„Das ist ein schwerer Tag“, sagt das große Kind, als es die Entbindungsstation verlässt, in der es zum ersten Mal seinen kleinen Bruder gesehen hat. „Wie heißt der Kleine nochmal? Ich habe den Namen vergessen.“
„Ich komme gleich“, sage ich zum großen Kind. „Ich stille gerade.“
„Du bist meine Mama“, sagt das große Kind. „Deine Mama ist Oma Eva. Oma Evas Mama ist Uroma Irmgard. Die ist tot, genau wie Uropa Heinz.“
„Aber im Kindergarten sind doch Kinder, mit denen du spielen kannst“, sage ich zum großen Kind. „Dort gibt es so viel Spielzeug, das haben wir hier gar nicht alles, willst du wirklich nicht mehr hin?“
„Kann man ein Messer abwehren?“, fragt das große Kind. „Man muss den Arm ausstrecken, hat Ben gesagt, stimmt das?“
„Ich bleibe deine Mama“, sage ich zum großen Kind. „Ich bin für immer deine Mama, fest versprochen.“
„Nicht dass ich mit ablaufe“, sagt das große Kind, nachdem es den Badewannenstöpsel gezogen hat. Da steht es, bis zu den Knöcheln im Schaum, und schaut zu, wie das Wasser nach und nach verschwindet.
Ein Beitrag aus der Reihe Und wenn ich falle? – Texte über Trennungen.