gesang von erst kürzlich mutierten finken vor erschien im April 2022 in der parasitenpresse.